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Geburt: Der Weg ans Licht
Was bedeutet die Geburt eines Kindes?
Die Geburt gehört zu den größten körperlichen und seelischen Herausforderungen, mit denen eine Frau konfrontiert wird. Mit Geburt bezeichnet man den Prozess, durch den das Kind die schützende Gebärmutter verlässt und in die Außenwelt eintritt. Drei Stadien kennzeichnen den Verlauf einer normalen Geburt. Die Wehen sind hierbei die treibende Kraft. Die Dauer einer Geburt kann sehr unterschiedlich sein.
Womit beginnt die Geburt?
Die Eröffnungsphase ist das erste Stadium der Geburt und dauert vom Einsetzen der ersten regelmäßigen Wehen bis zur vollständigen Öffnung des Muttermunds. In dieser Phase tritt der Kopf des Kindes tiefer in das Becken der Mutter hinein. Bei den ersten Wehen kann es durch das Reißen des Schleimpfropfes am Muttermund zu einer leichten Blutung kommen (»Zeichnen«). In diesem ersten Wehenstadium kommt es zur Zurückziehung und Erweiterung des Gebärmutterhalses, bis Gebärmutter und Vagina eine Art durchgehenden Trichter formen, der als Geburtskanal bezeichnet wird. Aufgrund von zu schwachen oder ungenügenden Wehen kann sich die Eröffnungsphase über eine beträchtliche Zeit hinziehen.
Bei etwa 10 bis 20 Prozent der Frauen beginnt die Geburt mit dem vorzeitigen Blasensprung. In diesem Fall stellen sich die Wehen erst nach dem Abgang des Fruchtwassers ein. Gegen Ende der Eröffnungsphase werden die Wehen stärker und folgen rascher aufeinander. Schließlich dauern sie etwa 45 bis 60 Sekunden und folgen im Abstand von zwei bis drei Minuten aufeinander. In diesem Stadium erscheinen sie schon fast als kontinuierliche Wehen.
Was genau sind Wehen?
Als Wehen bezeichnet man die regelmäßigen Kontraktionen der Gebärmutter, die im oberen Teil der Gebärmutter beginnen und sich nach unten fortsetzen. Sie werden von der Frau oft als Wellen empfunden, die sich allmählich aufbauen und schließlich wieder abebben. Manche Frauen vergleichen die Wehen auch mit sehr starken Menstruationskrämpfen.
Die Intensität der Kontraktionen ist in dem starken, muskulären oberen Abschnitt der Gebärmutter am größten. Bei jeder Kontraktion dieses Abschnittes werden die Muskelfasern kürzer und dicker, ein einzigartiger Vorgang, der als Retraktion bezeichnet wird und bei keinem anderen Körpermuskel vorkommt. Die Retraktion verstärkt die Kraft, die auf den unteren Abschnitt der Gebärmutter ausgeübt wird. Dieser hat weniger Muskeln, kontrahiert weniger stark und retrahiert nicht. Zwischen den einzelnen Kontraktionen kommt es wieder zur vollständigen Entspannung der Gebärmutter.
Was ist am Muttermund abzulesen?
Der Muttermund öffnet sich in dem Maß, wie das Kind tiefertritt und den Gebärmutterhals weitet. Der Grad der Öffnung gibt Hinweis auf das Fortschreiten des Geburtsvorgangs und wird in Zentimetern ausgedrückt. Er beträgt, je nach Größe des kindlichen Kopfes, bei vollständiger Öffnung etwa zehn Zentimeter. Bei Erstgebärenden zieht sich der Muttermund vor der Eröffnung zurück, weshalb die Eröffnungsphase etwas länger dauert. Bei Zweit- und Mehrgebärenden kommt es meist gleichzeitig zum Zurückziehen und zur Erweiterung.
Wodurch kann sich die Eröffnungsphase verlängern?
Zu schwache oder ungenügend wirksame Gebärmutterkontraktionen können dazu führen, dass sich die Eröffnungsphase verlängert. Geht die Mutter etwas herum, werden die Kontraktionen meist stärker. Eine Verzögerung kann auch aus der Größe oder Stellung des Kindes resultieren. Dazu kommt es häufig, wenn der Kopf des Kindes nicht stark genug gebeugt ist. Dadurch ergibt sich ein größerer Kopfdurchmesser, was seine Passage durch das Becken erschwert und infolgedessen die Wehen verlängert. Verzögerungen können sich auch durch ein zu schmales oder ungewöhnlich geformtes Becken ergeben; beispielsweise kann der Kopf des Kindes im Verhältnis zum Becken zu groß oder nicht optimal im Becken platziert sein.
