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Gut getarnt: Wie erkennt man Rechtsextreme im Web 2.0?

Die Hand zum Hitlergruß erhoben, eine "Schwarze Sonne" als Tattoo oder eine Hakenkreuz-Flagge im Profilbild: So plakativ treten Neonazis und Rechtsextreme in den sozialen Netzwerken längst nicht immer auf – im Gegenteil. Inzwischen schaffen sie es immer häufiger, ihre Themen gezielt auch außerhalb ihrer Kreise zu platzieren – und so subtil auf Menschenfang zu gehen.

Natürlich gibt es bei Facebook, Twitter und Co noch immer die Neonazis, die sich ganz offen zu erkennen geben. Sie bieten rassistische Grafiken an, die als Profil- oder Titelbilder für die persönlichen Facebook-Seiten benutzt werden können, sie verbreiten jugendaffine Videoclips mit demokratiefeindlichen Inhalten, sie kündigen Neonazi-Events und Online-Chats großflächig an und twittern live von Neonazi-Demos. Dass sich das Internet hervorragend als Propagandainstrument nutzen lässt, scheint Rechtsextremen schon lange klar zu sein.

Subtile Unterwanderung

Aber im Web 2.0 gibt es auch weitaus subtilere Auftritte. Ohne ihr problematisches Gedankengut gleich voran zu stellen, besetzen Rechtsextreme dann scheinbar unpolitische Themen in Foren, in Diskussionen, auf eigenen Facebook-Seiten und auf denen anderer. Wie in der nicht-virtuellen Welt auch, instrumentalisieren sie dabei geschickt lokale Konflikte und spielen mit den Ängsten besorgter Mitmenschen.

Häufig gelingt es ihnen so, Menschen für sich zu gewinnen, die zunächst gar nicht merken, dass sie es mit Neonazis zu tun haben. Wer allerdings genau hinschaut, erkennt die Strategien und typische Phänomene der verdeckten Propaganda schnell.

"Nein zum Heim" – wenn Neonazis "Bürgerinitiativen" gründen

Eine dieser Strategien ist die Gründung von Bürgerinitiativen. Schon in der "realen" Welt nutzen Neonazis Bürgerinitiativen – zum Beispiel gegen den Bau von Moscheen oder gegen neue Flüchtlingsunterkünfte – als Propagandainstrument. Das funktioniert auch online sehr gut. Dort, wo sich Sorgen und Ängste von Bürgerinnen und Bürgern kanalisieren lassen, können Neonazis ihre Gesinnung schnell und einfach unters Volk bringen.

Ein Beispiel ist die Facebook-Gruppe "Schneeberg wehrt sich", auf der über die Heim-Unterbringung von Flüchtlingen im sächsischen Schneeberg diskutiert wird. Wer die Gruppenbeschreibung liest, braucht sich über den Ton nicht zu wundern. Da heißt es: "Diese Gruppe formuliert den Protest gegen die Ansiedlung krimineller Asylbetrüger in Schneeberg!". Man könne nicht zusehen, wie "unsere schöne Bergstadt über Nacht in eine Hochburg straffällig gewordener Asylbewerber verwandelt" wird und "zunehmend mehr von denen in der ehemaligen Jägerkaserne einquartiert werden".

Die Strategie ist unübersehbar, die Botschaft klar: Wer von "kriminellen Asylbetrügern" statt von Flüchtlingen redet, schert sich eher wenig um die sozialen und humanitären Herausforderungen, die eine Flüchtlingsunterkunft mit sich bringen kann. Ob die mehr als 3.700 Gruppenmitglieder von dieser offen rechten Ausrichtung der Gruppe wissen, darüber lässt sich nur spekulieren. In den Posts selbst aber tritt die Ideologie der Neonazis deutlich zutage. Immer wieder ist von "Asylschmarotzern" oder "kriminellen Asylbetrügern" zu lesen, von "denen" und "wir".

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