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Das Deutsche Reich: Reichseinigung bis 1871

Warum wurde Österreich nicht Teil des Reichs?

Im preußisch-österreichischen Dualismus hatte sich nach 1848/49 das Gewicht zugunsten Preußens verschoben. Im Konflikt um die Grenzen des zu schaffenden deutschen Nationalstaats wurde die kleindeutsche Lösung (unter Ausschluss der Habsburgermonarchie) favorisiert, König Friedrich Wilhelm IV. (Reg. 1840–1858) war von der Frankfurter Nationalversammlung die Kaiserkrone angeboten worden. Die Reichsverfassung von 1849 trat nie in Kraft, der Deutsche Bund wurde bis 1851 wiederhergestellt. Bei der Restauration der alten Ordnung hatte das Militär eine zentrale Rolle gespielt. Auch König Wilhelm I. von Preußen (Reg. 1861–1888, seit 1871 deutscher Kaiser) setzte bei der Einigung Deutschlands auf militärische Machtmittel. Sein wichtigster Mann war Otto von Bismarck als preußischer Ministerpräsident (Reg. 1862–1890).

Im Deutsch-Dänischen Krieg (1864) um Schleswig und Holstein kämpfte Preußen noch auf der Seite Österreichs. Die von Preußen beantragte Reform des Deutschen Bundes führte 1866 zum Krieg mit der Habsburgermonarchie (Deutscher Krieg). Im Frieden von Prag musste Österreich der Errichtung des Norddeutschen Bundes zustimmen: eines Bundesstaats der deutschen Länder nördlich des Mains mit direkt gewähltem Parlament (Reichstag) und einem die Mitgliedsstaaten repräsentierenden Bundesrat.

Wie kam es zum Deutsch-Französischen Krieg?

Der Krieg wurde durch diplomatische Intrigen provoziert: Napoleon III. (Reg. 1848 bis 1870) empfand die preußische Machtentfaltung zunehmend als Bedrohung für Europa. Die Bewerbung des Prinzen Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen um den spanischen Thron wurde von Bismarck insgeheim unterstützt. Die vom französischen Botschafter geforderte Verzichtserklärung auf eine solche Kandidatur wurde in zugespitzter Form veröffentlicht (Telegramm des in Bad Ems weilenden preußischen Königs, daher Emser Depesche). Der brüskierte französische Kaiser antwortete mit der Kriegserklärung an Preußen.

Im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 standen Bayern, Württemberg und Baden auf preußischer Seite. So führten die militärischen Erfolge gegen Frankreich zum Beitritt der nord- und süddeutschen Staaten zum Deutschen Reich. Frankreich musste Elsass-Lothringen an Deutschland abtreten und eine Kriegsentschädigung (5 Mrd. Francs) zahlen.

Wie kam es zur Gründung des Deutschen Reichs?

Nach dem deutschen Sieg über Frankreich wurde der Preußenkönig Wilhelm I. am 18. Januar 1871 in Versailles zum Deutschen Kaiser ausgerufen. Das Kaiserreich war eine konstitutionelle Monarchie, ein Bundesstaat aus 22 souveränen Fürstentümern und drei freien Hansestädten. Preußens Vorherrschaft wurde mehrfach deutlich: Der Deutsche Kaiser (zugleich preußischer König) ernannte den Reichskanzler, war Oberbefehlshaber des Heeres, berief Reichstag wie Bundesrat ein, während der Reichskanzler u. a. im Bundesrat den Vorsitz hatte. Da Preußen im Bundesrat 17 Stimmen hatte (für das Vetorecht genügten 14 Stimmen), konnte Preußen stets Verfassungsänderungen verhindern.

Wie wirkte die Reichsgründung auf die politische Balance in Europa?

Die Reichsgründung hatte das Kräfteverhältnis in Europa empfindlich gestört. Bismarck ging es nach 1871 vornehmlich darum, Spannungen zwischen den Großmächten diplomatisch auszubalancieren und das Erreichte zu sichern (Erhaltung des Status quo). Um das Sicherheitsrisiko aus Koalitionen der anderen europäischen Mächte gegen Deutschland auszuschließen, baute er seinerseits ein umfangreiches Bündnissystem auf.

Wie labil der Frieden in Europa war, zeigte sich 1875 bei der »Krieg-in-Sicht-Krise«: Als Bismarck von Frankreich die Rücknahme seiner Aufrüstung forderte, Frankreich und Russland sich aber annäherten, war der Zweifrontenkrieg zum Greifen nahe. Der vom Reichskanzler lancierte Zeitungsartikel »Ist der Krieg in Sicht?« sollte Frankreich einschüchtern, bewirkte aber, dass sich Großbritannien und Russland hinter Frankreich stellten.

Was waren die Leitlinien in Otto von Bismarcks politischer Karriere?

Der am 1.4.1815 in Schönhausen/Altmark geborene Otto von Bismarck begann als Atheist und Republikaner und wandelte sich zum königstreuen, protestantischen Politiker, der ab 1872 den politischen Katholizismus (Kulturkampf) und die Sozialdemokratie (Sozialistengesetz, 1878) bekämpfte. Seine Laufbahn begann 1847 als Abgeordneter des Vereinigten Landtags. 1851 bis 1859 Vertreter Preußens beim Bundestag in Frankfurt am Main, ging Bismarck anschließend als Gesandter nach Russland (1859 bis 1862) und Frankreich (1862), ehe er von König Wilhelm I. zum preußischen Ministerpräsidenten berufen wurde. Den Höhepunkt seiner Macht erreichte er 1871 bis 1890. Differenzen mit dem ab 1888 regierenden Kaiser Wilhelm II. führten im März 1890 zu seiner Entlassung. Bismarck starb am 30.7.1898 in Friedrichsruh.

Wussten Sie, dass …

1870 in der entscheidenden Schlacht bei Sedan der französische Kaiser Napoleon III. gefangen genommen wurde? Eine schwere Demütigung für Frankreich.

die von Bismarck für den Norddeutschen Bund entworfene föderalistische Verfassung 1871 ohne größere Änderungen für das Deutsche Reich übernommen wurde und bis 1918 in Kraft blieb?

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