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Perpetuum mobile: Möglich oder nicht?
Was ist ein Perpetuum mobile?
Der Wunschtraum von Erfindern aller Zeiten: eine Maschine, die sich ohne Energiezufuhr von selbst und unablässig bewegt und dabei Arbeit leistet. Unzählige Forscher haben versucht, ein solches Perpetuum mobile (lateinisch für »dauernd beweglich«) zu konstruieren.
Bis heute sind immer wieder Modelle ersonnen worden, die sich zum Teil sogar jahrelang antriebslos zu bewegen schienen, aber keine dieser Maschinen hat wirklich – wie versprochen – ohne Energiezufuhr Arbeit geleistet. Diese Geräte ziehen ihre Energie oft aus der Schwerkraft. Hilfreich sind zudem feinmechanisch hochpräzise und fast reibungsfrei laufende Bauteile. Diese Maschinen befinden sich in einem so fein austarierten Gleichgewicht, dass Energieverluste – wie sie etwa durch Reibung, aber auch durch geleistete Arbeit entstehen – durch die von der Erde gelieferte Schwerenergie »heimlich« ausgeglichen werden. Doch alles Mühen ist vergeblich. Ein Perpetuum mobile ist nach den physikalischen Gesetzen unmöglich, denn es verletzt den Energieerhaltungssatz, quasi das Grundgesetz der Physik und damit aller Naturwissenschaften überhaupt. Er besagt, dass sich Energie nicht aus dem Nichts erzeugen lässt, also keine Arbeit ohne Energiezufuhr von außen geleistet werden kann.
Was ist Unordnung?
Für die Physik nichts Verwerfliches, sondern ein Zustand, den alle Systeme von selbst einzunehmen anstreben. Der österreichische Physiker Ludwig Boltzmann definierte die unanschauliche, aber dennoch sehr wichtige Größe Entropie, mit der sich der Grad der »Unordnung« eines Systems quantifizieren lässt. Der nach dem Energieerhaltungssatz zweite wichtige Hauptsatz der Wärmelehre besagt, dass die Entropie eines geschlossenen Systems immer zunimmt oder bestenfalls gleich bleibt. Nur durch Austausch mit der Umgebung kann die Entropie zeitweise auch wieder sinken. Schülern ist das vertraut: Sie müssen täglich erhebliche Arbeit investieren, um die Unordnung auf dem Schreibtisch und in ihrem Zimmer auch nur einigermaßen in Grenzen zu halten.
Dieser zweite Hauptsatz lässt sich übrigens rein statistisch begründen. Betrachten wir die 32 Karten eines Skatblatts, ein im Vergleich zur Luft in einem Zimmer mit ihren etwa 1028 Molekülen sicherlich winzig kleines System. Theoretisch wäre es durchaus möglich, dass durch Mischen alle Karten nach Farbe und Kartenwert sortiert werden. Dies ist aber nur eine einzige unter 2,6 • 1035 möglichen Anordnungen nach dem Mischen, von denen fast alle eine wahllose Reihenfolge der Karten aufweisen. Mit anderen Worten: Die Unordnung nimmt einfach deshalb zu, weil sie so unvorstellbar viel wahrscheinlicher als die Ordnung ist!
Warum läuft die Zeit nicht rückwärts?
Das kann die moderne Physik nicht wirklich beantworten. Diese Frage, auf die wohl nur Physiker und Philosophen kommen, lässt sich nur mit dem Hinweis auf den zweiten Hauptsatz klären – »vorwärts« und »rückwärts« wird nämlich genau dadurch definiert, dass Naturvorgänge so ablaufen, dass die Entropie zunimmt.
Merkwürdigerweise sind fast alle Naturgesetze so formuliert, dass es egal ist, ob die Zeit vorwärts oder rückwärts läuft. Und auch für Atome oder Elektronen ist mit wenigen Ausnahmen die Richtung der Zeit irrelevant. Erst auf der makroskopischen Ebene gibt es Prozesse, die nur in einer Richtung ablaufen können: Ein Glas kann nur zerspringen, es kann sich nicht von selbst aus den Scherben wieder komplett zusammensetzen. Ebenso kann man zwar leicht Rotwein auf einem Teppich verschütten, ihn aus dem verfleckten Teppich wieder ins Glas zu befördern, ist aber selbst mit Hilfsmitteln sehr schwierig, von allein würde dies nie geschehen.
Woran verzweifelte Ludwig Boltzmann?
An der Schwierigkeit seines Forschungsgebiets und der Unfähigkeit seiner Zeitgenossen, seine Erkenntnisse zu verstehen. Ruhm wurde dem 1844 in Wien geborenen Physiker erst nach seinem Freitod im Jahr 1906 zuteil. Heute gilt er als einer der wichtigsten Wegbereiter der Wärmelehre. Ihm zu Ehren nennt man die Konstante, mit der zwischen Energie- und Temperaturgrößen umgerechnet wird, Boltzmann-Konstante.
Boltzmann führte den Begriff der Entropie ein, mit dem sich Fragen der Ordnung oder Unordnung ähnlich wie Energieprobleme behandeln lassen. Als Erster interpretierte er Wärme als die ungeordnete Bewegungsenergie der Moleküle und er fand den fundamentalen Zusammenhang zwischen Entropie und Wahrscheinlichkeit. Sein revolutionärer statistischer Ansatz war bahnbrechend, doch für Zeitgenossen zu komplex.
Wussten Sie, dass …
man zwei Arten von Perpetua mobila unterscheiden kann? Ein Perpetuum mobile 1. Art schafft sich seine Antriebsenergie selbst (Verstoß gegen die Energieerhaltung), eines 2. Art wird durch die Umgebungswärme angetrieben (Verstoß gegen den 2. Hauptsatz der Thermodynamik).
die französische Akademie der Wissenschaften schon 1775 keine Arbeiten zum Perpetuum mobile mehr annahm? In den meisten Ländern nehmen auch die Patentämter keine Anmeldungen für ein Perpetuum mobile entgegen.
Boltzmanns Grabstein eine physikalische Formel trägt? Auf dem Stein des Ehrengrabs ist der Zusammenhang zwischen der Entropie S und der Zahl W der möglichen Systemzustände eingraviert: S = k log W. Die Konstante k ist nach Boltzmann benannt.
man die in einem System kodierte Information mit dessen Entropie messen kann? Dieser Lehrsatz der Informationstheorie wurde 1948 von Claude E. Shannon aufgestellt.
die Entropie wichtige praktische Anwendungen hat? Mit ihr lässt sich berechnen, ob und unter welchen Bedingungen chemische Reaktionen von selbst ablaufen oder wie effektiv Kraft-Wärme-Maschinen arbeiten.
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