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Hitzewellen – Ist der Klimawandel schuld?

Sengende Sonne, Temperaturen über 30 Grad und auch nachts kaum Abkühlung – die Hitze hat Deutschland seit Anfang Juli fest im Griff. Aber ist das einfach nur ein typisch heißer Sommer oder verdanken wir diese Hitzewelle dem Klimawandel? Diese Frage ist nicht so leicht zu beantworten – es gibt aber einige Hinweise darauf, dass wir zumindest an der Häufung solcher Hitzeperioden mitschuld sind.
NPO

Das Hoch "Annelie" hat Deutschland in den letzten knapp zwei Wochen reichlich Hitze beschert. Temperaturen von knapp 40 Grad, Sonne pur, nur unterbrochen von einigen Wärmegewittern, brachte den Sommer in seiner extremsten Form zu uns. Im unterfränkischen Kitzingen kletterte das Thermometer am 5. Juli 2015 sogar auf einen Wert von 40,3 Grad – das ist ein neuer Rekord für Deutschland.

Der neue Rekordhalter: Kitzingen in Unterfranken

Aber ist das jetzt einfach mal wieder ein normaler, heißer Sommer? Oder ist eine solche Hitzewelle schon eine Auswirkung des Klimawandels? Anhand eines einzelnen Wetterextrems wie dem zurzeit lässt sich dies noch nicht festmachen. Denn das Wetter entsteht aus einer komplexen Wechselwirkung vieler Faktoren – und ob davon einige Stellräder durch die globale Erwärmung verstellt wurden, ist meist kaum auszumachen.

Höchsttemperaturen am 1. Juli 2015 in Europa. In vielen Regionen lagen sie bei über 30 Grad.

DWD

Klar messbare Häufung

Klar scheint jedoch, dass sich Hitzewellen in vielen Gegenden der Erde und auch in Deutschland in den letzten Jahrzehnten zunehmend häufen. So ergab erst vor kurzem eine Studie an 217 Ballungsräumen weltweit, dass in mehr als der Hälfte dieser Städte die anormal heißen Tage signifikant zugenommen haben. Bei zwei Dritteln wurden auch die zu warmen Nächte häufiger.

Diese immer stärkere Häufung von Hitzewellen bestätigt der DWD auch für Deutschland: So gab es in Hamburg vor 1994 noch gar keine zweiwöchigen Hitzeperioden mit mindesten 30 Grad Tagestemperatur, danach aber bereits vier Mal. Frankfurt am Main erlebte seit 1990 zwölf solcher Hitzewellen, Mannheim sogar 15. Sollte die aktuelle Hitzewelle tatsächlich wie vorhergesagt bis Mitte Juli anhalten, wird sie sich in diese Reihe einordnen.

Häufigkeit von Hitzewellen mit einem Tagesmaximum von 30 Grad und mehr für fünf deutsche Großstädte.

DWD

Luftströmungen verändern sich

Einer der Gründe für diese Zunahme von Hitzeperioden: Weil sich die Pole schneller erwärmen als die niedrigeren Breiten, verändern sich die großräumigen Zirkulationen von Luftmassen auf dem Planeten. Der Jetstream, eine Art Windautobahn in großer Höhe über Europa und Nordamerika, hat sich bereits abgeschwächt. Schon jetzt gibt es dadurch in Europa während der Sommermonate weniger Sommerstürme als noch vor einigen Jahrzehnten, wie Forscher des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung festgestellt haben. Dieser Trend gilt auch für die USA und Russland.

"Eine Abnahme der Sturmaktivität könnte man zunächst für etwas Gutes halten", sagt Klimaforscher Dim Coumou. Immerhin können Stürme auch reichlich Schaden anrichten. Aber im Sommer sorgen sie auch für Bewegung im Klimageschehen: "Im Sommer transportieren Stürme feuchte und kühle Luft vom Ozean auf die Kontinente, was nach einer Zeit drückender Wärme wieder Linderung bringt. Flauten hingegen verlängern Wärmeperioden. Hitze-Extreme und Dürren sind die Folge", so Coumou.

Ist der Mensch schuld?

Aber wer ist schuld? Könnte die Häufung der Hitzewelle nicht auch eine natürliche Klimaschwankung sein?  Immerhin hat es im Laufe der Erdgeschichte schon häufiger extrem warme oder kalte Perioden gegeben – lange bevor es uns Menschen gab. Um herauszufinden, wie hoch unser Anteil an der aktuellen Entwicklung ist, haben Erich Fischer und Reto Knutti von der ETH Zürich das Ganze an einer Klimasimulation rekonstruiert. Sie verglichen dabei einfach das jetzige Wetter und Klima mit dem, das sich entwickelt hätte, wenn wir nicht jede Menge zusätzliche Treibhausgase in die Atmosphäre geblasen hätten.

Das Ergebnis: Etwa 18 Prozent der Starkregen und 75 Prozent der Hitzeextreme weltweit gehen auf das Konto der anthropogenen Erwärmung – und sind damit quasi hausgemacht. "Bei einer zurzeit gemessenen Erwärmung von 0,85°C ist die Wahrscheinlichkeit von Hitzeextremen über Land fünf Mal höher als in präindustriellen Zeiten", so die Forscher. Und das könnte noch schlimmer werden: Erreicht die Erwärmung die Zwei Grad-Marke, verfünffacht sich die Häufigkeit der Hitzewellen sogar.

Nicht jedes Wetterextrem kommt vom Klimawandel

Das aber bedeutet nicht, dass man nun jedem Wetterextrem zuordnen kann, ob es auf unser Konto geht oder nicht, wie die Forscher betonen. "Das ist wie bei medizinischen Studien, bei denen man auch einen Einzelfall von Lungenkrebs nicht direkt auf das Rauchen zurückführen kann", so Fischer und Knutti. Man kann aber feststellen, um wie viel die Todesraten bei Rauchern höher liegen. Entsprechend höher ist dann auch die Wahrscheinlichkeit, dass ein Einzelfall aufs Konto dieses Auslösers geht.

So ist es auch mit dem Extremwetter: Wir können nicht das Einzelereignis zuordnen, aber sehr wohl feststellen, wie viele der aktuellen und künftigen Wetterextreme es ohne unser Zutun nicht gäbe. Und momentan spricht einiges dafür, dass wir bereits reichlich an den Stellschrauben der irdischen Klimamaschine herumgedreht haben – und die Folgen auch in Form von immer mehr Hitzewellen zu spüren bekommen.

 

von NPO, 07.07.2015

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