Lexikon

Antisemitsmus

Juden: Ausbreitung im Mittelalter
Ausbreitung der Juden im Mittelalter
Ausbreitung der Juden im Mittelalter
Feindschaft gegen die Juden, insbesondere aus sog. rassischen Gründen. Die 1879 von W. Marr geprägte Bezeichnung ist irreführend, da die Antisemiten nicht die Angehörigen der semitischen Sprachfamilie (Bewohner Nordostafrikas und Vorderasiens) bekämpfen, sondern allein die Anhänger der jüdischen Religion und Nachkommen von solchen, die die Religion nicht mehr praktizieren. Diese Menschen werden fälschlich als einheitliche „Rassengruppe“ betrachtet.
Der Antisemitismus setzt die Judenverfolgungen der Geschichte unter neuen Vorzeichen fort. Seit der Mitte des 19. Jh. betonten die Judengegner unter Verfälschung wissenschaftlicher Theorien die Ungleichwertigkeit der menschl. „Rassen“. In den Veröffentlichungen des ausgehenden 19. Jh. wurde die jüdische „Rasse“ als minderwertig bezeichnet. Die argumentative Koppelung des Antisemitismus, Antikommunismus, Antisozialismus und Antiintellektualismus machten ihn besonders in weiten Kreisen des Kleinbürgertums zu einer bevorzugten Form der negativen Abgrenzung. Auf den Werken J. A. de Gobineaus, H. S. Chamberlains, R. Wagners fußend, erhielt der Antisemitismus in Deutschland durch E. Drumont, W. Marr, E. Dühring, T. Fritsch u. a. publizistisches und durch antisemitische Organisationen („Deutsche Antisemitenliga“, „Deutsche Antisemitische Vereinigung“) und Parteien („Christlich soziale Arbeiterpartei“, „Christlich Soziale Partei“) politisches Gewicht. Im Deutschen Reichstag saßen 1893 erstmals 18 antisemitische Abgeordnete.
Besonders starke antisemitische Strömungen gab es in Osteuropa. In Russland kam es 1881 nach der Ermordung Zar Alexanders II. zu Pogromen. Die Verfolgung des Juden A. Dreyfus erschütterte ab 1894 Frankreich und hatte weltweites Echo.
In Deutschland fand der Antisemitismus im Nationalsozialismus seine konsequenteste Ausprägung. Hitler lernte den Antisemitismus in Wien durch K. Lueger u. G. von Schönerer kennen; nach dem 1. Weltkrieg schloss er sich den Thesen des „Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes“ und E. Ludendorffs an, die Juden seien an der deutschen Niederlage schuld. Unter Hitlers Einfluss steuerte die NSDAP einen scharf antisemitischen Kurs. Die Punkte 4, 5 und 6 des Parteiprogramms von 1920 (. . . kein Jude kann Volksgenosse sein . . ., er muss unter Fremdengesetzgebung stehen, er darf kein öffentlichen Amt bekleiden) und die Äußerungen Hitlers (. . . Kampf, bis der letzte Jude aus Deutschland entfernt ist . . .) bereiteten eine schrankenlose antisemitische Rassenpolitik vor. In A. Rosenbergs „Der Mythus des 20. Jh.“ u. J. Streichers „Der Stürmer“ sowie in der von H. Himmler aufgebauten SS fand Hitler extreme und fanatische Anschauungen zur Praktizierung des Antisemitismus nach der Machtergreifung. Die Judenverfolgung durch Boykott und Sondergesetze (u. a. Nürnberger Gesetze) erreichte schließlich ihren Höhepunkt mit dem Holocaust, der systematischen Massenvernichtung aller Juden Europas, deren die Nationalsozialisten habhaft werden konnten.
Auch nach 1945 konnte der Antisemitismus nicht überwunden werden. In der Sowjetunion u. a. osteuropäischen Staaten wurde er für Säuberungsaktionen bzw. zur Diffamierung oppositioneller Strömungen genutzt. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa bedienten nationalistische Gruppen (z. B. in Russland die Pamjat-Bewegung) antisemitische Ressentiments. In Deutschland fand und findet sich der Antisemitismus in Form von Vorurteilen, Schändungen jüdischer Gräber sowie Anschlägen auf jüdische Einrichtungen durch Rechtsextremisten, in den angelsächsischen Ländern durch religiöse und gesellschaftliche Diskriminierung. Eine Hauptquelle für den Antisemitismus nach dem 2.Weltkrieg entstand, bedingt durch den Nahostkonflikt, in der arabischen Welt. Die Infragestellung des Existenzrechtes des Staates Israel durch den sog. Antizionismus wurde zum Teil mit traditionell antisemitischen Stereotypen untermauert. Das Anwachsen des islamische Fundamentalismus und Terrorismus verstärkte in jüngster Zeit diese Tendenzen.
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