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Ovids Metamorphosen: Ewige Dauer im Wandel
Welche Werke hat Ovid im Laufe seines Lebens verfasst?
Ovids dichterisches Werk lässt sich in drei Komplexe gliedern: Zu den erotischen Dichtungen zählen die Liebeselegien (»Amores«), in denen er sich spielerisch vom Phänomen der Liebe distanziert und es ironisch kommentiert, sowie »Ars amatoria« (»Liebeskunst«), die formal in der Tradition des Lehrgedichts steht. Ihr galant-frivoler Tonfall soll Ovid die Verbannung durch den konservativ gesonnenen Kaiser Augustus eingebracht haben, man vermutet aber, dass eher die Mitwisserschaft an einem Sittenskandal oder politische Ränke der Grund waren. Die größeren erzählenden Dichtungen umfassen neben den »Metamorphosen« die unvollendeten »Fasti«, eine dichterische Darstellung des römischen Festkalenders, und die »Heroides«, ein fiktiver Briefwechsel mythologischer Heldinnen mit ihren Gatten/Geliebten.
Ab 8 n.Chr. jedenfalls lebte Ovid in Tomis (heute Konstanza) am Schwarzen Meer im unfreiwilligen Exil. Die Werke aus dieser Zeit– »Tristia« (»Klagelieder«) und »Epistulae ex Ponto« (»Briefe vom Schwarzen Meer«) – sind von schwerer Melancholie und tiefer Resignation gekennzeichnet, von der vergeblichen Hoffnung auf eine baldige Rückkehr aus der tristen Grenzprovinz in das strahlende Rom.
Wovon handeln die »Metamorphosen«?
Das Epos verknüpft etwa 250 Geschichten mittels kunstvoller Übergänge zu einem zyklischen Gedicht (»carmen perpetuum«) mit wechselnden Handlungsträgern. Allen Episoden gemeinsam ist das Motiv der Verwandlung (griechisch metamórphosis), dem der Gedanke der »ewigen Dauer im Wandel« zugrunde liegt: Mag sich auch die äußere Form der Dinge ändern, ihr inneres Wesen bleibt immer gleich. Das 15 Bücher zu je 700 bis 900 Hexameterversen umfassende Werk wurde noch vor der Verbannung vollendet.
Thematisch wird ein weiter Bogen von der Entstehung des Universums bis hin zur Apotheose des Augustus gespannt, von den Mythen der Urzeit (Götterversammlung, goldenes Zeitalter) über die großen mythologischen Zyklen (Kadmos, Perseus, Theseus, Herakles) bis zum Trojanischen Krieg, der durch die Aeneas-Sage mit dem römischen Gründungsmythos verbunden ist. Das Werk mündet schließlich in eine Huldigung an Kaiser Augustus – da sah Ovid in ihm noch den großen Hoffnungsträger seiner Zeit.
Worin offenbart sich die große Kunst Ovids?
Im souveränen Umgang mit den verschiedensten Sprachebenen zeigt sich der rhetorisch geschulte Dichter; sein Tonfall bewegt sich spielerisch zwischen archaischem Pathos, philosophisch-didaktischem und bukolischem Stil. Mit leichter Hand verknüpft Ovid Stoffe unterschiedlichster Provenienz: uralte Schöpfungsmythen (Sintflut, Deukalion und Pyrrha) aus der »Theogonie« des Griechen Hesiod (um 700 v. Chr.), Mythenzyklen nach dem Vorbild Homers und der antiken Tragödie, altitalische Stoffe, die »Aeneis« des Vergil, aber auch volkstümliche Idyllen wie die Erzählung von dem liebenswerten alten Paar Philemon und Baucis, das von Jupiter als Dank für seine freigebige Bewirtung in Bäume verwandelt wird.
Die Götter, die immer wieder in das Geschehen eingreifen, um die sterblichen Protagonisten als Lohn oder Strafe für ihre Handlungen in belebte oder unbelebte Objekte zu verwandeln, sind menschlich gezeichnet und damit nicht mehr Hüter eines unabänderlichen Schicksals, das etwa in der griechischen Tragödie herrscht: Der Mythos ist sozusagen »säkularisiert« und die Menschen werden nur noch von ihren eigenen Affekten gesteuert.
Welchen Einfluss entfaltete Ovids großes Meisterwerk?
Obwohl die »Metamorphosen« wie die übrigen Dichtungen Ovids unter Augustus geächtet waren, wurde kaum ein anderes Werk in der Antike so viel gelesen. Trotz zahlreicher Übersetzungen, etwa durch Albrecht von Halberstadt im Jahr 1210, wirkte es weniger als direktes literarisches Vorbild denn als schier unerschöpfliche Motivquelle zur antiken Mythologie, aus der sich neben der Literatur besonders die bildende Kunst gern bediente.
Was ist über Ovids Leben bekannt?
Publius Ovidius Naso (43 v.Chr.–17/18 n.Chr.), besser bekannt als Ovid, entstammte dem Ritterstand der mittelitalienischen Landstadt Sulmo und erhielt eine gute Ausbildung. Nachdem er eine vielversprechende politisch-juristische Karriere begonnen hatte, wandte er sich ganz der Dichtkunst zu, unterstützt von einem Mäzen, was in der damaligen Zeit durchaus üblich war. Er bekleidete bedeutende Ämter und hatte das Wohlwollen des Kaisers Augustus, später fiel er jedoch bei ihm in Ungnade. Vergeblich versuchte er, seine Begnadigung zu erreichen, doch auch nach Augustus' Tod musste er in der Verbannung bleiben.
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