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Anfänge und Antike – der Mensch rückt in den Mittelpunkt

Obwohl der Mensch bereits vor 2,5 Millionen Jahren die ersten Steinwerkzeuge benutzte, können wir seine frühesten uns bekannten Kunstwerke erst auf eine Zeit datieren, die nicht länger als 35000 Jahre zurückliegt. Allerdings zeugen diese Höhlenmalereien und Skulpturen bereits von einer so hohen künstlerischen Reife, dass man sie zunächst für Fälschungen hielt, als sie in der Neuzeit entdeckt wurden.

Mit der Entstehung der frühen Hochkulturen erreichte auch das Kunstschaffen des Menschen neue Höhepunkte. Es erlaubt uns tiefe Einblicke in das damalige Weltbild. Während in der Altsteinzeit das Tier bevorzugtes Thema der Kunst war, wurde sich der Mensch in den Hochkulturen zunehmend seiner Bedeutung und seines Wesens bewusst. Er rückte sich selbst und die menschengestaltig gedachten Götter in den Mittelpunkt seiner Kultur und seines Kunstschaffens. Zu den frühen Kunstzentren zählen neben Mesopotamien, Ägypten und Kreta die Indus-Kultur, das bronzezeitliche China sowie die Kultur der mexikanischen Olmeken.

Fabeltiere spielten in der Kunst der Hochkulturen nach wie vor eine Rolle, der Greif etwa, der Sphinx oder der babylonische Schlangendrachen. Besonderes Interesse verdienen die bronzezeitlichen Gefäße Chinas, deren kunstvolles Dekor mythische Tiere wiedergibt, die in ihrer Ausführung einen engen Bezug zur Kunst der Steppenvölker aufweisen.

Die verschiedenen Kulturen standen in engem Kontakt miteinander, was sich auch im Austausch von künstlerischen Motiven widerspiegelt. Griechenland nahm Anregungen aus Ägypten und dem Vorderen Orient auf, integrierte sie in seine Kunst und beeinflusste seinerseits die Kunst der Etrusker und Römer. Die römische Kunst dominierte ein Weltreich und wurde so grundlegend für das Kunstschaffen Europas.

Höhlenmalerei der Altsteinzeit: Bilder im Herzen der Erde

Wie alt sind die Höhlenmalereien?

Erste Zeichnungen und Ritzungen von Tieren und stilisierten Frauen gab es schon seit rund 33000 v.Chr. im so genannten Aurignacien; doch im Magdalénien erlebte die Malerei eine 10000-jährige Blüte, vor allem im Südwesten Europas. Die Bilder wurden mit Erdfarben gemacht und sind mit Pinsel oder Blasrohr aufgetragen. Zumeist handelt es sich um einzelne Figuren ohne Beziehung zueinander und ohne einheitliche Größe. Oft überlagern sie sich in mehreren Schichten.

Was wird dargestellt?

Die häufigsten Darstellungen gelten der Jagdbeute: Mammut, Wisent, Auerochse, Pferd, Rentier, Hirsch, Fisch und Vogel, aber auch Raubtiere wie der Bär kommen vor. Daneben gibt es Jäger und seltsame Mischwesen sowie abstrakte Zeichen – die weibliche Scham als Fruchtbarkeitssymbol oder negative Handabdrücke – die vielleicht einen zeremoniellen Hintergrund haben.

In der Höhle von Rouffignac (um 22000 v.Chr.) überwiegen noch Gravierungen und einfarbige Bilder vor allem von Mammuts und Nashörnern. In der etwas jüngeren Tropfsteinhöhle von Pech-Merle wurden zwei Pferde über eine längere Zeit hinweg immer wieder mit farbigen Punkten »getroffen«. Das bekannteste Bild in der nach ihren Entdeckern benannten Höhle Les Trois Frères (um 18000 v.Chr.) ist der aus verschiedenen Lebewesen zusammengesetzte »Zauberer«.

Fand eine künstlerische Entwicklung statt?