Was passiert im Übergangsstadium der Geburt?
Das Übergangsstadium bildet das Ende der Eröffnungsphase, wenn der Muttermund fast vollständig erweitert ist. Während sich das Kind in den unteren Abschnitt der Gebärmutter absenkt, fühlt die Mutter den Drang zu pressen. Zu diesem Zeitpunkt platzt normalerweise die Fruchtblase, wenn dies nicht bereits zuvor die Eröffnungsphase eingeleitet hat. Danach verursacht der Druck des kindlichen Kopfes auf den Muttermund die reflexartige Ausschüttung von Oxytocin, das für die Gebärmutterkontraktionen verantwortliche Hormon. In diesem Stadium sind die Kontraktionen deshalb oft lang, stark und sehr schmerzhaft. Für die Mutter ist das Übergangsstadium meist der anstrengendste Geburtsabschnitt.
Welche Vorgänge umfasst die Austreibungsphase?
Die Austreibungsphase dauert von der vollständigen Öffnung des Muttermunds bis zum Austritt des Kindes. In diesem zweiten Geburtsstadium ändern sich Art und Heftigkeit der Wehen. Die Kontraktionen erfolgen nun nicht mehr so häufig, sind aber sehr viel intensiver. Die Gebärende empfindet einen überwältigenden Drang, nach unten zu pressen und das Kind durch den Geburtskanal zu schieben. Dabei senkt sich das Zwerchfell ab und die Bauchmuskeln kontrahieren, so dass sich die gesamten Anstrengungen der Gebärenden auf das Herauspressen des Kindes konzentrieren. Die so genannten Presswehen erfolgen nun im Abstand von zwei bis drei Minuten und dauern etwa 60 bis 70 Sekunden.
Die Retraktion der Gebärmutter und die Wirkung der Kontraktionen, die über die kindliche Wirbelsäule auf den Kopf übertragen werden, unterstützen den Durchtritt des Kindes durch den Geburtskanal. Dieser Vorgang, kombiniert mit dem Pressen der Gebärenden, findet seinen Höhepunkt in dem Austritt des Kindes. Bei einer normalen Geburt wird jetzt langsam der Kopf des Kindes am Eingang der Vagina sichtbar. Anfänglich rutscht er möglicherweise zwischen den einzelnen Wehen wieder ins Körperinnere zurück, bleibt jedoch dann auf Dauer sichtbar. In diesem Stadium ist die mütterliche Scheide vollständig gedehnt. Nach Sichtbarwerden des Kopfes sind nur noch wenige Wehen erforderlich, bis das ganze Kind durch den Geburtskanal hindurchgetreten ist und seinen ersten Atemzug tut. Die ausgeprägte Gebärmutterretraktion, die die Austreibung des Fetus begleitet, verursacht auch die Ablösung der Plazenta von der Gebärmutterwand und bereitet den Übergang in das dritte Geburtsstadium vor.
Wie wirken die Wehen auf den Fetus?
Im Verlauf der Wehen sorgen die starken Gebärmutterkontraktionen zunächst dafür, dass der Fetus auf den kleinstmöglichen Körperumfang reduziert wird, so dass er mit dicht am Körper angewinkelten Armen und Beinen die Passage durch den Geburtskanal antritt. Die Kontraktionen und das Pressen der Mutter in der Austreibungsphase veranlassen den Fetus zu bestimmten Drehungen und Bewegungen, die ihm den Durchtritt durch das mütterliche Becken erleichtern.
Auf welche Weise passiert der Fetus den Geburtskanal?
Zu Beginn der Geburt stellt sich der Kopf des Fetus ein und drückt gegen den Gebärmutterhals. In der Austreibungsphase kommt es dann durch die starken Kontraktionen zu einem Tiefertreten des Kopfes. Mit einer Kopfdrehung manövriert sich der Fetus an Becken und Steißbein vorbei und dreht sich, so dass er nun mit dem Gesicht dem mütterlichen After gegenübersteht. Diese Positionen werden als Beugung und erste Drehung des Kopfes bezeichnet. Tritt der Kopf aus der Vagina aus, biegt er sich im Hals nach hinten ab.
