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Wanzen und Läuse: Pflanzensaft- und Blutsauger
Leben Wanzen und Läuse auf Kosten anderer?
Die meisten schon! Wanzen (Heteroptera), Pflanzensauger (Homoptera) und Tierläuse (Phthiraptera) ernähren sich auf ähnliche Weise: durch das Anstechen von Gewebe und Trinken von Gewebesäften. Daher gehören sie nicht gerade zu den beliebtesten Tieren; die meisten Arten werden als Schädlinge eingestuft.
Wanzen und Pflanzensauger werden in der Überordnung der Schnabelkerfe zusammengefasst. Ihre lateinischen Namen, die Ungleich- bzw. Gleichflügler bedeuten, beziehen sich auf die Beschaffenheit der Flügel: Bei den Wanzen haben die Vorderflügel im Unterschied zu den Hinterflügeln derbe Innenteile, bei den Pflanzensaugern sind beide Flügelpaare einheitlich dünnhäutig. Bekannte Schädlinge unter den Pflanzensaugern sind die Weißen Fliegen oder Mottenschildläuse (Familie Aleurodidae), die Blattläuse (Unterordnung Aphidina), die Schildläuse (Unterordnung Coccina) und die Schmier- oder Mehlläuse. Letztere verdanken ihren Namen den mehligen Wachsausscheidungen. Auch die Weißen Fliegen sind mit Wachsstaub gepudert, was sie vor Austrocknung und Nässe schützt; sie schmarotzen gern in Gewächshäusern. Bei den Schildläusen sind es nur die Weibchen, die sich unter ihrem Schild an der Wirtspflanze festsetzen.
Kommen Blattläuse ohne Männchen aus?
Im Prinzip ja, denn weibliche Blattläuse sind in der Lage, sich ungeschlechtlich zu vermehren, und können bei der Fortpflanzung auf männliche Hilfe verzichten.
Ganz so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint, ist es aber nicht. Blattläuse durchlaufen nämlich einen komplizierten Generationswechsel: Die Stammmutter gebiert jungfräuliche Töchter – die Jungfern, die sich durch Jungfernzeugung (Parthenogenese) vermehren. Die letzte Jungferngeneration eines Jahres jedoch bringt Männchen und Weibchen hervor. Nach deren Paarung legen die begatteten Weibchen Wintereier, aus denen im nächsten Jahr wieder Stammmütter schlüpfen.
Haben Schnabelkerfe wirklich einen Schnabel?
Ja, die Arten dieser Insektengruppe tragen alle ein schnabelähnliches Organ im Gesicht, mit dem sie ihrem parasitischen Nahrungserwerb nachgehen. Dieser »Schnabel« besteht aus einer langen, rinnenförmigen Unterlippe, die ein Stechborstenbündel enthält, und einer aus der Oberlippe gebildeten Abdeckung. Zugestochen wird nur mit den Stechborsten, die aus den umgewandelten Ober- und Unterkiefern entstanden sind und an ihrer Spitze Widerhaken tragen. Im Zentrum verlaufen zwei Leitungen mit »Einbahnstraßenregelung«: der Speichel- und der Nahrungskanal. Obwohl die Tierläuse nicht näher mit den Schnabelkerfen verwandt sind, verfügen sie über sehr ähnlich aufgebaute Mundstacheln – ein Zeichen dafür, dass die Evolution auf gute Ideen mehrfach kommen kann.
Sind Sommerwiesen verwanzt?
Eine Reihe von Wanzen-Familien lebt auf unseren heimischen Wiesen, wo sie sich von Pflanzensäften ernähren. Am artenreichsten sind die Schmal- oder Blindwanzen (Miridae). Schädlich werden sie, wenn sie sich auf Kulturpflanzen spezialisieren: So wechselte z. B. die Apfelwanze (Plesiocoris rugicollis), die früher Weiden und Erlen bevorzugte, zwischen 1900 und 1920 in Europa auf Apfelbäume und Johannisbeersträucher über. Auch die ungewöhnlich bunte Ritterwanze (Lygaeus equestris), die zu den Langwanzen (Familie Lygaeidae) gehört, hält sich im Sommer meist auf Wiesen auf und lebt von Pflanzensäften.
Droht uns Gefahr im Bett?
Manchmal schon: Die Menschenblut saugende Bettwanze (Cimex lectularius) spürt ihre Opfer nachts auf und verlässt sich dabei auf ihre Thermorezeptoren: Sinnesorgane, mit denen sie die Wärmeabstrahlung ihrer Opfer orten kann. Die Stiche selbst schmerzen kaum, wohl aber die Quaddeln, die sich später wegen der Stoffe bilden, die die Wanze zur Hemmung der Blutgerinnung in die Haut injiziert hat.
