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Wilhelm der Eroberer: Ein Normanne auf dem englischen Thron

Was brachte Wilhelm den Eroberer nach England?

Ein Streit um die Thronfolge: Als König Eduard der Bekenner 1066 ohne direkte Nachkommen starb, bestimmte er auf dem Totenbett seinen Schwager Harald zum neuen König von England. Doch jenseits des Kanals regte sich Widerstand. Dort siedelten die Normannen, deren Herzog Wilhelm ebenfalls Ansprüche auf den englischen Thron erhob.

Wie begründete der Herzog seinen Anspruch?

Entfernt war auch Wilhelm mit Eduard verwandt. Außerdem konnte er sich auf ein Versprechen berufen: 1064 hatte ihm Eduard die Nachfolge zugesichert. Wilhelm dachte gar nicht daran, auf die englische Krone zu verzichten, und erreichte beim Papst die formelle Billigung seines Thronanspruchs. Die Zeichen standen auf Krieg. Wilhelm traf Vorbereitungen für die Invasion. Er wusste, dass die Größenordnung dieses Unternehmens weit über die Möglichkeiten seines Herzogtums hinausgehen würde. Also warb er für seine Armee Ritter aus Nordfrankreich und Flandern an.

Um 1027 als illegitimer Sohn Herzog Roberts von der Normandie geboren, hatte Wilhelm schon früh gelernt sich durchzusetzen. Nach dem Tod des Vaters war er kaum zehnjährig unversehens zum Herzog geworden. Intrigen und politische Machenschaften überstand der junge Fürst, den seine Zeitgenossen »den Bastard« nannten, anfangs nur mit Hilfe der Mutter. Später beherrschte er die Werkzeuge der Macht perfekt und sicherte sich gewaltsam seine Autorität in der Normandie.

Wie verlief die Eroberung?

Zunächst sehr erfolgreich. Als Wilhelms Invasionstruppen Ende September des Jahres 1066 an der englischen Kanalküste landeten, war der Angelsachse Harald schon auf dem Weg, um sich den Normannen zu stellen und seinen Thron zu verteidigen. Am 14. Oktober trafen die beiden Heere in der berühmten Schlacht von Hastings aufeinander: Harald fiel, die englischen Truppen flohen, und am Weihnachtstag 1066 ließ sich der Normanne, wie seither alle englischen Herrscher, in der Londoner Westminster Abtei als Wilhelm I. krönen.

Doch damit war der Kampf nicht zu Ende: Der angelsächsische Adel wollte den neuen König nicht anerkennen, leistete Widerstand. Erst 1071 hatte Wilhelm alle Aufstände niedergeschlagen und sich das Land vollständig unterworfen. Die rebellierenden Grundbesitzer wurden mit Enteignung bestraft, ihre Güter an normannische Adelige übergeben. Auch die führenden Amtsträger der Kirche ersetzte Wilhelm durch Landsleute aus der Normandie. So bestand nach einiger Zeit praktisch die gesamte englische Oberschicht aus Normannen. Als Wilhelm 1086 mehrere Kommissionen übers Land schickte, um eine Bestandsaufnahme aller Güter und Einkommensquellen des Reichs anzulegen, gab es in ganz England nur mehr zwei angelsächsische Adlige mit nennenswertem Grundbesitz.

War Wilhelm gerne König von England?

Wohl nicht. Es heißt, Wilhelm sei letztlich nicht allzu glücklich gewesen über sein neu erobertes Reich und die Schwierigkeiten, die es ihm bereitete. Zu Hause in der Normandie blickte man zudem skeptisch über den Kanal auf die Machtfülle des Herzogs und Königs. Seit etwa 1072 verbrachte Wilhelm daher die meiste Zeit in Frankreich, wo er in allerlei politischen Ränkespielen und in großen und kleinen Kriegen seine Stellung als Herzog der Normandie behaupten musste. Im Zuge einer dieser Auseinandersetzungen mit dem französischen König Philipp I. wurde Wilhelm im Juli 1087 verwundet und starb am 9. September in Rouen an den Folgen seiner Verletzung.

Wer wurde Wilhelms Nachfolger?

Das französische Stammland des Normannen ging, wie es die Tradition vorsah, an seinen ältesten Sohn Robert. Der zweitälteste Sohn erhielt England und bestieg noch im September als König Wilhelm II. den Thron. Damit war die Dynastie der normannischen Könige Englands etabliert und mit ihr das für England neue Prinzip der erblichen Thronfolge.

Woher kamen die Normannen?

Ursprünglich aus Dänemark. Wilhelm I. von England war ein Nachkomme jener dänischen Wikinger, die seit 896 in der Seine-Mündung siedelten und dem Frankenreich erfolgreich die Stirn boten. Der ständigen Konflikte müde, verlieh der Frankenkönig 911 den Normannen – so wurden die wehrhaften Eindringlinge aus dem Norden genannt – das Herzogtum Normandie. Im 11. Jahrhundert, etwa gleichzeitig mit Wilhelms Eroberung von England, entstand im Süden Europas noch ein weiteres mächtiges Normannenreich: Robert Guiscard eroberte die byzantinischen und langobardischen Gebiete in Unteritalien und vertrieb die Araber aus Sizilien.

Wussten Sie, dass …

Harald selbst es gewesen war, der als königlicher Gesandter Wilhelm den englischen Thron versprochen hatte?

Wilhelms Halbbruder, Bischof Odo von Bayeux, Ende des 11. Jahrhunderts den berühmten Teppich von Bayeux anfertigen ließ, einen 70 Meter langen bestickten Wandbehang, der von der normannischen Eroberung Englands erzählt?

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