Ja, die Entdeckung der Höhle von Lascaux 1940 durch Jugendliche galt als Sensation. Dort waren seit etwa 16000 v.Chr. mehrfarbige Bilder in einem immer reiferen, plastischen Stil entstanden, vor allem Pferde, Auerochsen und Wisente in einer Größe bis über fünf Meter. Neu sind die Jäger, die zur gleichen Zeit auch in Le Portel und Niaux auftauchen. Dort wurde die Darstellung um 11000 v.Chr. zunehmend realistischer, es gibt viele Waffen und verwundete Beutetiere. Bis heute werden neue Funde gemeldet, so 1991 die nur per Tauchgang aus dem Meer zugängliche Cosquer-Höhle bei Marseille (17. Jahrtausend v.Chr.), in der viele Meerestiere, Robben und Riesenalken zu sehen sind.

Warum wurden die Höhlenwände verziert?

Mit Sicherheit verfolgten die Malereien einen konkreten Zweck. Fußabdrücke in der Galerie Noir von Niaux und in der Höhle Le Tuc d'Audoubert sowie Musikinstrumente deuten auf Tänze und kultische Handlungen hin. Da auch Jugendliche anwesend waren, könnten Initiationsriten eine Rolle gespielt haben. Viele Bilder und Tonreliefs wie in Le Tuc d'Audoubert und in Bédeilhac haben symbolische »Einstichwunden«, die nur mit einem Jagdzauber zu erklären sind.

Gab es in der Steinzeit bereits eine Religion?

Vieles deutet darauf hin. Ein wichtiger Hinweis auf religiöse Vorstellungen sind die seltsamen Mischwesen wie etwa der »Zauberer« in Les Trois Frères und Le Gabillou. Es handelt sich um verkleidete Menschen oder um verwandelte Wesen, die wie die Schamanen heutiger Naturvölker Kontakt zum Geist der Tiere aufnehmen. Die stilistisch recht einheitlichen Malereien dürften von einer solchen Priesterschaft stammen, die ihr Wissen und ihre Kunstfertigkeit nur unter sich weitergab.

Zieht man ethnologische Studien bei Naturvölkern wie den australischen Aborigines zum Vergleich heran, wird deutlich, dass auch die Menschen der älteren Steinzeit an übernatürliche Kräfte geglaubt haben müssen. Ihre Rituale dienten dazu, sich in ihrer Welt zurechtzufinden. Gleichzeitig förderten sie die Abgrenzung zu benachbarten Stämmen und das Zugehörigkeitsgefühl zum eigenen Stamm – beides sollte sich als wichtiger Faktor für das Überleben und die kulturelle Weiterentwicklung bewähren.

Wann lebten die Menschen der Magdalénien-Kultur?

Als die letzte Eiszeit um 20000 v.Chr. ihrem Höhepunkt entgegenging und die nördliche Hälfte Europas bedeckte, entstand im wildreichen Tundragürtel von Frankreich bis zur Ukraine eine neue, an das Klima gut angepasste Kultur. Die Menschen machten entscheidende Fortschritte im sozialen Leben, in Kunst und Technik und produzierten vielfältige Werkzeuge wie Harpunen, Meißel und Speerschleudern. Nach der Felsüberhangsiedlung La Madeleine im südfranzösischen Vézère-Tal wird die ganze Epoche als »Magdalénien« bezeichnet. Günstige Lebensbedingungen vor allem in Südfrankreich und Nordspanien ließen die Bevölkerung wachsen, die sich nun in Stammesgruppen formierte. Zur Organisation, zum Austausch von Waren und zur Partnerwahl waren Treffen nötig, die möglicherweise im Zusammenhang mit den ausgemalten Höhlen stehen.

