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Pilz-Pandemie: Wie realistisch ist "The Last of Us"?

In der Serie "The Last of Us" verwandelt eine hochansteckende Pilzinfektion Menschen in eine Art Zombies – sie werden hochaggressiv, verlieren nach und nach ihre Sinne und sterben schließlich. Doch wie realistisch ist dieses Szenario? Gibt es Pilze, die Menschen zu ferngesteuerten Zombies machen? Und könnte es in der Zukunft eine Pilz-Pandemie geben?
NPO, 29.03.2023
Puppen-Kernkeule (Cordyceps militaris)
Die Puppen-Kernkeule, lat. Cordyceps militaris, ist ein Pilz, der auf Schmetterlingspuppen parasitiert. In "The Last of Us" mutiert eine unbestimmte Cordyceps-Variante zum Menschenkiller.

© Kornwipa Ponganan, GettyImages

In der postapokalyptischen Serie "The Last of Us" infiziert und tötet ein krankmachender Pilz fast die gesamte Menschheit. Der über mikroskopische kleine Sporen leicht von Mensch zu Mensch übertragbare Pilz ist in diesem fiktiven Szenario eine mutierte Variante eines Cordyceps-Pilzes. Hat sich ein Mensch infiziert, befällt der Pilz Gehirn und Sinnesorgane und löst Veränderungen der Wahrnehmung und des Verhaltens aus. Betroffene entwickeln ein Zombie-ähnliches, aggressives Verhalten und greifen Menschen an, später sterben sie.

Den Zombie-Pilz gibt es wirklich

Doch könnte es eine solche Pilz-Pandemie tatsächlich geben? Und gibt es Pilze, die unser Gehirn befallen und unser Verhalten manipulieren? Klar ist: Den Pilz, der in der Serie die Pandemie auslöst, gibt es wirklich – allerdings nicht bei uns Menschen.  Ophiocordyceps unilateralis befällt bestimmte Ameisenarten und verwandelt diese Insekten tatsächlich in Zombies: Die Pilzsporen bilden Ausläufer, die in das Gehirn der Tiere vordringen und ihr Verhalten verändern. Statt sich im Schutz der Streu zu bewegen, klettern die vom neuroparasitischen Pilz manipulierten Ameisen auf Gräser, Bäume und andere Pflanzen und beißen sich an deren Spitze fest.

Wie beim Zombie-Pilz in der Serie breitet sich der Pilz immer stärker in seinen Opfern aus, bis schließlich seine Fruchtkörper aus dem Körper der Ameise hervorbrechen. Das Tier stirbt, während der Pilz neue Sporen bildet, die er in der luftigen Höhe des erzwungenen Todesorts der Ameise nun optimal mit dem Wind weiterverbreiten kann. So weit das reale Vorbild.

Von Ophiocordyceps unilateralis befallene Ameise
Hervorbrechen des Pilzfruchtkörpers aus dem Körper einer Ameise.

© Erich G. Vallery, USDA Forest Service - SRS-4552, Bugwood.org / CC BY 3.0

Könnte Cordyceps auf uns Menschen überspringen?

In der Serie sorgt eine Mutation dafür, dass der Zombie-Pilz plötzlich auch Menschen befallen kann. Aber besteht eine solche Gefahr wirklich? Nein, erklärt der Infektionsforscher Scott Roberts von der Yale University. Denn Ophiocordyceps und die meisten anderen krankmachenden Pilze vertragen keine Wärme und können bei unserer Körpertemperatur nicht überleben. Deshalb befallen sie nur kaltblütige Lebewesen wie die Ameisen.

Theoretisch wäre es zwar möglich, dass sich ein Organismus durch Mutationen an höhere Temperaturen und neue Wirte anpasst. "Aber bei den meisten Pilzen ist dies sehr unwahrscheinlich", sagt Roberts. "Dazu gehört auch Cordyceps." Diese Pilzart ist selbst unter den Ameisen sehr wählerisch: Sie befällt nur bestimmte Arten aus der Gruppe der Rossameisen, alle anderen Ameisen haben vom Zombie-Pilz dagegen nichts zu befürchten.

Wenn ein Krankheitserreger ein so enges Wirtsspektrum hat, benötigt er sehr spezielle Bedingungen für sein Wachstum und müsste sich entsprechend stark verändern, um ein Lebewesen aus einem völlig anderen Zweig des Lebens zu befallen. "Ein solcher Sprung vom Insekt zum Menschen ist daher hochgradig unwahrscheinlich", sagt Roberts. "Es gibt Millionen verschiedener Pilz- und Schimmelpilzarten in der Natur, die uns absolut nichts anhaben können – und Ophiocordyceps ist einer von ihnen." Stattdessen werden Extrakte des parasitischen Cordyceps-Pilzes sogar als gesundheitsförderndes Nahrungsergänzungsmittel verkauft.

