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Die Abteikirche in Cluny: Steingewordener Ausdruck von Klostermacht

Wie wurde Cluny zu einem der einflussreichsten Klöster in Europa?

Im Jahr 910 stiftete Wilhelm, Herzog von Aquitanien und Graf von Auvergne, die Abtei dem Benediktinerorden und stellte sie unter die Hoheit der Päpste. Kein geistlicher oder weltlicher Herr hatte Einfluss auf ihre internen Belange. Die Stiftungsbestimmungen ließen das Kloster bald zu einer kirchlichen Feudalmacht werden, deren Reichtum durch zahlreiche Stiftungen beständig erweitert wurde. Hinzu kamen Einkünfte aus den in ganz Europa Cluny unterstellten Klöstern, wodurch ein streng hierarchisch gegliederter Klosterverband entstand. Zu den Stiftern gehörten sogar Könige wie Alfons VI. von León und Heinrich I. von England.

Cluny entwickelte sich zum Zentrum einer Reformbewegung des gesamten abendländischen Mönchtums. Architektonischer Ausdruck dessen war die nach 1070 begonnene dritte Klosterkirche (Cluny III). Dieser gewaltige Kirchenbau stand sinnbildhaft für die weltliche Macht der Cluniazenser, der einflussreichsten Mönchskongregation im 11. und 12. Jahrhundert in Europa.

Wie sahen die Vorgängerbauten aus?

Über die erste Kirche von Cluny ist nur bekannt, dass es sich um eine 915 geweihte steinerne Saalkirche handelte. Bereits kurz darauf begann man mit einem ehrgeizigeren Projekt. Die zweite Kirche des Klosters war spätestens seit 948 im Bau, 981 wurde sie geweiht. Man errichtete eine dreischiffige Basilika mit ausladendem Querhaus und langem dreiteiligem Chor mit gestaffelten Apsiden. Dem Langhaus war im Westen ein Atrium vorgelagert. Cluny II wurde zum Vorbild der cluniazensischen Reformbaukunst, die im Deutschen Reich vom Kloster Hirsau aus Verbreitung fand. Die Kirche wurde um 1118 für den Kreuzgang abgebrochen, Chor und Atrium blieben bis zum 18. Jahrhundert erhalten.

Welche Ausmaße hatte Cluny III?

Bis zum Neubau von Sankt Peter in Rom war die um 1088 unter Abt Hugo begonnene dritte Kirche von Cluny mit einer Länge von fast 188 Metern, einer Breite des Querschiffs von rund 74 Metern und einer Höhe des Kirchenschiffs von fast 33 Metern die größte Kirche der Christenheit. Vor dem eigentlichen Kirchenbau befand sich ein gewaltiger Narthex (Vorhalle) mit zwei massiven Türmen, das gesamte Bauwerk hatte eine Länge von fast 220 Metern. Der Ostteil der Kirche wurde durch vier große Türme nachdrücklich betont.

Das fünfschiffige, im Osten durch ein großes Querhaus abgeschlossene Langhaus bestand aus elf Jochen (Raumabschnitten). Daran schloss der Chor mit einem zweiten Querhaus an. Durch zahlreiche Apsiden und Umgangskapellen war es möglich, viele Nebenaltäre für private Stiftungen und Messen einzurichten. Erstmals fanden nun auch an einem Bauwerk dieser Größe Strebebögen zur Stabilisierung der Gewölbe Verwendung.

Der enorme Kirchenbau von Cluny III wurde 1810 im Gefolge der Französischen Revolution verkauft und abgebrochen.

Wie war der Innenraum gestaltet?

Der Aufriss des fast 30 Meter hohen Kirchenschiffs setzte sich im Inneren aus drei Zonen zusammen. Die unterste wurde von hohen Arkaden auf kreuzförmigen Pfeilern gebildet. Darüber befanden sich zwei Reihen rundbogiger Öffnungen, deren untere einen Laufgang aufnahm, während die obere Fensteröffnungen umfasste. Das Mittelschiff war mit einem Tonnengewölbe gedeckt, das Gurtbögen in einzelne Joche unterteilten.

Die korinthischen Kapitelle der Säulen folgen antiken Vorbildern. Ihre zum Teil figürliche Plastik beginnt, sich von der reliefartigen Verschmelzung der Darstellungen mit den Kapitellkernen früherer Epochen zu lösen. Nun wurden die Figuren in ihrer Körperlichkeit betont. Die Kapitelle sind ein Höhepunkt der romanischen Monumentalskulptur in Burgund.

Warum rebellierte Bernhard von Clairvaux gegen die Cluniazenser?

Die gewaltigen Abmessungen von Cluny III lassen sich nicht allein durch die zunehmende Zahl von Mönchen erklären, die in der Mitte des 11. Jahrhunderts bei rund 400 lag. Vielmehr war das übersteigerte Selbstbewusstsein der Abtei Anlass genug, um alles bis dahin Erbaute zu überbieten. Das Streben nach Größe und die Entfaltung von Pracht standen in krassem Gegensatz zu der ursprünglich angestrebten strengen Einhaltung der benediktinischen Ordensregel. Der später heilig gesprochene Bernhard von Clairvaux kritisierte die cluniazensischen Kirchen heftig und gründete als Reaktion den Orden der Zisterzienser. Die Reform des Mönchtums im Sinne christlicher Armut musste schließlich von Cluny an die Zisterzienser abgegeben werden.

Wussten Sie, dass …

Papst Urban II., der 1095 den Chor der neuen Kirche von Cluny weihte, vormals dort Prior gewesen war?

allein der Südarm des großen Querhauses, einige Grundmauern sowie einzelne Kapitelle und andere Bauplastik vom einstmals stolzen Kirchenbau erhalten geblieben sind?

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