Wussten Sie, dass …

die steinzeitlichen Höhlenbilder auch modernen Künstlern noch etwas zu sagen haben? Picasso zum Beispiel sah in ihnen eine Brücke zur Ursprünglichkeit der Kunst.

die kleine Tochter des Hobby-Gelehrten Don Marcelino de Sautuola die erschreckend naturnahen Tierbilder in der Höhle von Altamira in Spanien fand, als dieser 1879 nach vorgeschichtlichen Steinwerkzeugen suchte? Die Wandmalereien waren so ungewohnt, dass niemand an die Echtheit glauben mochte, bis Ausgrabungen das hohe Alter bestätigten.

Prinz Rahotep und seine Gemahlin Nofret: Perfekte Herrscherstatuen

Aus welchem Zeitalter stammen die Herrscherstatuen?

Aus der Zeit des so genannten Alten Reiches. Das Alte Reich (um 2755–2255 v. Chr.) umfasst die 3. bis 6. Dynastie und darf als wohl großartigster Abschnitt der ägyptischen Geschichte gelten. Symbolisch für dieses goldene Zeitalter stehen die Pyramiden, die ab der 4. Dynastie entstanden. Doch nicht nur in der Baukunst wurden »Weltwunder« geschaffen, auch Malerei und Bildhauerei erreichten eine einzigartige Blüte.

Die Kunst des Alten Reiches war nicht zuletzt Grabkunst. Auch eine ihrer bedeutendsten Schöpfungen, die Paarstatue von Rahotep und Nofret, wurde in einer Grabanlage gefunden: 1871 entdeckte sie der Ägyptologe Auguste Mariette in Meidum in einer Ziegelmastaba nördlich der Pyramide des Pharaos Snofru, des siegreichen Feldherrn und Begründers der 4. Dynastie. Rahotep dürfte einer seiner Söhne gewesen sein. Er erfüllte wichtige Aufgaben bei den königlichen Bauarbeiten, diente als General und Hoher Priester des Gottes Re in Heliopolis.

Die Entstehung der Paarstatue wird auf die Zeit um 2620 v. Chr. datiert. Sie ist aus Kalkstein gearbeitet, etwa 1,20 Meter groß, 50 Zentimeter breit und farbig bemalt.

Woher weiß man, wen die Statuen darstellen?

Der breitschultrige Rahotep und seine Frau Nofret sitzen auf Blöcken mit hoher Rückenlehne, darauf befinden sich verschiedene Hieroglypheninschriften, die ihre Namen und Titel genau auflisten.

Welche besonderen Merkmale haben die Figuren?

Das einzige Kleidungsstück des Prinzen ist ein einfacher weißer Schurz, um den Hals trägt er eine Röhrenkette mit einem kleinen Amulett, dessen Form an eine Schildkröte erinnert. Der rechte Arm liegt angewinkelt vor seiner Brust, während die linke Faust auf dem Knie ruht.

Der Name Nofret bedeutet »die Schöne« und schön ist ihr Bildnis gestaltet: Ein eng anliegendes Gewand unterstreicht die Weiblichkeit der »Königsbekannten«, wie ihr Ehrentitel lautet. Sie trägt eine schwere Strähnenperücke, die von einem mit Rosetten geschmückten Diadem gehalten wird. Solche Diademe sind auch als Originalstücke, aus Gold und mit Halbedelsteinen verziert, erhalten. Doch das Diadem der steinernen Nofret ist weiß bemalt, was den Schluss zulässt, dass das reale Vorbild aus Silber gearbeitet war. Dabei ist zu bedenken, dass Silber zu bestimmten Zeiten wertvoller, weil seltener als Gold war. Unterhalb der Perücke ist der Stirnansatz ihres eigenen Haars deutlich zu erkennen. Den Hals umfasst ein mehrfarbiger Kragen aus Perlenschnüren und tropfenförmigen Anhängern.

Was bedeuten die unterschiedlichen Hautfarben der Herrscher?

Mit der unterschiedlichen Hauttönung von Rahotep und Nofret – er dunkel, sie hell – folgt die Grabplastik einer allgemeinen Vorgabe, die für die altägyptische Kunst galt: Die dunklere Hautfarbe des Mannes weist auf seine Aktivitäten im Freien hin, die hellere der Frau dagegen auf ihr von Heim und Herd bestimmtes Leben.