Bleibt er endgültig im Eingangsbereich der Vagina sichtbar, so wird dieses Stadium als Sichtbarwerden des Kopfes bezeichnet und signalisiert die in Kürze erfolgende vollständige Geburt, bei der nach einer nochmaligen Drehung des Kopfes der ganze Körper des Kindes aus der Mutter austritt.
Wie wird das Kind überwacht?
Unter der Geburt können die kindlichen Herztöne in Intervallen oder fortlaufend mit einem Monitor oder in bestimmten Abständen mit dem Stethoskop oder einem Ultraschallgerät abgehört werden. Bei normalem Wehenverlauf genügt die Überwachung in regelmäßigen Abständen. In manchen Fällen besteht für das Kind ein erhöhtes Risiko während der Geburt, z. B. bei einem Schwangerschaftsbluthochdruck, einer Herzkrankheit der Mutter oder einer Plazentastörung. Hier wird sich die Geburtshelferin immer für eine durchgehende Überwachung des Kindes entscheiden. Auch bei einer Periduralanästhesie oder dem Risiko eines kindlichen Sauerstoffmangels werden die Herztöne des Ungeborenen ununterbrochen überwacht. Das kindliche Herz kann dabei von außen über ein auf der Bauchdecke der Mutter aufgesetztes Mikrophon oder – nach dem Blasensprung – auch direkt durch eine auf dem Kopf des Kindes angebrachte Elektrode abgehört werden.
Welche Bedeutung hat der erste Atemzug des Kindes?
Bis zur Geburt hängt die Sauerstoffversorgung des Ungeborenen von der Blutzufuhr aus der Plazenta ab. Mit der Geburt übernehmen die Lungen des Kindes diese lebensnotwendige Aufgabe. Sobald sich die Plazenta von der Gebärmutterwand abtrennt und die Blutgefäße in der Nabelschnur sich zusammenziehen, reichert sich das Blut des Kindes mit Kohlendioxid an. Diese Anreicherung stimuliert das Atemsteuerzentrum in seinem Gehirn und löst den ersten Atemzug aus. Dabei öffnen sich die Blutgefäße in der Lunge, das Blut durchströmt das Lungengewebe und nimmt den Sauerstoff aus der eingeatmeten Luft auf. Der Kreislauf hat sich umgestellt. Fällt dem Kind das Atmen noch schwer, so kann der Geburtshelfer mit einem kleinen Absaugrohr Schleim und andere Flüssigkeit aus dem Mund und der Nase des Neugeborenen entfernen.
Wann wird die Nabelschnur durchtrennt?
Sobald das Kind atmet, werden die Blutgefäße der Nabelschnur nicht mehr benötigt. Sie ziehen sich zusammen und die Nabelschnur wird weißlich und schlaff. Jetzt oder auch nach dem Ausstoß der Plazenta klemmt der Geburtshelfer die Nabelschnur etwa sieben bis zwölf Zentimeter vom Nabel entfernt an zwei Stellen ab und durchtrennt sie anschließend. Da die Nabelschnur nicht mit Nerven ausgestattet ist, fühlt das Kind dabei keinen Schmerz. Hat sich die Nabelschnur um den Hals des Kindes gewickelt, muss die Durchtrennung vor der Nachgeburt erfolgen.
Was ist die Nachgeburt?
Das ist die nach der Geburt nicht mehr benötigte Plazenta, die zusammen mit den Eihäuten ausgestoßen wird. Dies geschieht in der Nachgeburtsphase, dem dritten Stadium der Geburt.
Die kurz nach der Geburt einsetzenden Nachgeburtswehen führen zur Ablösung der Plazenta von der Gebärmutterwand. Durch den Geburtskanal nach außen folgen die Eihäute. Daraufhin zieht sich die Gebärmutter durch Kontraktionen zusammen. Die Blutgefäße verengen sich, ein größerer Blutverlust wird dadurch vermieden. Bei normalem Verlauf erfolgt die Nachgeburt innerhalb von 15 Minuten bis zwei Stunden nach der Geburt.
