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Tsunami

 

Von allen Küstenregionen in den → Erdbebengebieten gibt es Berichte über riesige Flutwellen mit katastrophaler Zerstörungskraft. Bereits beim schweren → Erdbeben von → Lissabon im Jahr 1755 wurde von einer gigantischen Flutwelle berichtet, die über die niedrig gelegenen Stadtteile hereinbrach. “Tsunamis“ nennt man diese Riesenwellen. Sie entstehen durch vertikale Bewegungen des Meeresbodens bei Erdbeben, aber auch bei Hangrutschungen unter dem Meer und bei → vulkanischen Eruptionen. Das Wort stammt aus dem Japanischen und bedeutet frei übersetzt “große Welle im Hafen“. Dass dieser Name sehr treffend ist, zeigt sich darin, dass die Riesenwellen von Schiffen auf dem offenen Meer nicht bemerkt werden. Erst im flacher werdenden Wasser der Küsten und Häfen entwickeln sie ihre ganze Zerstörungskraft. Der japanische Name verweist ebenfalls auf den Umstand, dass Tsunamis vor allem im pazifischen Raum vorkommen und gefürchtet sind.

So brachen in der Nacht vom 17. auf den 18. Juli 1998 nach einem Seebeben bis zu 10 m hohe Tsunami-Wellen über Papua-Neuguinea herein und forderten mehrere 1000 Menschenleben. Die bisher folgenschwersten Tsunamis brachen am 26. Dezember 2004 über den nordöstlichen Indischen Ozean herein und forderten in Indonesien, Sri Lanka, Thailand und Indien rund 250 000 Menschenleben. Sie wurden ausgelöst durch ein Seebeben der Stärke 9,0 auf der Richterskala vor der Küste Sumatras. Ihre Wellen führten zu katastrophalen Verwüstungen im Norden Sumatras mit über 100 000 Toten und richteten sogar an der Ostküste Afrikas (vor allem Somalia, Seychellen) große Schäden an. Im Gegensatz zum Pazifischen Ozean bestand im Indischen Ozean bis dahin noch kein Frühwarnsystem. Seit November 2008 besteht das Deutsch-Indonesische Tsunami-Frühwarnsystem, das u. a. vom → Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) entwickelt wurde.

Von Flutwellen, die von → Stürmen verursacht werden, unterscheiden sich Tsunamis durch ihre ungeheuer hohe Geschwindigkeit. Diese kann nach einer einfachen Formel errechnet werden. Die Geschwindigkeit c (in m/sec) wird in dieser Formel als die Wurzel aus dem Produkt der Erdbeschleunigung g und der Wassertiefe d ausgedrückt. (c = Wurzel aus g x d).

Da die Wassertiefe im Pazifik oft bei 5000 m liegt, errechnen sich Geschwindigkeiten für Tsunamis von rund 224 m/s, also 805 km/h. Auch, anders als bei Wellen durch → Wind, liegt ihre Wellenlänge, d. h. der Abstand von Kamm zu Kamm, bei Größenordnungen von Hunderten von Kilometern. Die Periodendauer, also die Zeit zwischen zwei Wellenbergen, liegt bei Minuten bis Stunden. Auf hoher See sind Tsunamis kaum wahrnehmbar und rasen über Tausende von Kilometern durch den Ozean. Nähern sich die Riesenwellen der Küste, verringert sich ihre Geschwindigkeit drastisch. Man kann dies ganz einfach nachvollziehen, indem man für die Variable d der Gleichung einen kleineren Wert einsetzt. Die Wellenberge rücken näher zusammen, wie Fahrzeuge im Verkehrsstau und können sich zu einer Höhe von 30 m auftürmen. Vor allem dann, wenn sie in einen Hafen oder eine Bucht laufen und Resonanzschwingungen durch übereinstimmendes Schwingungsverhalten des Wasserkörpers des Hafens oder der Bucht mit der anrollenden Welle auftreten. Häufig zieht sich das Meer vor dem Anrollen eines Tsunamis zurück, ehe sich der Hauptkamm wie eine fast senkrechte Wand nähert. Ein weltbekannter Farbholzschnitt von Katsushika Hokusai (1760-1849) mit dem Titel “Die brechende Welle von Kanagawa“ illustriert die Bedrohung Japans durch Tsunamis. Der französische Komponist und Impressionist Claude Debussy (1862-1918) ist angeblich von diesem Holzschnitt zu seiner Tondichtung “La Mer“ inspiriert worden.

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