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Kakteen: Attraktive Hungerkünstler

Weshalb konnten Kakteen Wüsten erobern?

Weil sie trickreiche Mechanismen entwickelt haben, um sich vor Wassermangel zu schützen und lange Trockenzeiten auszuhalten. Zunächst wurden die Blätter weitgehend abgeschafft, über die zu viel Wasser verdunsten würde. Fotosynthese betreiben Kakteen stattdessen mithilfe ihrer grünen Sprossachse. Säulen- und Kugelkakteen haben außerdem ziehharmonikaförmige Körper mit Längsrillen; je nach Wasserangebot können die Körper schrumpfen oder sich prall mit Flüssigkeit füllen. Die kompakte Körperform bietet nur eine kleine Oberfläche und schränkt so die Wasserverdunstung zusätzlich ein.

Alle Pflanzen haben Spaltöffnungen, durch die sie Wasser abgeben und Kohlendioxid, den Rohstoff der Fotosynthese, aus der Luft aufnehmen. Bei Säulenkakteen sind diese Öffnungen tief im Innern der Falten verborgen, so dass sie vor heißen Winden gut geschützt sind. Die Spaltöffnungen werden außerdem nur nachts geöffnet, wenn die Luft sich abgekühlt hat. Kakteen haben, wie alle Sukkulenten, ihren Stoffwechsel darauf eingerichtet, das Kohlendioxid, das sie in der Nacht aufnehmen, zunächst in chemischer Form zu speichern und erst tagsüber für die Fotosynthese nutzbar zu machen.

Die prall mit Wasser gefüllten Kakteen geben übrigens ein saftiges Mahl für Wüstentiere ab. Doch auch dagegen wissen sich die Pflanzen wirksam zu schützen: Sie sind mit Dornen umgeben, die aus ihren umgewandelten Blättern entstanden sind.

Wachsen Kakteen nur in trockenen Regionen?

Nein. Korallen- oder Rutenkakteen (Gattung Rhipsalis) besiedeln beispielsweise die tropischen Regenwälder Südamerikas, Afrikas und Sri Lankas. Sie sind die einzigen Vertreter der Kakteen, die auch in der Alten Welt zu Hause sind. Als sog. Aufsitzerpflanzen (Epiphyten) wachsen sie auf Bäumen, wobei sie meist große Höhen bevorzugen. Ihre hängenden Sprosse werden bis zu drei Meter lang. Als Waldbewohner vertragen sie keine direkte Sonne und brauchen außerdem eine hohe Luftfeuchtigkeit. Verschiedene Arten, wie etwa Rhipsalis baccifera, eignen sich auch als Zimmerpflanzen.

Auch der Rosenkaktus (Pereskia grandifolia) ist in den Tropen zu Hause. Die zu den Laubkakteen gehörende Art bildet einen bis zu fünf Meter hohen Strauch oder kleinen Baum. Die grün belaubten Zweige tragen wie andere Kakteen Areolen als kleine Haarpolster in den Blattachseln, aus denen Dornen wachsen. Die Blätter werden jährlich erneuert. Seiner schönen rosafarbenen bis grünlichen Blüten wegen wird der Rosenkaktus gelegentlich als Zierstrauch angepflanzt. Andere Pereskia-Arten tragen essbare Früchte und ihre Blätter ergeben oft ein schmackhaftes Gemüse.

Wo entwickelten sich Kakteen zu einer Landplage?

In Australien. 1839 erreichte vermutlich die erste Kaktusfeige der Art Opuntia inersis, die ursprünglich in Texas beheimatet ist, Queensland als Zierpflanze in einem Blumentopf. Ableger dieser Pflanze und der verwandten Art Opuntia stricta aus Chile wurden dann ausgepflanzt, um als »Naturzäune« zu dienen. Damit begann ein Eroberungsfeldzug von atemberaubender Geschwindigkeit und ungeahntem Ausmaß. 1900 galten bereits vier Millionen Hektar Weideland als unbrauchbar, weil es von der Kaktusfeige überwuchert worden war. Die 1902 herrschende Dürre gereichte der Wüstenpflanze erst recht zum Vorteil und sie vermehrte sich in den Folgejahren so stark, dass sie vollkommen außer Kontrolle geriet: 1925 waren 24 Millionen Hektar Weideland der Nutzung entzogen, da sie völlig von der Kaktusfeige kolonisiert worden waren. Die jährliche Zuwachsrate lag bei etwa 400 Hektar.

Um der Katastrophe Herr zu werden, begann man bereits 1913, mit biologischer Schädlingsbekämpfung zu experimentieren. Zwischen 1921 und 1935 untersuchte man in groß angelegten Projekten den Einsatz von spezifischen Fraßschädlingen bei Opuntien. Als erfolgreichster Feind der Kakteen erwies sich schließlich der Kakteenfalter (Cactoblastis cactorum), den man aus Argentinien einführte. Er legt seine Eier auf Opuntien ab; die geschlüpften Raupen höhlen dann den Kaktus von innen aus und zerstören ihn schließlich ganz.

Was sind Kakteenfeigen?