Gibt es Pilz-Infektionen beim Menschen?

Es gibt aber durchaus Pilze, die uns Menschen infizieren und uns krankmachen können. Dazu gehören beispielsweise einige Schimmelpilzarten, die nach dem Einatmen der Sporen die Lunge befallen und beispielsweise eine Lungenentzündung hervorrufen können – allerdings nur bei immungeschwächten Menschen oder bei starker, dauerhafter Exposition. In einigen Fällen verlaufen die Pilzinfektionen bei diesen Patienten so schwer, dass diese an einer Blutvergiftung und Organversagen sterben. Das gesunde Immunsystem kann aber solche Pilzattacken meist erfolgreich abwehren.

Um eine Pandemie auszulösen, muss ein Krankheitserreger außerdem gut von Mensch-zu-Mensch übertragbar sein – dies haben wir alle in der Corona-Pandemie zur Genüge miterlebt. "Viren haben diese Mensch-zu-Mensch-Übertragung perfektioniert: Wenn wir niesen, können unter den richtigen Umständen 20 Menschen und mehr anstecken", so Roberts. "Aber Pilzinfektionen bekommen wir meist aus unserer Umwelt – indem wir die vom Schimmel abgegeben Sporen einatmen oder sie in eine offene Wunde gelangen." Das Risiko, dann diese Pilzinfektion an andere Menschen weiterzugeben, ist aber verschwindend gering."

Beruhigend auch: Unter allen potenziell humanpathogenen Pilzen ist keiner, der sich auf das Verhalten der Infizierten auswirkt oder sie gar für seine Zwecke "fernsteuert".

Candida auris
Der hefeartige Pilz C. auris verursacht Candidiasis, eine Infektion des Blutkreislaufs, des zentralen Nervensystems und der inneren Organe.

© selvanegra, GettyImage

Candida auris – eine reale Pilz-Epidemie

In einem Punkt ist die Serie allerdings gar nicht so unrealistisch: In "The Last of Us"  ist es der Klimawandel, der den Pilz mutieren lässt und zum wärmeangepassten Menschenkiller macht. "Dieses Szenario ist leider gar nicht so weit hergeholt", sagt Roberts. Denn die Klimaerwärmung gilt als einer der Faktoren, die das Risiko für Pilzinfektionen auch in der wirklichen Welt erhöhen.

Ein Beispiel für eine solche vom Klimawandel begünstigte Pilzkrankheit ist Candida auris. Dieser pilzliche Erreger wurde erstmals 2009 in Japan entdeckt und hat seitdem weltweit für zahlreiche Ausbrüche in Krankenhäusern gesorgt – mit teils tödlichen Folgen. Gelangt der Pilz ins Blut, kann er Fieber, Organschäden und eine tödliche Infektion verursachen. Inzwischen sind Infektionen mit Candida auris aus mehr als 30 Ländern bekannt.

Ähnlich wie andere pathogene Pilze kann dieser Hefepilz Menschen mit einem gesunden Immunsystem kaum schaden, wohl aber vorerkrankten und immungeschwächten. "Außerdem ist dieser Pilz von Mensch-zu-Mensch übertragbar, was es zuvor bei Pilzen kaum gegeben hat", so Roberts. Dadurch ist es schon zu lokalen Ausbruchsherden beispielsweise in Krankenhäusern und Pflegeheimen gekommen.

Klimawandel erhöht die Gefahr

Aber wie hat dieser Pilz den Sprung auf uns Menschen geschafft? Genetische Untersuchungen von Candida auris und Vergleiche mit anderen Candida-Arten haben gezeigt, dass dieser Pilz tatsächlich mutiert ist und nun viel wärmetoleranter ist als die meisten restlichen Hefepilzarten. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die schleichende Erwärmung dazu beigetragen hat, diesem Pilz diese Anpassung zu erleichtern.

„Unsere Studie legt nahe, dass dies der Anfang einer zunehmenden Anpassung von Pilzen an höhere Temperaturen ist", sagt Arturo Casadevall von der Johns Hopkins University in Baltimore. „Wahrscheinlich werden wir mehr und mehr Probleme bekommen, je weiter das Jahrhundert voranschreitet.“ Insofern ist zwar ein Zombie-Pilz wie in "The Last of Us" vorerst keine realistische Gefahr. Aber das Risiko für neue Pilzinfektionen ist durchaus real.

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