Die zur Familie der Plattwanzen zählenden lichtscheuen Tiere verstecken sich tagsüber in schmalsten Ritzen, in denen sie sich nur durch ihren Wanzengeruch verraten. Zwischen jeder ihrer fünf Häutungen muss die Bettwanze Blut saugen. Dadurch haben die nur 3–6 mm kleinen Plagegeister die gesamte Ordnung der Wanzen in Verruf gebracht.
Stinken alle Landwanzen?
Ja, Landwanzen verraten sich in den meisten Fällen durch den Geruch! In allen Entwicklungsphasen produzieren die Landwanzen übel riechende Verteidigungssekrete. Bei den Larven sitzen die dafür zuständigen Drüsen auf dem Hinterleib, bei den Vollkerfen auf der Oberseite der Brust.
Nicht nur der Mensch, auch die Fressfeinde der Wanzen (Ameisen zum Beispiel) finden den Geruch abschreckend; darüber hinaus enthält das Sekret oftmals ein lähmendes Kontaktgift, das den Chitinpanzer von Insekten dank einer Fett lösenden Komponente mühelos durchdringt. Auch bei den Wanzen selbst würde es tödlich wirken, verhinderte nicht der spezielle Bau der Drüsen und des Panzers, dass dieser mit dem Gift in Berührung kommt. Viele Arten können die Stinkdrüsen verschließen, bei den Bettwanzen sind sie hingegen ständig offen.
Hat der Mensch eine Insektenart erschaffen?
Ja. Denn die zwei bis vier Millimeter lange Kleiderlaus ist vermutlich erst aus der ursprünglicheren, ein bis zwei Millimeter kleinen Kopflaus hervorgegangen, nachdem die Menschen begannen, Kleidung zu tragen. Abgesehen von ihrer Größe unterscheiden sich beide Arten nur wenig voneinander, wohl aber in der Lebensweise. Kleiderläuse besiedeln Textilien und Haut, wobei sie Temperaturen von gut 30 °C bevorzugen. Kopfläuse kleben ihre Eier, die Nissen, in das Haupthaar ihrer Wirte, in dem sie sich ständig aufhalten. Die relativ geringe Eierzahl – 80 bis 100 im ganzen Leben – wird durch die kurze Generationsdauer von etwa drei Wochen wettgemacht. Wie viele Insekten, die ausschließlich von Blut leben, müssten die Kopfläuse an Vitaminmangel zugrunde gehen, würden sie nicht in Symbiose mit Bakterien leben, die ihnen die fehlenden Stoffe liefern.
Sind Wanzen gute Eltern?
Die meisten nicht, doch es gibt eine Art der Landwanzen, bei der sich die Mutter recht intensiv um den Nachwuchs kümmert. Während die meisten Wanzen nur durch das Ablegen der Eier auf der richtigen Wirtspflanze für einen guten Start ins Leben ihrer Nachkommenschaft sorgen, bleibt die Landwanze Elasmucha grisea beim Gelege, das sie auf ein Birkenblatt setzt und betreibt so Brutpflege. Bis die Larven nach 10–35 Tagen schlüpfen, verteidigt sie die 30–50 Eier gegen räuberische Insekten und die winzige, parasitierende Wespe Trichogramma, die ihre Eier in die anderer Insekten legt. Auch den Larven bietet sie Schutz; sogar die zweiten und dritten Stadien kehren noch ab und zu zur Mutter zurück.
Können Wanzen schwimmen?
Die meisten Landwanzen nicht, doch Wasserwanzen sind bestens für das Leben im feuchten Element ausgerüstet. Mehrfach im Laufe ihrer Stammesgeschichte haben sich Wanzen an den Lebensraum Wasser angepasst; die etwa 1600 bislang bekannten Arten werden in zehn Familien eingeteilt. Neben dem Verlust der Haftvorrichtungen an den Füßen und der Giftdrüsen, der Verkürzung der Fühler sowie der Umwandlung der Lauf- in Schwimmbeine haben sich vor allem besondere Atemorgane herausgebildet. Die Schwimmwanzen (Familie Naucoridae) zum Beispiel haben eine fein behaarte oberste Hautschicht, die einen Luftmantel festhält, der die Tiere mit Sauerstoff versorgt. Bei der einheimischen Art Aphelocheirus aestivalis, die ständig am Grund von Fließgewässern lebt, erneuert sich dieser Atemluftvorrat durch den Gasdruck des im Wasser gelösten Sauerstoffs von selbst, so dass die Wanze nie an die Oberfläche aufsteigen muss.
