Im Advent und zu Weihnachten darf das Christkind in keiner Krippe fehlen. Doch wer war Jesus wirklich? Je nachdem, welche Anhänger einer Religion man fragt, lautet die Antwort auf diese Frage: Krishna, Messias oder ein Yoga-Lehrer. wissen.de-Autorin Dorothea Schmidt hat einen Annäherungsversuch unternommen.
Laut Bibel kommt Jesus als Kleinkind nur knapp mit dem Leben davon. Denn Herodes der Große, Herrscher über Judäa von Roms Gnaden, hatte der Überlieferung nach Angst, dass ihm der neugeborene „König der Juden“ den Platz streitig machen könnte. Er beschloss, alle erstgeborenen Knaben unter zwei Jahren töten zu lassen. Sicher ist schließlich sicher. Doch Jesus überlebte. Heute wird er verehrt, über den Kindermörder Herodes rümpft man mit Abscheu die Nase.
Jesus stiftete Verwirrung
Natürlich ist auch Jesus jemand, an dem sich die Geister scheiden, über den Menschen streiten, an dem sich viele reiben, über den man sich den Kopf zerbricht. Da war jemand, der sich als König ausgab, ohne wie ein König auszusehen, ohne Krone, Waffen und Gefolge und der behauptete, einen Vater im Himmel zu haben. Und dessen Blut und Leib man in sich aufnehmen soll.
Jesus‘ rhetorisches Talent war ausgeprägt. Angeblich belehrte er schon mit zwölf Jahren Pharisäer und Hohepriester über die Heilige Schrift. Wenn er zu den Menschen sprach, tat er das oft in Gleichnissen statt geradeaus zu reden. Kein Wunder, dass ihn viele nicht verstanden. Und dann behauptete er auch noch, er sei der Weg, die Wahrheit und das Leben! Das ist ein Hindernissparcour für den Verstand! Dass er sich damit nicht nur Freunde machte, sondern auch Verwirrung stiftete, ist nachvollziehbar.
Auf der anderen Seite inspirierte die Figur Jesus zahlreiche Menschen. Er wird über die Religionsgrenzen hinweg bewundert, für seine soziale Ader, für die liebevolle Art mit Armen und Kranken umzugehen, zuzuhören und auf Menschen einzugehen. An Weihnachten feiern die Christen Jahr für Jahr Seinen Geburtstag! Jedenfalls war es ursprünglich so gedacht.
Geblieben ist heute oft nur ein Relikt: Man spricht dann zumindest im Süden Deutschlands vom Christkind, das die Geschenke bringt. Ansonsten ist Weihnachten für weite Teile der Bevölkerung lediglich ein Familienfest ohne religiöse Basis, an dem gestritten, gesungen und gut gegessen wird, dem Großputz und Einkäufe vorausgehen und das mit Lichtern, Liedern, Glühwein und viel Gezuckertem ein absolutes Muss am Ende des Jahres ist. Apropos Geschenke: Bei vielen artet die Geschenkesucherei vor Weihnachten in echten Stress aus. Warum eigentlich? Denn schenken macht doch glücklich. Das sagt nicht nur die Kirche, das hat auch das Institut für Demoskopie Allensbach herausgefunden. Die weihnachtliche Bedeutung des Schenkens liegt in der Freude über das Jesuskind begründet. In der christlichen Kirche ist es ja der Retter der Welt, der damals geboren wurde und der heute immer wieder ans Herz der Menschen anklopft.
Jesus - der menschgewordenen Sohn Gottes
Für die Christen ist Jesus der menschgewordene Sohn Gottes, einer von drei Personen, die irgendwie doch eins sind wie ein dreimal gefaltetes Blatt Papier. Die Juden halten das Konzept vom Sohn Gottes für Humbug, weil ein Mensch nicht göttlich sein könne. Im babylonischen Talmud ist von Jesus als falschem Propheten die Rede, vom Verführer Israels und Zauberer, also niemand Ernstzunehmendes. Nur die so genannten Messianischen Juden erkennen Jesus als Heilsbringer an.
Die Muslime sehen in Jesus einen Propheten. Die Rede vom Sohn Gottes und der Glaube an die Dreieinigkeit sind für sie aber blasphemisch. Während dieser Glaube für die Christen nicht gegen die Lehre des reinen Monotheismus verstößt, tut er es nach islamischem Verständnis sehr wohl. Drei in einem – das riecht zu sehr nach Vielgötterei. Einig sind sich Christen und Muslime darin, dass Jesus - wer auch immer er nun war – ein besonderer Mensch gewesen ist.
Für die Buddhisten ist Jesus kein Gott, sondern eine Buddha-Natur, die zum wahren Ich vorgedrungen ist. Der thailändische Mönch Buddhadasa erklärte, Jesus sei gestorben, um den Menschen zu zeigen, wie wichtig es sei, sich selbst zu überwinden. Er habe die Menschheit von ihrem Ich befreien wollen. Manche buddhistische Schulen stellen Jesus gleichrangig neben Buddha.
Jesus - der Meister-Yogi
Bei den Hindus gab es immer wieder Versuche, Jesus zu erklären. Dem Hindu Ramakrishna Paramahamsa, einem bedeutenden Mystiker, soll Jesus beispielsweise erschienen sein. Seiner Überzeugung nach ist Christus der Meister-Yogi, der aus Liebe zu den Menschen sein Blut für die Erlösung der Welt vergossen und viel gelitten hat. Er sei ewig eins mit dem Vater, also göttlich. Diese Erklärung impliziert eine Vielfalt an Wegen zu Gott. Die Gottheit Jesu lässt sich nach dieser hinduistischen Vorstellung am besten meditativ begreifen, das Göttliche wohne der jeweiligen Seele inne und könne den Menschen auf eine höhere Bewusstseinsebene heben.
In der Menschwerdung sehen die Hindus kein Problem, diese lässt sich gut mit dem Inkarnationsgedanken vereinen. Gott wird als Mensch wiedergeboren, und zwar im Herzen jedes Menschen. Das Herz wird zur Krippe und Wohnung Jesu, der dort wachsen und dem Menschen sein eigenstes Wesen offenbaren will. Ein weihnachtlicher Gedanke eigentlich, nur dass Jesus für die Hindus kein Erlöser, sondern ein Guru ist. Christen und Hindus gemein scheint das Motiv der Geburt zu sein. Christen verbinden damit nicht nur das Versprechen von Erlösung. Für sie ist Weihnachten auch die Erinnerung daran, dass jeder einzelne von ihnen von Gott gewollt ist und geliebt wird.
Übrigens haben sowohl das Institut für Demoskopie Allensbach, als auch Forscher der University of British Columbia und der Harvard Business School herausgefunden, dass an Weihnachten diejenigen besonders glücklich sind, die Geld für andere und nicht für sich selbst ausgeben. Da ist es egal, ob Jesus der Gesandte oder ein Yogalehrer ist.
von wissen.de-Autorin Dorothea Schmidt, Dezember 2012