So werden umgangssprachlich die Früchte des Feigenkaktus (Opuntia ficus-indica) bezeichnet. Die gelbroten Beerenfrüchte sind etwa so groß wie ein Hühnerei und essbar. Die säuerlich schmeckenden Früchte sind sehr saftig und reich an Samen. Da sie Oxalsäure enthalten, hinterlassen sie ein leichtes Brennen im Mund.

Auch andere Opuntia-Arten liefern essbare Früchte: Auf südeuropäischen Märkten kann man gelegentlich »Rossfeigen« finden, die Früchte von Opuntia humifusa, die aber eher fade schmecken. Die blühende Pflanze ist jedoch eine gute Bienenweide. In Mexiko werden die Früchte von Opuntia tunicata zu einer wohlschmeckenden Marmelade verarbeitet. Dort kommt mitunter auch »Kaktusblättersalat« (Ensalada de Nopalitos) auf den Tisch: in Streifen geschnittene Opuntiensprossen, die in Essig eingelegt sind.

Wofür ist die Königin der Nacht berühmt?

Für ihre außergewöhnlich schönen, aber seltenen Blüten. Für echte Kakteenenthusiasten kann es kaum etwas Grandioseres geben, als zu erleben, wie eine Königin der Nacht (Selenicereus grandiflorus) ihre 30 Zentimeter langen Blüten zu öffnen beginnt. Die Wertschätzung, die dieses Ereignis erfährt, beruht nicht zuletzt auf seiner Seltenheit: Denn die herrliche, intensiv nach Vanille duftende Blüte zeigt sich nur bei älteren Pflanzen und ist bereits nach wenigen Stunden verwelkt.

Eine attraktive Verwandte der Königin der Nacht ist die Prinzessin der Nacht (Selenicereus pteranthus), die allerdings nicht duftet. Heimat beider Pflanzen sind die Westindischen Inseln und das amerikanische Festland vom texanischen Süden bis zur Nordküste Südamerikas. Beide gehören zur Gattung Selenicereus, die durch meterlange, fünf- bis siebenrippige Triebe gekennzeichnet ist. In ihrer Heimat wuchern sie am Boden oder beranken Mauern und Zäune; in Kultur müssen die langen Triebe sorgfältig an einem Spalier aufgebunden werden.

Aus welchem Kaktus wird eine Rauschdroge hergestellt?

Aus dem unscheinbaren Kugelkaktus Lophophora williamsii, den Indianer in Mexiko seit über 3000 Jahren bei Kulthandlungen einsetzen. Zu bestimmten Zeiten und unter Einhaltung einer festgelegten Zeremonie werden die kleinen Köpfe des »Peyotl« oder »Peyote«, wie er auch genannt wird, gesammelt, zubereitet und verzehrt. Der Konsum des fast unerträglich bitter schmeckenden »Peyotl« ruft euphorische Zustände, Halluzinationen und Farbvisionen hervor.

Verantwortlich dafür ist das Alkaloid Mescalin, das – in größeren Mengen genossen – schwere Gesundheitsschäden bewirken und sogar tödlich sein kann. Obwohl Anbau des Kaktus und Besitz der Droge verboten sind, praktizieren die Indianer im Südwesten der USA auch heute noch den »Peyote«-Kult. Nach ihrer Überzeugung gelingt es ihnen dabei, mithilfe der Droge den Kontakt mit der Welt der Geister herzustellen und Offenbarungen zu erlangen, die u. a. zur Heilung von Krankheiten dienen.

Wer war der Star der Pariser Weltausstellung?

Das berühmte Greisenhaupt (Cephalocereus senilis), dessen Körper mit dichten langen weißen oder grauen Haaren besetzt ist, so dass die tiefen Rippen und die goldgelben Dornen kaum zu entdecken sind. Auf der Schau 1889 wurde der Kaktus als Kuriosität präsentiert und erregte fast so viel Aufsehen wie der neu erbaute Eiffelturm. Das ungewöhnliche Gewächs löste eine große Sammelleidenschaft für Kakteen aus. In Mexiko wurden die anspruchslosen Pflanzen rücksichtslos gesammelt und nach Europa gebracht, bis die mexikanische Regierung die Ausfuhr verbot. Heute werden die meisten im Handel angebotenen Kakteen aus Samen gezogen. Das Greisenhaupt blüht nur, wenn es mehrere Meter Höhe erreicht hat, was in Zimmerkultur leider selten vorkommt. In seiner Heimat Mexiko wird es bis zu 15 Meter hoch.

Welche Kakteen tarnen sich als Steine?

Die sechs Arten der Gattung Wollfruchtkaktus (Ariocarpus), welche die Wüstengebiete des nördlichen Mexikos besiedeln. Die dornenlosen Kakteen wirken optisch wie Felsbrocken; dadurch verschmelzen sie gleichsam mit ihrer Umgebung. Auch ihr englischer Name »living rock« (lebender Fels) deutet darauf hin. Nur ihre auf dem Scheitel erscheinenden Blüten in Weiß, Gelb, Rosa oder Purpurrot verraten im Spätsommer, dass es sich hier um lebende Gewächse handelt.

