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Schizophrenie: Wenn das Ich sich auflöst

Sie gilt als die Krankheit mit den vielen Gesichtern: die Schizophrenie. Unter ihr litten nicht nur einige berühmte Künstler wie Friedrich Hölderlin oder Frederic Chopin. Selbst der Physiker Isaac Newton war schizophren, allerdings erst in hohem Alter. Obwohl diese Krankheit bis heute mit vielen Vorurteilen belastet ist, tritt sie häufiger auf als man denkt – gerade bei jungen Menschen. Wie man sie erkennt und was man tun kann, erklären wir hier.
Aktionsbündnis seelische Gesundheit/ NPO, 04.11.2015

 

Bei Schizophrenie verschwimmt die Grenze zwischen dem eigenen Ich und der Umgebung.

Thinkstock.com, IG-Royal

Ganz unvermittelt wollte der 18-jährige Holger nicht mehr zur Schule gehen. Es herrsche dort ein fürchterliches Klima, erklärt er seinen Eltern. Fast alle hätten etwas gegen ihn. Sie tuschelten und redeten hinter seinem Rücken. Auch das Handball-Training stellte Holger bald darauf ein und überwarf sich mit seinem Klavierlehrer. Zu Hause stand er stundenlang vor dem Spiegel und betrachtete sein Gesicht. Es wurde ihm alles zu viel, zu laut und zu grell. Er fühle sich von innen durch seine Gedanken und von außen durch die Menschen bedrängt.

So beginnt die Krankheitsgeschichte eines jungen Mannes, der an Schizophrenie erkrankt. Er ist damit kein Einzelfall, denn die "Krankheit mit den vielen Gesichtern" ist häufiger als man denkt: Etwa ein Prozent der Bevölkerung sind betroffen, allein in Deutschland gibt es rund 800.000 Schizophrenie-Kranke. Damit treten schizophrene Psychosen immerhin fast genauso häufig auf wie ein insulinpflichtiger Diabetes.

Woran erkennt man eine Schizophrenie?

Am häufigsten manifestiert sich die Schizophrenie zwischen Pubertät und dem 30. Lebensjahr – unser Beispielpatient Holger ist damit ein ziemlich typischer Fall. Charakteristische Anzeichen für eine Schizophrenie sind Denkstörungen, Störungen des Gefühls, Störungen des Ich-Erlebens, Wahnvorstellungen und Halluzinationen.  

So beginnen die Gedanken zu stocken oder geraten durcheinander, die Beziehung zwischen einzelnen Gedanken, Worten oder Sätzen kann verloren gehen. Die emotionale Stimmung schwankt zwischen einer depressiven Verstimmung und Ausgelassenheit hin und her und kann oft ganz unvermutet umschlagen. Häufig passt die Gefühlslage nicht zur Situation.

Aufgelöstes Ich

Am bekanntesten und für die Betroffenen besonders angsteinflößend sind Störungen des Ich-Erlebens: Die Betroffenen empfinden ihre eigenen Gedanken als fremd, als ob sie ihnen eingeflößt werden. Die Grenze zwischen dem eigenen Ich und der Umgebung verschwimmt. Für die Betroffenen ein extrem unerträglicher Zustand. „Ich löse mich körperlich auf, ich spüre, wie die ohnehin sehr dünne Linie, die Kontur, die mich sonst vom Außen trennt, Risse bekommt“, so beschreibt es eine Betroffene.

Diese Symptome machen die Erkrankung so bedrohlich für die Betroffenen, die Angehörigen und die Öffentlichkeit. „Noch immer ist eine Schizophrenie mit vielen Vorurteilen belegt“, betont Wolfgang Gaebel, Vorsitzender des Aktionsbündnisses Seelische Gesundheit.

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