Warum strahlen die Augen der Figuren so?

Die ungewöhnliche Lebendigkeit, die diese Plastik ausstrahlt, wird auch durch die lebhaft schimmernden Augen aus Quarz und Bergkristall erzielt. Man erzählt sich, dass die Arbeiter bei den archäologischen Ausgrabungen die Flucht ergriffen, als sie unerwartet mit dem »Blick« dieser Augen konfrontiert waren. Die ägyptischen Künstler bedienten sich eines aufwändigen Verfahrens, um diese Lebendigkeit zu erzielen: Aus undurchsichtigem weißem Quarz wurde der Glaskörper des Auges gefertigt. In dessen Zentrum bohrte man ein kleines Loch, das schwarz ausgefüllt wurde und die Pupille markierte. Ein durchsichtiges, rund geschliffenes Stück Bergkristall bildete die darüber liegende Iris.

Was haben die Statuen mit dem Leben nach dem Tod zu tun?

Das Bildnis sollte das Weiterleben nach dem Tod garantieren. So wurden die Personen in der sozialen Stellung oder Funktion, die sie zu Lebzeiten innehatten, abgebildet, im Sitzen oder im Stehen, nie jedoch in Bewegung.

Wieso bildete Stein das Baumaterial der Ägypter?

Bei den Ägyptern, die über ihre Lebenszeit weit hinausdachten und Bauten und Kunstwerke für die Ewigkeit schaffen wollten, war der langlebige Stein das bevorzugte Material. So entwickelten sie herausragende Fertigkeiten bei der Verarbeitung, wie die frühe Blüte der Steinskulptur und natürlich der Pyramidenbau belegen. Auch Schmuck wurde aus Stein gefertigt. Neben Kalkstein fand vor allem Alabaster Verwendung bei der Anfertigung von Gefäßen, die zur Aufbewahrung wertvoller Salben und Kosmetik dienten.

Wussten Sie, dass …

die realistisch wirkenden altägyptischen Grabfiguren Bestandteil eines ausgeprägten Totenkults waren?

der Priester beim Bestattungsritual den Statuen auf magische Weise Leben einhauchte? So sollten die Verstorbenen an den Opfergaben teilhaben können.

Die Pyramiden von Gizeh: Geheimnisvolle Weltwunder

Warum wurden die Pyramiden von Gizeh erbaut?

Sie dienten den Pharaonen als eindrucksvolle Grabstätten. Zwölf Kilometer von Kairo entfernt, westlich des Nils am Rande der libyschen Wüste, erheben sich die drei großen Pyramiden von Gizeh: die des Cheops, des Chephren und des Mykerinos. Die Königsgrabmäler wurden in der 4. Dynastie des Alten Reiches errichtet, also etwa zwischen 2560 und 2500 v.Chr. Wie alle ägyptischen Pyramiden waren sie Teil einer riesigen Totenstadt mit zahlreichen Kultbauten, Tempeln und Gräbern. Dazu zählten kleinere Pyramiden der königlichen Gemahlinnen und Grabanlagen für Beamte und Angehörige des Königshauses.

Wie wurden die Monumentalbauten errichtet?

Die technischen und logistischen Anforderungen auf der Großbaustelle waren immens. Der griechische Historiker Herodot meinte, dass allein am Bau der Cheopspyramide über einen Zeitraum von 20 Jahren 100000 Menschen gearbeitet haben müssten. Manche moderne Archäologen halten diese Zahl für realistisch. Nach wie vor diskutiert wird auch die Frage, wie die tonnenschweren Steine in bis zu 147 Meter Höhe gehoben werden konnten. Möglich scheint eine Kombination aus komplexen Rampensystemen und Hebevorrichtungen – die altägyptischen Quellen geben leider keine Auskunft. Darüber hinaus mussten die schweren Felsblöcke erst einmal aus den Steinbrüchen herantransportiert werden.

Welches ist die eindrucksvollste Pyramide?