Eine Sonderrolle nehmen die größtenteils in den Tropen heimischen Riesenwanzen der Familie Belostomidae ein. Mit einer Körpergröße zwischen acht und elf Zentimetern zählen sie zu den größten Insekten überhaupt. Sie können sowohl fliegen als auch schwimmen. Im Wasser atmen sie – wie die auch bei uns vertretenen Skorpionswanzen (Familie Nepidae) – durch zwei Hinterleibsfortsätze, die sie zu einer Atemröhre zusammenlegen. Sie saugen Frösche, aber auch Fische aus. Auch die Rückenschwimmer (Familie Notonectidae) können – obwohl nur anderthalb Zentimeter lang – Fischzuchten empfindlich schädigen, da sie sich über die Fischbrut hermachen. Im Wasser bewegen sie sich auf dem Rücken liegend mit kräftigen Schlägen ihrer langen Hinterbeine fort. Fühlen sie sich bedroht, können sie sich durch schmerzhafte Stiche wehren; sie werden deshalb auch »Wasserbienen« genannt.
Wie entsteht Tannenhonig?
Auf den ersten Blick auf eine etwas unappetitliche Weise, denn diese Köstlichkeit stellen Bienen aus den Körperausscheidungen von bestimmten Läusen her.
Allgemein leben die Pflanzensauger von Säften, die sie den Siebröhren der Gefäßbündel entnehmen. Diese sind zwar arm an Eiweißen, aber überreich an Kohlehydraten. Daher scheiden die Pflanzenparasiten den Zuckerüberschuss als flüssigen Kot, den sog. Honigtau, wieder aus; zum Teil wandeln sie ihn auch in Wachs um, das sie über Drüsen absondern. Der Honigtau ist bei Ameisen und Bienen sehr begehrt. Manche Ameisenarten halten regelrechte »Blattlausherden« oder bauen aus Erde überdachte »Ställe«, in denen sie die Tiere melken. Wenn Honigbienen den Honigtau der auf Nadelbäumen lebenden Kienlaus Buchneria pectinatae gesammelt haben, dann bilden sie daraus den besonders hochwertigen Tannenhonig. Zwar schädigen die Kienläuse die Bäume und bremsen das Holzwachstum, aber dieser Nachteil wird durch den wertvollen Honig mehr als wettgemacht.
Was haben Schellack und Karmin mit Blattläusen zu tun?
Beide Rohstoffe wurden früher ausschließlich von Blattläusen hergestellt, Schellack von der Lackschildlaus (Laccifer lacca) und der Farbstoff Karmin von der ursprünglich in Mexiko heimischen Cochenilleschildlaus (Dactylopius cacti). Die Ausscheidungen der in Süd- und Südostasien gezüchteten Lackschildlaus ergeben den Schellack, der früher u. a. in der Industrie unentbehrlich war. Für ein Kilogramm Lack benötigte man 300 000 Schildläuse.
Sind Wanzen Land- oder Wassertiere?
Beides kommt vor. Die Wanzen teilen sich nämlich in zwei Unterordnungen auf, die Land- und die Wasserwanzen. Dabei zählen auf der Wasseroberfläche lebende Arten wie der bekannte Wasserläufer (Gerris lacustris) noch zu den Landwanzen. Das Leben an Land bzw. in der Luft schlägt sich bei den Landwanzen in längeren Fühlern, Haftorganen an den Füßen und Stinkdrüsen nieder. Bei den Wasserwanzen finden sich interessante Arten wie der Rückenschwimmer, die Ruderwanze und die Wasserskorpione, die trotz ihres Namens Insekten und keine Skorpione sind.
Wussten Sie, dass …
vor allem Kleiderläuse gefährliche Krankheiten wie z. B. Fleckfieber, Fünftagefieber und Europäisches Rückfallfieber übertragen?
Läuse, anders als Stechmücken, Krankheitserreger nicht beim Stechen übertragen, sondern über ihren Kot?
das Fleckfieber auch Kriegstyphus genannt wird? Es forderte in vielen europäischen Kriegen mehr Menschenleben als die eigentlichen Kampfhandlungen.
Was ist Manna?
Bei dem in der Bibel erwähnten Manna, das vom Himmel regnete, dürfte es sich um eingetrockneten Honigtau gehandelt haben, in diesem Fall von der Tamariskenschildlaus Trabutina mannipara. Noch heute wird es von Beduinen gegessen.
Wussten Sie, dass …
aus einem Kilogramm getrockneter, zermahlener Cochenilleschildläuse – rund 140 000 Tiere – lediglich 50 Gramm des begehrten Farbstoffs Karmin gewonnen werden können? Daher war Karmin einst den Herrschern vorbehalten.
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