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Notfall Hirnschlag
Rund 270.000 Menschen erleiden in Deutschland jährlich einen Schlaganfall – eine lebensbedrohliche Durchblutungsstörung im Gehirn. Durch Blutgerinnsel oder Gefäßrisse werden bestimmte Bereiche des Denkorgans dabei nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Sie können nicht mehr richtig arbeiten und drohen abzusterben.
"Ein Schlaganfall kommt allerdings nicht – wie man meinen könnte – schlagartig. Man spricht von einem Schlaganfall bei einer mehr als 24 Stunden anhaltenden Störung der Gehirnfunktion", erklärt Ricardo Baumann von der SRH Fernhochschule in Riedlingen. Je länger die Durchblutungsstörung anhält, desto schwerwiegender sind die Folgen: Bei jedem fünften Betroffenen endet der Schlaganfall tödlich. Von den überlebenden Patienten sind rund 60 Prozent langfristig auf Therapie, Hilfsmittel oder Pflege angewiesen.
Schnelle Gewissheit mit FAST
Aus diesem Grund zählt in einer solchen Situation jede Minute. Doch wie lässt sich ein Hirnschlag überhaupt erkennen? Typische Symptome der beeinträchtigten Gehirnfunktion können plötzliche, starke Kopfschmerzen, Schwindel und Lähmungserscheinungen sein. Auch das Sehvermögen und die Sprache sind häufig gestört.
Mithilfe des sogenannten FAST-Tests können selbst Laien schnell erkennen, ob sie es womöglich mit einem Schlaganfall zu tun haben. Die Buchstaben stehen dabei für folgende englische Begriffe:
1. F für Face (Gesicht): Kann die betroffene Person normal lächeln oder ist das Gesicht dabei halbseitig verzogen und wirkt schief?
2. A für Arms (Arme): Ist der Betroffene dazu in der Lage, beide Arme gleichzeitig nach vorne strecken?
3. S für Speech (Sprache): Kann die Person einen einfachen Satz klar und deutlich nachsprechen oder klingt ihre Sprache unklar?
4. T für Time (Zeit): Wenn der Betroffene mit einer dieser Aufgaben Schwierigkeiten hat, gilt es keine Zeit zu verlieren. Es muss rasch der Notruf gewählt werden.
Notruf 112 wählen
Deuten die Zeichen auf einen Schlaganfall hin, ist die 112 die richtige Nummer. Beim Gespräch mit der Leitstelle sollte der Anrufer die Situation besonnen schildern – und wenn möglich, auch die Uhrzeit nennen, zu der die Symptome ungefähr begonnen haben. Bis der Rettungswagen kommt, sollte der Betroffene dann nicht mehr alleine gelassen werden.
Experten empfehlen, Patienten, die bei Bewusstsein sind, mit leicht erhöhtem Oberkörper ruhig zu lagern – zum Beispiel mit einem Kissen im Rücken – und beruhigend mit ihnen zu sprechen. Kommt es zu Erbrechen oder Bewusstlosigkeit, empfiehlt sich dagegen die stabile Seitenlage. In diesem Fall ist es wichtig, immer wieder den Puls und die Atmung zu kontrollieren. Sind Puls oder Atmung nicht mehr feststellbar, muss sofort mit Wiederbelebungsmaßnahmen begonnen werden.
Verstopfung oder Blutung?
Im Rettungswagen und im Krankenhaus werden Mediziner schließlich mit der akuten Therapie des Schlaganfalls beginnen. Dafür müssen sie zunächst die genaue Ursache kennen: In 80 Prozent der Fälle geht die verminderte Durchblutung des Gehirns auf ein verstopftes Blutgefäß zurück – Experten sprechen dann von einem ischämischen Infarkt.
Ein Schlaganfall kann jedoch auch durch eine Blutung verursacht werden. Reißt ein Hirngefäß, tritt Blut in das umliegende Gewebe ein und die nachfolgenden Gebiete werden nicht mehr richtig versorgt.
Je nach Ursache unterscheiden sich die medizinischen Maßnahmen: Liegt eine Blutung vor, gilt es, diese schnellstmöglich zu stoppen. Beim ischämischen Schlaganfall ist dagegen die Auflösung der Verstopfung gefragt. Dies geschieht oft durch Blutgerinnsel-auflösende Mittel. Das Zeitfenster für diese sogenannte systemische Thrombolyse ist allerdings eng: Sie sollte möglichst innerhalb von viereinhalb Stunden nach dem Auftreten der ersten Symptome beginnen.
Vermeidbare Risikofaktoren
Kann die Durchblutung des Gehirns schnell wiederhergestellt werden, sinkt das Risiko für bleibende Behinderungen oder gar den Tod deutlich. Noch besser wäre allerdings natürlich: Es kommt gar nicht erst zum Ernstfall. Einige Risikofaktoren für Schlaganfall lassen sich zwar nicht beeinflussen. Neben der genetischen Veranlagung ist das vor allem das Alter: Immerhin 50 Prozent aller Schlaganfälle ereignen sich in der Altersgruppe der über 75-Jährigen.
Andere Einflussgrößen liegen dagegen sehr wohl in unserer Hand. Denn auch Übergewicht, Bewegungsmangel, Rauchen und Alkoholkonsum erhöhen das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden – Faktoren, die vermeidbar sind. "Wenn es einem gelingt, sich zu motivieren, dann ist man auf dem richtigen Weg, um einem Schlaganfall vorzubeugen", sagt Baumann. Dass es sich lohnt, zeige das Beispiel Rauchen: "Fünf Jahre nach der letzten Zigarette ist das Schlaganfallrisiko genauso niedrig wie das eines Nichtrauchers."