Sicher die Cheopspyramide, die größte Pyramide, die jemals in Ägypten erbaut wurde. Sie entstand um 2560 v. Chr. und war ehemals 147 Meter hoch; Schätzungen zufolge wurde sie aus etwa 2,5 Millionen Steinblöcken mit einem Gewicht von jeweils 2,5 Tonnen erbaut. Ursprünglich bestand die Cheopspyramide aus 210 übereinander geschichteten Steinlagen. Heute sind es noch 201. Das Verkleidungsmauerwerk aus feinem Kalkstein ist nur an wenigen Stellen erhalten.

Wie sieht die Cheopspyramide innen aus?

Der heute benutzte Eingangsstollen wurde von Grabräubern angelegt und befindet sich nur knapp unterhalb des ursprünglichen Zugangs. Über einen engen Gang gelangt man in die Große Galerie, die 47 Meter lang und 8,5 Meter hoch ist, und mit einem Kraggewölbe aus riesigen Steinblöcken versehen ist. An das obere Ende schließt sich ein kurzer Gang an. Auf ihn folgt ein System von drei hintereinander liegenden Fallsteinen aus Granit. Die bis auf einen leeren Granitsarkophag ausgeräumte Grabkammer zeigt, dass das Hindernis umgangen wurde. Die Sargkammer des Cheops besteht aus Rosengranit, die Decke aus mehreren, je 40 Tonnen schweren Steinblöcken. Darüber sind fünf betretbare Entlastungskammern mit Giebeldach.

Welche Rätsel gibt das Grabkammersystem auf?

Unklar ist etwa die Bedeutung einiger enger Schächte, die sowohl von der Sargkammer als auch von der Großen Galerie schräg nach oben aufsteigen. Die Erklärungen reichen von einer symbolisch-magischen Bedeutung bis hin zur Belüftungsfunktion. Ebenso ungewiss ist die Bedeutung der so genannten Königinnenkammer, die den Abschluss eines von der Großen Galerie abzweigenden Ganges bildet. Ferner existiert unter der Pyramide ein in den Felsen getriebener unfertiger Gang.

Wie heißen die beiden anderen Pyramiden?

Die Pyramiden des Chephren und des Mykerinos. Die 143,5 Meter hohe Chephrenpyramide, die mittlere der drei großen Pyramiden, wirkt von fern größer als die Cheopspyramide, weil sie höher liegt und eine besser erhaltene, mit Kalkstein verkleidete Spitze besitzt. Das Grabkammersystem ist hier einfacher angelegt. Zwei Eingänge führen in absteigende Gänge, die beide in einen waagerecht verlaufenden Korridor münden, an dessen Ende sich die Sargkammer befindet.

Die 66 Meter hohe Pyramide des Mykerinos besteht in ihrem Kern genauso aus Kalkstein, für die Verkleidung allerdings wurde in den unteren 16 Lagen roter Granit verwendet, nur in den oberen Lagen Kalkstein. Die im Felsgrund gebaute Grabkammer erreicht man durch einen absteigenden Gang mit Vorkammer und einem Falltorsystem aus drei Granitsteinen.

Welche anderen Bauten befinden sich in der Nähe der Pyramiden?

An der Ostseite jeder der drei großen Pyramiden befinden sich die so genannten Totentempel, die durch einen langen Aufweg mit dem Taltempel verbunden sind. Neben dem gut erhaltenen Taltempel des Chephren steht die berühmte Sphinx, die Kolossalstatue eines liegenden Löwen mit dem Kopf des Pharao. Warum die Statue und ein weiterer daneben liegender Tempel an dieser Stelle erbaut wurden, wissen wir nicht. Gut erforscht sind hingegen die weitflächigen Friedhöfe der Cheopspyramide. Sensationeller Fund: ein komplett erhaltenes königliches Schiff, das in einer von fünf Bootskammern geborgen wurde.

