Die Störerhaftung bezeichnet eine Rechtsnorm im deutschen Rechtssystem, die beispielsweise durch Vorschriften im Verwaltungs- oder Sachenrecht definiert wird. Im Speziellen geht es jedoch um Regelungen des Telemediengesetzes, welches mit ungeklärten Risiken für Betreiber privater beziehungsweise nebengewerblicher W-LAN-Netze verbunden ist. Demnach kann nämlich derjenige für eine Rechtsverletzung haftbar gemacht werden, der willentlich oder adäquat kausal dazu beiträgt – und das ohne tatsächlich Täter oder Teilnehmer zu sein.
Die Große Koalition hat kürzlich den Weg frei gemacht für eine Abkehr von der Störerhaftung, die damit ein höheres Maß an Rechtssicherheit für öffentliche W-LAN-Netze schaffen soll.
Was steht hinter dem Begriff „Störerhaftung“?
Die Störerhaftung ist gewissermaßen eine Art „Verbreiterhaftung“. Der Begriff ist so weit gefasst, dass Derjenige eine Rechtsverletzung begeht, der auf jede x-beliebige Art und Weise an der Verbreitung rechtlich problematischer Inhalte mitwirkt. In Zeiten von Smartphones und Tablets, die langsam aber sicher dem PC den Rang ablaufen, zählen offene W-LAN-Netzwerke in Cafés, Hotels und dergleichen zum Standard. Und um genau solche offenen Netzwerke geht es, wobei explizit auch private Netzwerke mit eingefasst werden. Begehen Nutzer nun mittels solcher Netze bestimmte Rechtsverletzungen, kann der Betreiber als sogenannter „Störer“ hierfür zur Verantwortung gezogen werden. Rechtlich eine Grauzone, die mit unabwägbaren Risiken für eine Vielzahl von Unternehmen verbunden war – eine abschließende Regelung stand daher schon seit Längerem im Raum.
Kürzlich gab es dann eine Vorentscheidung des Europäischen Gerichtshofes, wonach die Störerhaftung für Betreiber offener Funknetze abzuschaffen sei. Die Große Koalition nahm dies zum Anlass und einigte sich auf eine Streichung des entsprechenden Passus im dafür maßgeblichen Telekommunikationsgesetz. Nach anfänglichen Diskussionen über Art und Umfang der Gesetzesreform, sind letzte Details mittlerweile geklärt. Mit einem Inkrafttreten des novellierten Gesetzes wird bis Herbst 2016 gerechnet.
Was ändert sich für Anbieter von Hot-Spots?
Sollte das Gesetz tatsächlich in der jetzigen Form die entsprechenden Hürden nehmen, werden wesentliche Schlupflöcher für Abmahnanwälte geschlossen. Ein höheres Maß an Rechtssicherheit wäre gegeben. Im Folgenden werden die wesentlichen Änderungen in Stichpunkten festgehalten.
Änderung | Erläuterung |
W-LAN-Netzwerke müssen nicht verschlüsselt werden | Anders als ursprünglich gedacht, bleiben somit offene W-LAN-Hotspots auch erhalten. |
Bestimmte Sicherungsmaßnahmen fallen weg | Die Verpflichtung, den Hot-Spot mit geeigneten Mitteln weiter zu sichern und damit die Nutzung einzuschränken, entfällt. Möglich wäre bei Nachweis einer kriminellen Handlung jedoch ein Unterlassungsanspruch gegenüber dem Betreiber. Die bemängelte Rechtsverletzung muss dann zwingend unterbunden werden. |
„Systematische Verstöße“ | Kommt der Betreiber den Anforderungen aus der Unterlassungserklärung nicht nach, droht die Einordnung als „systematischer Verstoß“. In diesem Fall drohen juristische Konsequenzen, insbesondere kann der Anbieter in die Haftung genommen werden. |
Providerprivileg | Der Überbringer (Provider) ist inhaltlich nicht für das Überbrachte (Content) verantwortlich, sofern er nicht zeitgleich Urheber sei. Allerdings kann richterlich immer noch eine Anordnung ergehen, wonach bestimmte User vom Dienst auszuschließen sind. |
Was ändert sich für Nutzer?
Als Nutzer offener W-LAN-Netzwerke, etwa in der Hotel-Lounge, im Zug oder am Flughafen, wird es im Grunde nur wenige Änderungen geben. Wahrscheinlich ist jedoch eine Ausweitung der öffentlich zugänglichen W-LAN-Netzwerke in Deutschland, bedingt durch die rechtliche Besserstellung der Anbieter. Die höhere Rechtssicherheit, bedingt nur höhere Hürden seitens der Unterlassungsanspruchsteller, sorgt für eine breite Versorgung auch in weniger urbanen Gebieten.
