Lexikon
Türkenkriege
die Kriege europäischer Mächte, vor allem des Kaisers, Österreichs, Russlands, Polens sowie der südosteuropäischen Staaten und Venedigs, gegen das Osmanische Reich. Die Türkenkriege wurden von den Türken zunächst als Glaubenskriege zur Ausbreitung des Islams geführt, später mit eindeutig machtpolitischer Zielsetzung. Seit 1536 fanden die Türken einen starken Bundesgenossen in Frankreich, das dem habsburgischen Übergewicht in Europa durch dauernde militärische Beanspruchung Österreichs im Osten entgegenwirkte. Nachdem im 16., 17. und 18. Jahrhundert das Reich, Österreich, Ungarn und Polen die Hauptlast der Verteidigung Ost- und Südosteuropas gegen die angreifenden Türken getragen hatten, waren in der 2. Hälfte des 18. und im 19. Jahrhundert vorwiegend die Russen Kriegsgegner der Türkei, wobei es Russland vor allem um die Erzwingung der freien Durchfahrt durch die Meerengen ging.
Mit der Eroberung Konstantinopels (1453) und dem Zusammenbruch des Byzantinischen Reichs schlossen die Türken die Eroberung des Balkans ab. Alle Versuche der Päpste, ein gemeinsames Vorgehen gegen die Türken zustande zu bringen, scheiterten. Doch blieben die Päpste die Initiatoren der Türkenkriege. Nach der Niederlage des ungarischen Königs Ludwig II. bei Mohács (1526) drangen die Türken 1529 bis Wien vor, das erfolgreich verteidigt wurde.
Auch nach dem Seesieg der christlichen Staaten bei Lepanto (1571) waren die Türken in ihrer Machtposition nicht erschüttert. Auch Venedig konnte (1645–1671) trotz großer Erfolge keine Wendung herbeiführen. Im Frieden von Salona musste es 1671 Kreta, nachdem Zypern schon 1571 verloren gegangen war, an das Osmanische Reich abtreten. Einen ähnlichen Misserfolg erlitt Österreich im
Türkenkrieg von 1662–1664
. Obwohl R. Graf von Montecuccoli die Türken bei St. Gotthard an der Raab schlagen konnte, brachte der Friede von Eisenburg für die Österreicher den Verlust der Städte Großwardein und Neuhäusel. Polen errang zwar unter Johann III. Sobieski 1672–1687 militärische Erfolge, musste aber schließlich Podolien an das Osmansiche Reich abtreten.Erste Erfolge der christlichen Staaten gegen das Osmanische Reich brachte der
Große Türkenkrieg 1683–1699
. 1683 standen die Türken vor Wien, das von Graf Starhemberg verteidigt wurde. Unter dem polnischen König Johann III. Sobieski entsetzte ein aus kaiserlichen, bayerischen, sächsischen und polnischen Truppen bestehendes Heer nach dem Sieg am Kahlenberg (12. 9. 1683) Wien. Karl V. von Lothringen eroberte Ofen (1686) und siegte bei Mohács (1687); Belgrad wurde genommen (1688). Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden (der „Türkenlouis“) fiel in Bosnien und Serbien ein. Die Türken konnten jedoch Belgrad zurückerobern. Kriegsentscheidend wurde die Schlacht bei Zenta, in der Prinz Eugen von Savoyen das Heer Mustafas II. schlagen konnte (11. 9. 1697). Die Venezianer hatten 1685–1687 den Peloponnes erobert und die Akropolis von Athen zerstört. Den Polen war Zar Peter I. (der Große) zu Hilfe geeilt (1696); es gelang ihm, Asow zu gewinnen. Russland musste Asow jedoch 1711 wieder herausgeben, nachdem die Türken 1710 zur Unterstützung Karls XII. von Schweden in den Nordischen Krieg eingegriffen hatte.Ein türkischer Versuch, die großen Verluste rückgängig zu machen, war der Angriff auf den Peloponnes (1714). 1716 nahm der Kaiser auf der Seite Venedigs am Krieg teil. Nach dem Sieg bei Peterwardein (1716) durch Prinz Eugen und der erneuten Eroberung Belgrads (1717) endete der Krieg im Frieden von Passarowitz mit neuen Gebietsabtretungen. Der Banat von Temeschvar, die Kleine Walachei sowie der Norden Serbiens und Bosniens fielen an Österreich. Venedig trat den Peloponnes ab, erhielt aber dalmatinische und albanische Gebiete.
An der Seite des Kaisers kämpften die Russen 1735–1739 und gewannen Asow zurück; für Österreich aber endete der Krieg im Frieden von Belgrad mit dem Verlust der 1718 eroberten Gebiete, mit Ausnahme des Banats. Die Vernichtung der türkischen Flotte gelang den russischen Truppen bei Tscheschme im russisch-türkischen Krieg 1768–1774, der Russland die Zusage der freien Handelsschiffahrt auf dem Schwarzen Meer einbrachte (Friede von Kütschük Kainardschi 1774).
Gemeinsam mit Russland stand der Kaiser 1787–1792 im Kampf gegen die Türken. Günstiger als für ihn war der Kriegsverlauf für die Russen (russisch-türkischer Krieg 1787–1792), die das Land zwischen Bug und Dnjestr gewannen und im Besitz der Krim bestätigt wurden (Friede von Jassy 1792). Bessarabien fiel Russland im Frieden von Bukarest (1812) nach dem Krieg von 1806–1812 zu. Nach dem Krieg von 1828/29 gewannen die Russen im Frieden von Adrianopel die Ostküste des Schwarzen Meers und die Inseln an der Mündung der Donau. Freie Durchfahrt durch die Meerengen wurde ihnen zugesichert sowie die Schutzherrschaft über die Donaufürstentümer übertragen. Griechenland wurde unabhängig.
Um eine Vorherrschaft der Russen an den Meerengen zu vermeiden, musste England die Türken unterstützen: Im Krimkrieg (1854–1856) stellte sich eine englisch-französische Koalition zum Kampf gegen Russland an die Seite der Türkei.
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