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Erfolgreiche Politiker: Welche Rolle spielt das Äußere?

Ob Bundestagswahl, Landtagswahlen oder die Midterm-Wahlen in den USA: Was bestimmt eigentlich, welche Politiker dabei Erfolg haben? Sind es wirklich nur die Parteizugehörigkeit oder die politischen Versprechungen? Nicht unbedingt. Denn unsere Wahlentscheidung wird oft stärker von Äußerlichkeiten beeinflusst, als wir vielleicht denken.
NPO, 22.10.2018

Da die allermeisten Menschen Werbung wenig Zeit und Aufmerksamkeit schenken, fokussiert diese auf optische Reize und nicht so sehr auf Inhalte. Auf Wahlplakaten stehen daher meist Personen und nicht Slogans im Mittelpunkt.

iStock.com, MichaelJay

Es ist kein Zufall, dass auf vielen Wahlplakaten Gesichter zu sehen sind. Denn das Aussehen eines Politikers oder einer Politikerin kann durchaus eine Rolle bei der Wahlentscheidung spielen – vor allem dann, wenn die Wähler eher unschlüssig sind oder sich die Inhalte von Parteien nur wenig unterscheiden. Ebenfalls wichtig ist das Charisma – jene schwer zu greifende Fähigkeit, Menschen zu packen und am besten noch mit der Stimme sozusagen einzuwickeln.

Wahl nach bloßem Augenschein?

Aber lassen wir uns wirklich so sehr von Äußerlichkeiten verleiten – sogar bei so etwas Wichtigem wie einer Wahl? Die Antwort ist ja. Das belegt unter anderem Studie, die Forscher im Jahr 2016 durchgeführt haben. Dafür zeigten sie ihren Versuchspersonen Portraitbilder von Politikern, die für den US-Senat kandidiert hatten. Die Probanden sollten nun jeweils angeben, für wie vertrauenswürdig, kompetent, attraktiv und "milchgesichtig" sie die Politiker hielten – und ob sie denjenigen wählen würden.

Das Ergebnis zeigte: Die Kandidaten, deren Gesichter nach Einschätzung der Versuchspersonen Kompetenz ausstrahlten, waren auch diejenigen, die tatsächlich bei der Wahl Erfolg hatten. Allein das kompetente Aussehen reicht vielen Wählern offenbar schon aus, um diesen Politikern ihre Stimme zu geben. Wer zwar kompetent ist, aber nicht danach aussieht, hat dagegen kaum Chancen.

Ähnliches gilt auch für Politikerinnen – auch bei ihnen zählt das Aussehen. Sie profitieren allerdings eher von einem klassisch weiblich-femininen Aussehen, wie eine Auswertung der US-Kongress- und Gouverneurswahlen von 1998 bis 2010 kürzlich ergab. Das Ergebnis: Je femininer das Gesicht einer Frau erscheint, desto mehr Stimmen erhält sie. Trägt ihr Gesicht dagegen eher herbere, maskuline Züge, hat sie schlechte Karten.

Drei aktuelle US-Senatoren – Verdanken sie einen Teil ihres Erfolges auch dem Aussehen?

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United States Senate

Verrät das Gesicht unsere Persönlichkeit?

Aber woran liegt das? Dahinter steckt die enorme Bedeutung, die die Gesichtszüge für uns und schon unsere Vorfahren hatten. Am Gesicht und der Mimik erkennen wir, ob wir unser Gegenüber kennen oder nicht und in welcher Stimmung er ist. Unser Gehirn verarbeitet für diese Einschätzung blitzschnell die Details. Innerhalb von Millisekunden, entsteht ein erster Eindruck über Merkmale wie die Attraktivität oder den Bekanntheitsgrad. Der Gesichtererkennung ist sogar ein ganz eigenes Areal unseres Denkorgans gewidmet.

Aber nicht nur das: Wir glauben auch instinktiv, dass wir den Charakter eines Menschen an seinem Gesicht ablesen können. So gilt ein Mensch mit kantigem Kinn und breiten Gesichtszügen als durchsetzungsfähig und kompetent. Kleine, eng stehende Augen und schmale Lippen werden dagegen eher als unehrlich, verschlagen wahrgenommen. Das Problem dabei: Zwar kann unsere Mimik durchaus ein Indikator unseres Wesens sein, unsere bloßen Gesichtszüge aber sind es keineswegs, darin sind sich Forscher einig. Dennoch hält sich der Glaube an das Gesicht als Indikator der Persönlichkeit hartnäckig – und kann daher unbewusst auch unsere Wahlentscheidung beeinflussen.

Vorher-Nachher-Bild mit Brille: SPD-Politiker Heiko Maas.
Mehr Erfolg mit Brille

Es gibt aber einen Trick, um den "Face-ism" der Wähler zumindest teilweise auszutricksen: einfach eine Brille aufsetzen. Das enthüllte vor kurzem ein Experiment der Kölner Forscherin Alexandra Fleischmann und ihres Teams. Dafür manipulierten die Psychologen Bilder von schwedischen Politikerinnen und Politikern, indem sie diesen mal eine Brille hineinretouschierten und mal nicht. Versuchspersonen wurden dann gefragt, ob sie die Person wählen würden oder nicht.

Das Ergebnis: "Es zeigte sich, dass die Personen mit von uns reingeschnittenen Brillen als kompetenter eingeschätzt wurden und es leichter hatten, gewählt zu werden", berichtet Fleischmann. "Dieser Effekt stellte sich erstaunlicherweise auch dann ein, wenn wir den Probandinnen offen gesagt hatten, dass der Politiker die Brille nur deshalb aufsetzt, um kompetenter zu erscheinen." Das bedeutet: Wer gewählt werden will, sollte sich ruhig häufiger mal mit Brille sehen lassen – egal ob sie Fensterglas enthält oder nicht.

Umberto Bossi vor (l.; 1994) und nach (r.; 2012) dem Hirnschlag, der eine Stimmveränderung verursachte.

Links: Camera dei Deputati ; rechts: Mercuri88 / CC BY-SA 3.0

Verführt durch die Stimme?

Aber es ist nicht nur das Aussehen eines Politikers – auch seine Stimme kann unsere unbewussten Vorlieben durchaus beeinflussen. Das demonstriert der Fall des italienischen Politikers Umberto Bossi: Lange Zeit galt der Minister im Kabinett von Silvio Berlusconi als eher autoritär und dominant. Doch 2004 erlitt Bossi einen Hirnschlag und konnte erst vier Jahre später wieder seinen Posten antreten.

Das Seltsame dabei: Obwohl der Politiker die gleichen Inhalte wie vorher vertrat und sich äußerlich wenig verändert hatte, schätzten ihn seine Wähler nun völlig anders ein: Jetzt hielten sie ihn für zwar kompetent, aber gutmütig. Aber warum? Das Geheimnis war die Stimme: Vorher war Bossis Stimme eher tief und durch eine große Spannbreite von Tonhöhenänderungen gekennzeichnet. Das vermittelte Dominanz und Respekt. Nach dem Hirnschlag jedoch war Bossis Stimme eher flach und hatte weniger Modulationen – und das machte sie weniger dominant.

Auch andere Studien bestätigen diesen Stimmeffekt: Besitzt ein Politiker eine tiefe Stimme, wirkt er auf potenzielle Wähler vertrauenswürdiger, kompetenter und durchsetzungsfähiger. Das gilt sowohl für Frauen als auch für Männer. Das Erfolgsgeheimnis von Politikern liegt demnach auch in ihrer Kehle.

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