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Wo macht sich Rassismus im Berufsalltag bemerkbar?

Beste Qualifikation, falsche Hautfarbe. Von der immer stärker eingeforderten Diversität ist in deutschen Unternehmen bislang wenig zu spüren. Stattdessen benachteiligt Rassismus Menschen mit Migrationshintergrund häufig auf der Jobsuche und im Berufsalltag. Welchen Problemen speziell Menschen afrikanischer Herkunft bei der Arbeitssuche in Deutschland ausgesetzt sind, untersuchte Raphael Ekamba in seiner Doktorarbeit.
JFR / Hochschule Coburg, 23.02.2022

Gleiche Qualifikationen, aber wegen der Hautfarbe schlechtere Chancen bei der Jobsuche? Diese Erfahrung machen auch viele Menschen, die in Deutschland aufgewachsen sind.

GettyImages, EmirMemedovski

Menschen mit Migrationsgeschichte sind doppelt so häufig von Arbeitslosigkeit betroffen, wie Menschen ohne Migrationshintergrund. Außerdem sind sie vor allem in den höheren Positionen von deutschen Unternehmen deutlich unterrepräsentiert. Öfters hört man die Behauptung, dass läge an einer schlechteren Ausbildung der Menschen. Doch Studien haben längst bewiesen, dass es eine strukturelle Benachteiligung von schwarzen Deutschen auf dem Arbeitsmarkt gibt.

Wo wird Rassismus im Berufsleben spürbar?

Die Gründe dafür sind zum Beispiel strukturelle Hürden wie die mangelnde Anerkennung von ausländischen Bildungsabschlüssen. Aber auch Vorurteile, Entwertung und Unterschätzung führen häufig dazu, dass schwarze Deutsche auf dem Arbeitsmarkt schlechtere Chancen haben. Bislang fehlen jedoch in Deutschland differenzierte Daten darüber, in welchen Berufsgruppen welche Probleme auftreten.

„Deutschland ist längst eine Migrationsgesellschaft und man kann soziale Probleme nur verstehen, wenn man das Thema Rassismus detailliert in den Blick nimmt“, sagt Raphael Ekamba. In seiner Forschungsarbeit untersuchte er daher gezielt, welche Probleme Menschen afrikanischer Herkunft, ob mit oder ohne deutschen Pass, auf dem Arbeitsmarkt haben. Sie trägt den Titel: "Wenn du ein Schwarzer bist, bleibst du ein Schwarzer".

Auf die Branche kommt es an

Für seine empirische Studie führte Ekamba Interviews mit zwanzig schwarzen Deutschen aus dem gesamten Bundesgebiet durch und wertete diese aus. Die Teilnehmenden hatten fast alle einen akademischen Abschluss, viele waren in Deutschland geboren oder kamen als Kinder hierher und sprachen die Sprache perfekt.

Welche Chancen solche gut ausgebildeten und gut integrierten Menschen auf dem Arbeitsmarkt haben, hängt stark vom Wirtschaftssektor ab, erklärt Ekamba: „In Bereichen wie der IT-Branche, im Maschinenbau oder in der Pflege spielt die Hautfarbe bei der Einstellung eine untergeordnete Rolle, denn hier werden gerade qualifizierte Leute gesucht.“

Das Problem seien eher Situationen, in denen viele Bewerber um einen Arbeitsplatz konkurrieren müssen. "In Branchen, in denen ein Wettbewerb unter Bewerberinnen und Bewerbern stattfindet, werden weiße Deutsche immer noch bevorzugt eingestellt, selbst wenn sie schlechter qualifiziert sind. Hier gibt es eine Hierarchisierung", sagt Ekamba.

Ob im Bewerbungsverfahren, bei der Anerkennung von Leistungen oder bei der Gehaltsverhandlung: Trotz dieser branchenspezifischen Unterschiede gaben alle Befragten an, Erfahrungen mit Rassismus gemacht zu haben. Eine der Folgen ist ein Karrierelimit, auch als "Gläserne Decke" bekannt. Dabei erschweren Vorurteile und unterschwelliger Rassismus schwarzen Deutschen den Aufstieg auf der Karriereleiter. Nichtsdestotrotz empfanden die befragten Frauen und Männer den Kontakt mit Kollegen oder Vorgesetzten häufig als sehr positiv und unterstützend.

In Bereichen wie der IT-Branche, im Maschinenbau oder in der Pflege spielt die Hautfarbe bei der Einstellung eine untergeordnete Rolle.

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Alltagsrassismus ist real

"Niemand würde irgendeinen fremden Menschen auf der Straße ansprechen und fragen: 'Woher kommst du?' Das passiert meinen Kindern und mir jedoch regelmäßig.", erzählt Ekamba. Nur aufgrund der Hautfarbe mit Vorurteilen konfrontiert zu werden, macht den Alltagsrassismus aus. Die Klischees, die dem zu Grunde liegen, werden meist über Generationen verfestigt und können sich in staatlichen Einrichtungen, Behörden und Unternehmen auch als institutioneller Rassismus verfestigen.

Für einen Lösungsansatz kehrt Ekamba den viel strapazierten Begriff von Integration um: „Integration funktioniert nur gegenseitig. Es geht um die Vorurteile der Mehrheitsgesellschaft. Es geht um Offenheit und Respekt. Wenn sich jeder als Mensch in der Gesellschaft angenommen und respektiert fühlt, entsteht ein Wir-Gefühl.“

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