Die Plazenta wird danach vom Geburtshelfer auf Vollständigkeit überprüft. Sollten nämlich noch Plazentareste in der Gebärmutter verbleiben, können diese Blutungen auslösen. Sie müssen deshalb entfernt werden. Der Geburtshelfer überprüft auch die Anzahl der Blutgefäße in der Nabelschnur. Fehlt eine der Nabelarterien, kann dies auf eine Missbildung im Herz-Kreislauf-System des Kindes hinweisen.
Was ist ein Dammschnitt?
Ein Dammschnitt (Episiotomie) ist ein chirurgischer Einschnitt in das Gewebe des Damms (Perineum), der zwischen Vagina und After liegt. Er ist gelegentlich zur Erleichterung einer vaginalen Geburt erforderlich. Dadurch wird dem Kind der Durchtritt erleichtert. Bei einer normalen Entbindung benötigen nur sehr wenige Frauen einen Dammschnitt. Ein absoluter Grund für diesen Eingriff ist eine Zangengeburt.
Der Dammschnitt erfolgt meist unter örtlicher Betäubung des Damms durch Einspritzung eines Betäubungsmittels. Da das Betäubungsmittel einige Zeit braucht, um seine Wirkung zu entfalten, muss in besonders dringenden Fällen auf die Betäubung verzichtet werden. Der Schnitt wird dann auf dem Höhepunkt der Presswehe durchgeführt. Auf diese Weise werden Schmerzen und Blutverlust minimiert, da die Dammhaut vollständig gedehnt ist. Die Entbindung erfolgt direkt nach dem Dammschnitt. Da hierbei sowohl Haut- als auch Muskelgewebe durchtrennt werden, muss der Schnitt hinterher sehr sorgfältig vernäht werden. Die Dammnaht wird in den Tagen nach der Geburt besonders beobachtet und versorgt.
Wie lange dauert eine Geburt?
Die exakte Geburtsdauer ist schwierig zu ermitteln, da der genaue Zeitpunkt des Geburtsbeginns oft schwer zu erkennen ist. Bei einer Erstgebärenden dauert die Geburt im Allgemeinen länger, bei Zweit- und Mehrgebärenden ist sie meist kürzer und nicht mehr so anstrengend. Bei Erstgebärenden öffnet sich der Muttermund etwa um einen Zentimeter pro Stunde, bei nachfolgenden Schwangerschaften jedoch meist schneller. Bei einer Erstgebärenden rechnet man mit einer durchschnittlichen Geburtsdauer von zwölf Stunden. Diese Zeit kann aber auch beträchtlich unter- oder überschritten werden und von zwei bis drei Stunden bis zu 18 bis 24 Stunden dauern. Bei Mehrfachgebärenden dauert die Geburt durchschnittlich etwa sechs Stunden, aber auch diese Zeit kann unter- oder überschritten werden.
Was bedeutet die Bezeichnung …
Vorzeitiger Blasensprung? Dies ist das spontane »Zerreißen der Fruchtblase vor Ende der Eröffnungsphase«. Je nach Zeitpunkt unterscheidet man den frühzeitigen (während der Eröffnungsperiode) und den vorzeitigen Blasensprung (vor Beginn der ersten Geburtswehen). Beim vorzeitigen Blasensprung besteht ein erhöhtes Risiko für eine aufsteigende Infektion der Gebärmutter und des ungeborenen Kindes. Die Entbindung sollte daher innerhalb von zwei Stunden erfolgen.
Vorzeitige Plazentalösung? Wenn sich die Plazenta vor oder unter der Geburt von der Gebärmutterwand löst, kann eine für Mutter und Kind lebensbedrohliche Blutung auftreten. In diesem Fall wird sofort ein Kaiserschnitt durchgeführt.
Wehenschwäche? Bei manchen Frauen sind die Wehen ungleichmäßig lang und stark oder kurz und schwach und bleiben manchmal sogar ganz aus. Kommt es durch die Wehenschwäche zu keinem Fortschritt im Geburtsverlauf, ist das Kind gefährdet und die Geburtshelferin muss eingreifen.
Nabelschnurvorfall? Bei dieser Komplikation im Verlauf des Geburtsvorgangs fallen nach dem Blasensprung Schlingen der Nabelschnur vor den kindlichen Kopf und werden durch das Kind in dem engen Geburtskanal komprimiert. Diese Situation ist lebensgefährlich für das Kind, weil es dadurch von der Sauerstoffzufuhr abgeschnitten ist.
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