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Frauen im Islam: Zwischen Unterdrückung und Selbstbestimmung

Wie lebten die Frauen zur Zeit des Propheten?

Die Frage nach der Stellung von Frauen auf der arabischen Halbinsel des 7. Jahrhunderts lässt sich nicht eindeutig beantworten. Zwar gab es Frauen wie Chadidscha, Mohammeds erste Ehefrau, die wohlhabend waren und selbständig ihre Geschäfte führten. Die Mehrzahl aber war ihrem Mann untergeordnet, von ihm abhängig und auch in finanzieller Hinsicht rechtlos. Für sie brachte der Islam viele Verbesserungen: Gläubige Frauen müssen dieselben Vorschriften einhalten wie Männer und können ebenso wie diese ins Paradies kommen. Durch das Eherecht erhielten die Frauen ein Mindestmaß an Absicherung und waren nicht mehr der reinen Willkür der Männer ausgeliefert. Das Erbrecht garantierte ihnen zum ersten Mal einen eigenen Anspruch auf ihr Erbteil und die Verfügungsgewalt über ihr Vermögen.

Muss eine Muslima ein Kopftuch tragen?

Diese Frage ist derzeit heftig umstritten. Der Koran empfiehlt Frauen lediglich, beim Verlassen des Hauses ein Tuch über den Ausschnitt zu ziehen. Dagegen steht ein Ausspruch Mohammeds, wonach außer Gesicht, Händen und Füßen der ganze Körper bedeckt sein sollte. Ähnlich wie im traditionellen Judentum und auch im Christentum soll das Verhüllen der weiblichen Haare die sexuelle Anziehungskraft der Frauen mildern und sie von Anfechtungen seitens der Männer fernhalten. Im Lauf der Zeit wurde daraus, ohne dass dies aus den religiösen Schriften zu begründen wäre, ein Symbol für die Unterordnung der Frau unter den Mann.

Zunächst ist ein Kopftuch nur ein Hinweis auf die Religionszugehörigkeit seiner Trägerin, nicht aber auf ihren Stellenwert gegenüber dem Mann. So kann eine Frau mit Kopftuch, die sich ihrer Rechte auch im Islam bewusst ist, durchaus weit emanzipierter sein, als eine Frau mit unbedecktem Haupt, die Traditionen nicht hinterfragt. Die Vielfalt an Verschleierungspraktiken – vom Kopftuch bis zur Ganzkörperverschleierung – belegt, dass regionale und kulturelle Traditionen weitaus prägender sind als religiöse Gegebenheiten.

Wie ist das Ehe- und Familienrecht geregelt?

Hier ist die Muslima dem Mann gegenüber klar benachteiligt. Dies beginnt bereits bei der Eheschließung. Eine unverheiratete Frau braucht einen Vormund, der ihre Wahl gutheißt und den Ehevertrag unterschreibt, ansonsten gilt die Ehe als ungültig.

Um die Verheiratung von Minderjährigen zu unterbinden, wurde überall ein Mindestheiratsalter für beide Geschlechter eingeführt. Damit soll gleichzeitig die hohe Geburtenrate gesenkt werden. Allerdings entzieht man sich dem in ländlichen Gegenden nicht selten, indem die Ehe zunächst nur in der Moschee geschlossen und erst bei Erreichen des notwendigen Alters auf dem Standesamt registriert wird.

Eher als ein Überbleibsel aus den kämpferischen Anfangszeiten des Islam muss das Recht des Mannes angesehen werden, mit bis zu vier Frauen gleichzeitig verheiratet zu sein. Ursprünglich als Versorgungsmöglichkeit für die zurückgebliebenen Kriegerwitwen gedacht, ist aus dieser Regelung ein generelles Recht für alle Männer erwachsen. Der Koran macht jedoch zur Bedingung, dass alle Frauen in jeder Hinsicht gleich behandelt werden müssen. Wenige Verse später wird genau diese anspruchsvolle Grundvoraussetzung jedoch für mehr oder weniger unmöglich erklärt.

Kann sich eine Muslima scheiden lassen?

Theoretisch ist die Scheidung beiden Geschlechtern möglich. Während der Mann jedoch in der Regel keinerlei Gründe für seine Scheidungsabsicht angeben muss, ist der Rahmen für die Frau in diesem Zusammenhang sehr eng gesteckt. Sie kann sich nur auf wenige, genau vorgegebene Gründe stützen. Dazu zählen etwa eine längere unbegründete Abwesenheit des Mannes, seine Unfähigkeit, für ihren Unterhalt aufzukommen, aber auch Impotenz oder längere sexuelle Enthaltsamkeit seinerseits.

Was ist im Zeugen- und Erbrecht festgelegt?

In diesen zwei Bereichen steht die Frau bereits im Koran in einem untergeordneten Verhältnis zum Mann. Eine Frau zählt als Zeugin nur halb so viel wie ein Mann, für eine gültige Aussage bedarf es also zweier Zeuginnen. Die Regelungen zum Erbrecht gestehen der Frau nur die Hälfte dessen zu, was ein Mann in der entsprechenden Erblinie erhält. Ursprünglich sollte durch diese Vorschriften die Tatsache ausgeglichen werden, dass der Ehemann allein für den Unterhalt der Familie zuständig ist. Da heute viele Frauen einer Erwerbstätigkeit nachgehen müssen, um ein Überleben der Familie zu sichern, kann diese Regelung jedoch als fragwürdig gelten.

Welche nationalen Unterschiede gibt es in der Rechtspraxis?

Die Rechtslage in den einzelnen Ländern ist heutzutage sehr unterschiedlich. Zwei Extrembeispiele sind Saudi-Arabien und Tunesien. Im konservativen saudischen Islam dürfen Frauen das Haus nur in Begleitung eines männlichen Familienmitgliedes verlassen, alleine Auto zu fahren ist ihnen gänzlich untersagt. In Tunesien dagegen wurde der Vormund bei der Eheschließung abgeschafft, die Vielehe verboten beziehungsweise stark eingeschränkt und das Scheidungsrecht zugunsten der Frau ausgelegt.

Wussten Sie, dass …

der Schleier bereits lange vor dem Islam im Orient verbreitet war? Er galt als Zeichen für den hohen gesellschaftlichen Status einer Frau, nur Arme und Sklavinnen trugen ihren Kopf unverhüllt. Diese Tradition fand später Eingang in den Islam.

Benazir Bhutto im Jahr 1988 in Pakistan die erste Regierungschefin eines islamischen Landes wurde?

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