Welchen Farbstoff liefern Kakteen?

Das berühmte Kochenille-Rot – allerdings über einen Umweg: Die Kakteen aus der Gattung der Opuntien sind nämlich lediglich die Futterpflanzen der Kochenille-Laus (Dactylopius cacti). Der scharlachrote Farbstoff, den bereits die Azteken zum Färben von Textilien und Lebensmitteln nutzten, wird nur von den Weibchen der Laus produziert. Für seine Gewinnung werden die getrockneten Tiere gepresst und mit heißem Wasser oder mit Lösungsmitteln behandelt. Das Kochenille-Rot diente im 17. Jahrhundert beispielsweise in Australien dazu, die roten Röcke der britischen Kolonialsoldaten zu färben.

Als gegen Ende des 19. Jahrhunderts synthetische Farben verfügbar wurden, verlor diese Form der Gewinnung an Bedeutung. Der Kochenille-Farbstoff ist jedoch heute noch unter der Bezeichnung »E120« als einziger Lebensmittelfarbstoff tierischer Herkunft zugelassen. Er wird aber nur noch gelegentlich verwendet, etwa für roten Campari oder Lippenstifte. Heute liefern lediglich Peru und die Kanarischen Inseln das natürliche Kochenille-Rot.

Kann man Kakteen bei uns ins Freie pflanzen?

Ja. Arten wie beispielsweise Opuntia fragilis und Opuntia humifusa sind in unseren Breiten winterhart. Im Frühsommer erfreuen sie durch schöne gelbe Blüten. Sie können im Freien an sonnigen Stellen ausgepflanzt werden, benötigen aber einen durchlässigen Boden, in dem keine Staunässe entsteht. Vor Nässe schützt man sie am besten mit einem »Dach über dem Kopf«, das Regen abhält. Im Allgemeinen kommen Kakteen zwar mit kalten, aber niemals mit nasskalten Bedingungen zurecht; sie faulen dann rasch.

Eine der bekanntesten Opuntien ist der buschige Hasenohrkaktus (Opuntia microdasys), der bis zu einem Meter hoch wird und im Sommer kleine, blassgelbe Blüten entwickelt. Trotz seines possierlichen Namens hat er es in sich: Aus den hellbraunen Areolen – kleinen filzigen Kissen – ragen kleine, aber spitze Dornen, die schmerzhafte Verletzungen verursachen können.

Was sind Sukkulenten?

Pflanzen mit der Eigenschaft, Wasser auf Vorrat zu speichern. Der Begriff rührt vom Lateinischen succus »Saft« her. Sukkulenten haben sich damit an Klima- und Bodenverhältnisse angepasst, wie sie z. B. in trockenen, wüstenhaften Gebieten vorliegen. Hier ist die Fähigkeit gefordert, lange niederschlagsfreie Perioden zu überstehen und mit dem spärlichen Wasser auszukommen, welches nur unregelmäßig zur Verfügung steht. Die Pflanzen dieser Regionen haben dabei mehrere Strategien entwickelt. Je nachdem, in welchem Organ die Pflanze das Wasser speichert, spricht man von Spross-, Blatt- oder Wurzelsukkulenz. Die Kakteen gehören, wie viele Wolfsmilchgewächse (Euphorbiaceae), in die große Gruppe der Spross- oder Stammsukkulenten. Im Extremfall ist dabei der Spross zu einem kugelrunden Wasserreservoir umgebildet worden.

Wussten Sie, dass …

der Weihnachtskaktus von Kolibris bestäubt wird? Er gedeiht im tropischen Regenwald und wächst auf Bäumen, von denen seine wie zu einer Gliederkette aufgereihten flachen Sprosse herabhängen.

der Durst des Saguarokaktus riesig ist? Innerhalb von zehn Tagen kann der Kaktus bis zu 3000 Liter Wasser aufnehmen.

die Dornen der Kakteen nicht nur als Waffe dienen? Sie spenden auch Schatten und schützen den Pflanzenkörper so vor Überhitzung.

Wussten Sie, dass …

Opuntien Holz ersetzen können? In ihrer Heimat dienen sie auch als Brennmaterial und Holzlieferanten, vor allem in heißen, trockenen Regionen, die gewöhnlich arm an Bäumen sind.

der Goldkugelkaktus nur äußerst langsam wächst? In zehn Jahren erreicht er lediglich einen Durchmesser von 15 Zentimetern.

die »Blätter« der Blattkakteen keine echten Blätter sind? Es sind Sprossglieder, die zu blattartigen Gebilden umgewandelt wurden.

Wo kann man 7000 verschiedene Sukkulentenarten besichtigen?

Im Jardin Exotique – dem »Exotischen Garten« – in Monaco. Hoch über den Klippen der französischen Riviera gelegen, beherbergt er als einer der größten Sukkulentengärten Europas auf 11 500 Quadratmetern mehr als 7000 verschiedene Kakteen- und andere Sukkulentenarten. Daneben bietet der Garten einen herrlichen Blick sowohl über den Küstenstaat als auch über das französische Département Alpes-Maritimes, welches das kleine Fürstentum umschließt.

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