Es ist anzunehmen, dass dies nur der Beginn einer tiefergehenden Umwälzung im Verständnis der deutschen Politik in Bezug auf Netzthemen sein wird. Der Anspruch, jeden Rechtsverstoß im Internet tatsächlich einer Person zuzuschreiben, wandelt sich. Das Internet ist nur in gewissem Maße kontrollierbar, Änderungen und Schulungen der Strafverfolgungsbehörden und zuständigen Ämter gewinnen an Bedeutung.
Nun wird es weiterhin möglich sein, auch ohne Passwortschutz (ergo: Anmeldung und Identifikation des Nutzers) in öffentliche W-LAN-Netze einzutreten und damit Teil der durchgreifenden Digitalisierung in Deutschland zu sein. Einige Beispiele sollen dies aufzeigen:
- Internetnutzung in Restaurants
Neben dem mobilen Internet des Providers können nun auch Restaurantbesitzer und Betreiber von Bars sowie Cafés ein offenes W-LAN für ihre Gäste einrichten. Wer beispielsweise mobil arbeitet, könnte dies theoretisch künftig auch in einer gastlichen Atmosphäre.
- Handynutzung im Stadion oder beim Public Viewing
Mobiles Internet im Stadion als offenes W-LAN ist vor allem für die Fans interessant, die während des Spiels kommunizieren wollen. Darüber hinaus bietet sich eine solche Option auch für Handy-Wetten an. Schließlich bieten viele Wettanbieter mittlerweile sehr umfangreiche und interessante Apps für Live-Wetten an. Mit einem schnellen W-LAN ließe sich hier auch beim Public Viewing einiges erreichen.
Hinweis: Als erste Regel für ein erfolgreiches mobiles Wetten gilt: Jeder User sollte auf jeden Fall die Sportwetten App ausgiebig testen, um hinterher unterwegs exakt zu wissen, wie sie sich am schnellsten bedienen lässt. (Quelle: sportwette.net)
Schwierigkeiten werden trotzdem auftreten, da viele Begriffe nicht eindeutig sind und sich daraus ein Interpretationsspielraum für Rechtsanwälte ergibt. Wesentliche Hürden stellen aber sicher, dass Anbieter nicht direkt bei einem Verstoß in Regress genommen werden – und somit das Interesse daran verlieren, offene W-LAN-Netzwerke überhaupt anzubieten.
Neue rechtliche Risiken für Anbieter von Hot-Spots?
Die über viele Jahre offensichtlich gewordenen Haftungsrisiken, gepaart mit einer unklaren Rechtsprechung, haben den Ausbau öffentlicher W-LAN-Netzwerke in Deutschland gebremst. Doch diese werden immer mehr zum Wettbewerbsnachteil, insbesondere in Branchen wie dem Gastronomie- oder Hotelgewerbe. Dort wo viele ausländische Gäste unterwegs sind, profitieren vor allem jene, die eine flächendeckende W-LAN-Vernetzung bieten. Zum Vergleich: In Deutschland gibt es durchschnittlich 1,87 W-LAN-Hotspots auf 10.000 Einwohner. Damit liegt das Land weit abgeschlagen und gerät gegenüber Ländern wie dem Vereinigten Königreich (28,67 auf 10.000 Einwohner) deutlich ins Hintertreffen.
Risiken bleiben dennoch in der Form bestehen, dass bei wiederholtem Missbrauch ein Unterlassungsanspruch durchgesetzt werden kann. Hierdurch können Anbieter, egal welcher Größe, zu umfangreichen Sicherungsmaßnahmen gezwungen werden. Und auch hier zeigen sich die realen Probleme einer effektiven, vom Nutzer auch akzeptierten Kontrolle offener W-LAN-Netzwerke.
Fazit und abschließende Bemerkungen
Jüngste Umfragen geben zu Protokoll, dass 59 Prozent der geschäftlichen und privaten Nutzer davor zurückschrecken, einen Hot-Spot anzubieten. Und das allein aufgrund der unklaren und vielfältigen Haftungsrisiken. 43 Prozent geben weiter zu Protokoll, dass ihr Nein zu einem offenen W-LAN-Netzwerk wegen allgemeiner Sicherheitsbedenken feststeht. Umstände, die nicht gerade eine positive Signalwirkung für einen weiteren, flächendeckenden Ausbau von W-LAN-Netzwerken einnehmen.
Nachdem der Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes im September 2015 beschlossen wurde, konnte am 11. Mai 2016 eine Einigung zwischen den Fraktionen der Großen Koalition im Deutschen Bundestag erzielt werden. Mit dem möglichen Inkrafttreten im Herbst 2016 werden wesentliche Weichen für eine neue Modernisierungs- und Digitalisierungswelle geschaffen, die Deutschland für den Ausbau ähnlich anderer Länder auch für Investoren interessant machen.