Lexikon
Holocaust
[engl. ˈhɔlokɔ:st; eigentl. „Brandopfer“, von griechisch holókaustos]
Bezeichnung für die systematische Vernichtung der europäischen Juden durch die Nationalsozialisten. In Israel wird der Begriff Holocaust in der Regel abgelehnt, weil er zu sehr die Opferrolle der Juden betont. Stattdessen wird der Begriff „Shoa“ (hebr. „Vernichtung“, „Katastrophe“) verwendet. Die Nationalsozialisten selbst sprachen in ihrer Tarnsprache von der „Endlösung der Judenfrage“.
Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 wurde die jüdische Bevölkerung in Deutschland mit einer Fülle von Sondergesetzen von den normalen Lebenszusammenhängen ausgeschlossen und ihrer Existenzgrundlage beraubt. Die Maßnahmen begannen mit einem Boykott gegen alle jüdischen Ärzte, Anwälte und Geschäftsinhaber (1. 4. 1933) und führten über die Ausschaltung der jüdischen Beamten (7. 4. 1933), die Verfemung der jüdischen Künstler, Publizisten und Wissenschaftler zu den Nürnberger Gesetzen (15. 9. 1935, dazu die Ausführungsverordnungen über Reichsbürgerschaft u. den „Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre"). Es entstanden so genannte „wilde Konzentrationslager“, in denen viele willkürlich verhaftete Juden misshandelt wurden. Jüdisches Besitztum wurde zwangsweise „arisiert“. Enorm verschärft wurden die Verfolgungsmaßnahmen nach den Pogromen der so genannten „Reichskristallnacht“ vom 9. 11. 1938. Dabei wurden etwa 20 000 Juden inhaftiert und über 100 ermordet.
Mit dem Beginn des 2. Weltkriegs begann die Judenverfolgung auch in den von Deutschland besetzten Gebieten in West- und Osteuropa. In dem von den Deutschen besetzten Teil Polens wurde der gelbe Stern zur Kennzeichnung des jüdischen Bevölkerungsteils eingeführt. Gleichzeitig begannen die ersten Massendeportationen. Ab September 1941 mussten auch die deutschen Juden den gelben Stern tragen. Im Oktober 1941 wurde die Auswanderung aus Deutschland verboten und im November 1941 begannen die ersten Deportationen „reichsdeutscher Juden“. Unmittelbar nach dem Überfall auf die UdSSR am 22. Juni 1941 radikalisierte sich die nationalsozialistische Politik der Judenvernichtung entscheidend. Die im Rücken der Front operierenden Einsatzgruppen ermordeten in wenigen Monaten etwa 900 000 Menschen. Im Oktober 1941 wurden erstmals Gaswagen eingesetzt, bei denen das Kohlenmonoxid der Lkw-Motoren in den abgeschlossenen Kastenaufbau geleitet wurde. In derselben Zeit wurden in Auschwitz erste Versuche gemacht, Menschen in Gaskammern mit Zyklon B zu ermorden. Die Vernichtungsaktionen wurden im Zusammenspiel von Wehrmacht, Polizei und Zivilverwaltung in den besetzten Ostgebieten durchgeführt. Es bestand ein breiter Konsens hinsichtlich des Vernichtungszieles. Die große Mehrheit der Amtsträger in den verschiedenen Gebietskörperschaften war stark motiviert. Vor allem bei den Mordaktionen der Einsatzgruppen war die Mithilfe von Wehrmachtseinheiten von Bedeutung, während die Vernichtungslager der SS unterstanden.
Am 20. Januar 1942 fand die Wannsee-Konferenz statt. Unter dem Vorsitz von R. Heydrich, der von H. Göring mit einem „Gesamtentwurf über die organisatorischen, sachlichen und materiellen Vorausmaßnahmen zur Durchführung der angestrebten Endlösung der Judenfrage“ beauftragt worden war, koordinierten die beteiligten Ministerien und SS-Abteilungen die vorgesehenen Maßnahmen. Nach der Konferenz wurden die Deportationen auf sämtliche von den Deutschen und ihren Verbündeten besetzten Länder Europas ausgedehnt.
Ab Frühjahr 1942 wurden im deutschen Machtbereich alle Juden ohne Rücksicht auf Nationalität, Alter, Geschlecht, Qualifikation oder kriegswichtige Tätigkeit unterschiedslos ermordet. Zugleich wurden die Deportationen und Mordaktionen mit einem umfassenden Zwangsarbeitsprogramm verzahnt, dessen Ziel die „Vernichtung durch Arbeit“ war. Insgesamt wurden in den Vernichtungslagern mehr als 3 Millionen Juden ermordet, außerdem auch Sinti und Roma sowie sowjetische Kriegsgefangene. Ziel dieser Vernichtungspolitik war eine Neuordnung Europas nach „rassischen“ Kriterien, mit dem Deutschen Reich als führender Ordnungsmacht.
Der Krieg erschwerte die Verbreitung von Nachrichten über das Vernichtungsgeschehen erheblich, dennoch wurden in den Jahren 1942/43 immer mehr Fakten bekannt, und es organisierte sich zunehmend jüdischer Widerstand gegen das Vernichtungsregime. Er bestand zum einen in Rettungsaktionen, vor allem dem Versuch, möglichst viele Menschen nach Palästina zu bringen. Viele Juden schlossen sich Partisanengruppen an. Auch in den Vernichtungslagern kam es vereinzelt zu bewaffneten Aktionen. Beim Aufstand im Warschauer Ghetto 1943 gelang es schlecht bewaffneten jüdischen Widerstandskämpfern sich mehrere Wochen gegen eine Übermacht deutscher Soldaten zu behaupten.
Im Verlauf des Krieges verloren die Deutschen nach und nach die eroberten Gebiete im Osten und die Vernichtungsstätten gerieten immer mehr in die Nähe der Front. Die SS begann die Lager zu räumen und trieb die Häftlinge in unter grausamen Bedingungen stattfindenden Todesmärschen in Gebiete, die noch unter deutscher Kontrolle standen. Etwa 250 000 Menschen kamen dabei ums Leben. Am 27. Januar 1945 erreichten sowjetischen Truppen Auschwitz und befreiten die letzten dort noch lebenden Häftlinge. Die Gesamtzahl der Opfer des Holocaust lässt sich nicht genau bestimmen, weil viele Deportierte sofort nach ihrer Ankunft vergast wurden, ohne zuvor einzeln registriert worden zu sein. Es ist aber davon auszugehen, dass etwa 6 Millionen Juden ermordet wurden.
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