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Machtergreifung und Machtetablierung: Errichtung der NS-Diktatur

Ging die »Machtergreifung« legal vor sich?

Ja, die von den Nationalsozialisten propagandistisch als »Machtergreifung« bezeichnete Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 entsprach formal den Anforderungen der Weimarer Verfassung. Die Staatsgeschäfte wurden aber in die Verantwortung eines Mannes gelegt, dessen Absicht es war, die demokratische Verfassungsordnung zu beseitigen. Konservative Kreise erhofften von der Einbeziehung der Nationalsozialisten eine Regierung auf breiter Massenbasis, stark genug, die wirtschaftliche und soziale Krise autoritär zu lösen. Sie unterschätzten jedoch die Wirksamkeit der Doppelstrategie – Legalität und Gewalt, Propaganda und Terror –, mit der die Nationalsozialisten binnen kurzem eine zentralistische Einparteiendiktatur errichteten.

Was taten die Nationalsozialisten zur Festigung ihrer Macht?

Neben Hitler gehörten anfangs zwar nur zwei weitere Nationalsozialisten dem neuen Kabinett an. Diese beiden, Wilhelm Frick und Hermann Göring, verfügten aber über die Polizeigewalt im Reich und im größten Land (Preußen). Zu den ersten Amtshandlungen Hitlers gehörte die Auflösung des Reichstags, die Ausschreibung von Neuwahlen und eine Notverordnung des Reichspräsidenten, mit der Hitler gegen die oppositionelle Presse vorgehen und Versammlungen verbieten konnte.

Am 27. Februar 1933 brannte das Reichstagsgebäude. Der am Tatort festgenommene niederländische Kommunist Marinus van der Lubbe bekannte sich zu der Brandstiftung, doch ist seine alleinige Urheberschaft bis heute umstritten. Wenige Tage vor den Reichstagswahlen am 5. März 1933 nutzten die Nationalsozialisten die Situation: Hitler erwirkte beim Reichspräsidenten die »Verordnung zum Schutz von Volk und Staat«, durch die praktisch alle Grundrechte der Weimarer Verfassung aufgehoben wurden. Die in Preußen zur Hilfspolizei aufgewertete Parteiarmee der NSDAP, die SA, richtete erste Konzentrationslager ein, in denen sie politische Gegner willkürlich in »Schutzhaft« hielt.

Wer ebnete Hitler den Weg zur Alleinherrschaft?

Bürgerliche Parteien wurden zu Steigbügelhaltern. Die NSDAP errang bei der Reichstagswahl nicht die absolute Mehrheit (43,9%). Erst mit den Deutschnationalen (DNVP; 8%) konnte sie eine Koalitionsregierung bilden. Der neue Reichstag trat nur zusammen, um der Regierung die gesetzgebende Gewalt – auch zur Änderung der Verfassung – zu übertragen: Die notwendige Zweidrittelmehrheit für das so genannte Ermächtigungsgesetz (»Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich«) erhielt Hitler durch die Zustimmung der bürgerlichen Parteien. Gegen das Gesetz stimmten allein die SPD-Abgeordneten, soweit sie nicht – wie alle Reichstagsmitglieder der KPD nach dem Reichstagsbrand – schon verhaftet oder untergetaucht waren.

Wie wurden die Staatsorgane gleichgeschaltet?

Mit dem Ermächtigungsgesetz verfügte Hitler über das entscheidende Instrument zur weiteren Machtkonzentration und Fortführung der Gleichschaltung der Gesellschaft. Fortan konnte die Regierung ohne Zustimmung von Reichstag, Reichsrat und Reichspräsident Gesetze erlassen und international Verträge schließen. Kurze Zeit später verdrängten von Hitler eingesetzte »Reichsstatthalter« (meist die NSDAP-Gauleiter) die gewählten Regierungschefs der Länder (»Zweites Gesetz zur Gleichschaltung der Länder« vom 7. April 1933) und am ersten Jahrestag der »Machtergreifung« (30. Januar 1934) trat die nationale Zentralverwaltung an die Stelle des bundesstaatlichen Systems der Weimarer Republik.

Das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 ermöglichte die Entlassung missliebiger Beamter. Die Mitgliedschaft in der NSDAP wurde damit zum Hauptkriterium für Berufung und Beförderung. Durch Sondererlasse und Einrichtung von Sondergerichten wurden ganze Rechtsbereiche der regulären Justiz entzogen und der nationalsozialistischen Pseudorechtlichkeit unterworfen. Als selbsternannter »oberster Gerichtsherr« (3. Juli 1934) maßte sich Hitler alle Kompetenzen der Judikative an.

Wie wurde die Gesellschaft gleichgeschaltet?

Die Gewerkschaftsbewegung setzte der nationalsozialistischen Machteroberung keinen nachhaltigen Widerstand entgegen. Der Vorstand des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) gab nach den Wahlen im März eine Loyalitätserklärung ab. Die Zerschlagung der Gewerkschaften fand am 2. Mai statt, ihre Mitglieder wurden in die »Deutsche Arbeitsfront« zwangsüberführt. Löhne und Arbeitsbedingungen wurden von nun an durch die neu geschaffene Institution des staatlichen »Treuhänders der Arbeit« geregelt.

Vom Ermächtigungsgesetz, das die parlamentarischen Parteien funktionslos gemacht hatte, war es nur ein logischer Schritt zur Errichtung des Einparteienregimes. Die KPD war die erste Partei, die verschwand. Die Sozialdemokraten wurden im Juni verboten. Die anderen Parteien lösten sich selbst auf, so dass Mitte Juli nur noch die NSDAP als einziger politischer Willensträger blieb. Im Dezember 1933 wurde die faktische Einheit von Partei und Staat auch per Gesetz erklärt.

Was führte zur Vollendung der totalitären Herrschaft?

Der letzte Unsicherheitsfaktor, die SA-Führung unter Ernst Röhm, fühlte sich bei der Verteilung der Pfründe übergangen und stellte sich in Rivalität zur konservativen Reichswehr. Hitler plante daraufhin die Entmachtung der SA, um die Reichswehrführung für die Übernahme des Amtes des Reichspräsidenten hinter sich zu haben. Damit hatte er auch den Oberbefehl über die Reichswehr inne.

Unter dem Vorwand, einem Putschversuch Röhms zuvorzukommen, initiierte Hitler am 30. Juni 1934 eine Mordaktion, die von der SS mit Unterstützung der Reichswehr durchgeführt wurde. Als Reichspräsident Hindenburg am 2. August 1934 starb, übernahm Hitler dessen Amt als »Führer und Reichskanzler«. Mit der Vereidigung der Reichswehr auf seine Person und nicht auf Vaterland oder Verfassung vollendete er nach anderthalb Jahren die Errichtung des totalitären Führerstaates.

Wussten Sie, dass …

die Gewerkschaftsbewegung Hitler deshalb so wenig Widerstand entgegensetzte, weil sie tief gespalten war? Darin rivalisierten kommunistische, sozialdemokratische und christliche Organisationen.

unter den insgesamt mehreren hundert Menschen, die Hitlers Mordaktion gegen die SA zum Opfer fielen, auch Hitlers Vorgänger im Amt des Reichskanzlers, General von Schleicher, war?

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