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Stichwort Sucht

Gesa Gunturu

Einleitung

Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass in alten Kulturen der Konsum von Rauschmitteln häufig eine ritualisierte Angelegenheit war, reserviert für bestimmte Anlässe und Personenkreise. Eine gewisse Beschränkung gab es immer, denn keine produktive Gesellschaft kann sich eine Bevölkerung von selig träumenden "Aussteigern" gönnen. Andersherum kann es vermutlich kein Mensch auf Dauer ertragen, ein stets effizientes, braves und gesundes Leben zu führen, ohne ab und zu, in welcher Form auch immer, über die Stränge zu schlagen.
Die "kleinen Fluchten" sind ein Bestandteil unseres Daseins, die es erträglicher machen: das Nutellabrot, die Kneipentour Samstag Abend. Wie so oft kommt es auf das rechte Maß an. Es gibt jedoch nicht wenige Fälle, bei denen die Grenze überschritten wird zu einer, wenn auch nicht immer körperlichen, so doch emotionalen Abhängigkeit von den kleinen Tröstern. Die Betroffenen sind überzeugt, nicht mehr ohne diese Hilfsmittel in Flaschen-, Pulver-, Kuchen-, Zigaretten- oder Tablettenform auszukommen.

Was kann die Gesellschaft gegen die Entstehung von Sucht tun? Soll man umfassendere Verbote von Suchtmitteln erlassen? Gourmets genießen ihr Gläschen Cognac nach dem Essen. Ihr Protest dürfte beträchtlich sein, sollte es eines Tages eine Prohibition geben. Viele Menschen verleben unterhaltsame Stunden in der Spielbank - soll man sie schließen, weil einige wenige von Spielsucht ergriffen werden? Und ist etwa die Pharmaforschung grundsätzlich "böse", weil sie gefährliche Substanzen herstellt? Unzählige Schmerzpatienten sind auf neue Medikamente angewiesen, um ihre Leiden zu verringern.
Gesetze üben eine wichtige Kontrollfunktion aus, wenn es um den Schutz der Allgemeinheit vor hochgiftigen Stoffen geht. Niemand kann ernstlich befürworten, dass Opiate im Supermarkt verkäuflich sein sollten. Aber Verbote von allem und jedem nutzen wenig. Nicht das Vorhandensein von potenziell süchtig machenden Substanzen ist das Grundübel, sondern die Veranlagung des Einzelnen, in ihnen einen Ausweg aus seinen Problemen zu sehen.

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