Wussten Sie, dass …

die Pyramiden von Gizeh die wohl berühmtesten Denkmäler der Erde sind? Sie waren und sind das Erste der sieben Weltwunder.

das so genannte Pyramidion der Cheopspyramide, die etwa zehn Meter hohe Gipfelspitze, verschollen ist?

ein Wissenschaftler berechnete, dass in der Cheopspyramide die fünf größten christlichen Kirchen des Abendlandes, den Petersdom eingeschlossen, Platz fänden?

Der Schatz des Priamos: Das Gold von Troja

Warum ist der Goldfund so geheimnisumwittert?

Die Wiederentdeckung Trojas und des Goldhorts, der unter dem Namen »Schatz des Priamos« bekannt wurde, ist mit kaum weniger Dramatik verbunden als der Trojanische Krieg selbst. Bereits die spektakulären Umstände, unter denen Heinrich Schliemann 1873 diese Kostbarkeiten fand und anschließend aus dem Osmanischen Reich schmuggelte, begründeten den Mythos. Es folgte eine Klage des Sultans, worauf Schliemann eine großzügige Abfindung zahlte, die allerdings dem ideellen und historischen Wert dieses sensationellen Fundes gar nicht gerecht werden konnte. Doch die Geschichte war damit noch lange nicht zu Ende. Sie gipfelte im Verschwinden des Schatzes aus Berlin in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs, in seinem Wiederauftauchen nach der Wende in der ehemaligen Sowjetunion und in dem seither wogenden Streit um die Eigentumsrechte.

Was enthält der Schatz?

Der so genannte »Schatz des Priamos« umfasst mehr als 100 größere Objekte, darunter Gefäße aus Gold, Silber und Elektron – einer Gold-Silberlegierung –, außerdem goldene Ohrgehänge und Goldperlen, die ursprünglich an Schnüren zu Ketten aufgereiht waren. Glanzstücke sind die beiden aus Tausenden von feinen Plättchen und Ringen bestehenden Golddiademe und ein goldenes Stirnband.

Wie alt ist der Fund?

Die Lage des Horts in einer Mauernische nahe dem Skäischen Tor, die zu einer Brandschicht gehörte, wertete Schliemann als Beweis, dass es sich um einen Fund aus dem homerischen Troja handelte. Er brachte ihn mit dem trojanischen König Priamos in Verbindung. Wie sein Assistent Wilhelm Dörpfeld, der die Grabungen nach Schliemanns Tod fortführte, feststellte, gehörte die Fundlage des Schatzes aber zu Troja II, das um 2250 v. Chr. unterging und somit um mehr als 1000 Jahre älter ist als das Troja Homers. Neuere Forschungen haben den Fundort genauer definiert: in der Innenmauer einer Toranlage, die zu Schliemanns Zeit noch nicht entdeckt war. Daher wäre es durchaus möglich, dass es sich bei dem Hort nicht um einen in unruhigen Zeiten versteckten Schatz, sondern womöglich um ein Bauopfer handelte.

Was erzählt der Schatz über die damalige Kultur?

Die Beschaffenheit des Schatzes lässt darauf schließen, dass Troja in der Mitte und in der zweiten Hälfte des 3. Jahrtausends v.Chr. im engen Austausch mit den benachbarten Kulturen stand, mit der ägäischen Inselwelt und Griechenland, aber auch mit Anatolien, Syrien und sogar Mesopotamien. So stammen etwa die einzigen, wenn auch nur einhenkligen und einschnabligen, Vergleichsstücke für das zweihenklige Goldgefäß aus der Ägäis. Zum diademartigen Stirnband aus Gold gibt es Entsprechungen in der Ägäis, in Anatolien und Mesopotamien. Für die beiden Diademe, die möglicherweise als Schmuck für Götterbilder dienten, fehlen konkrete Vergleichsstücke, wenngleich einige Einzelheiten auf die Ägäis und Anatolien verweisen.

Der zwischen 2500 und 2200 v. Chr. datierte Goldfund steht durch seine künstlerische Ausführung für den hohen Stand, den die trojanische Goldschmiede- und Metalltechnik um 2500 v. Chr. erreicht hatte. Die nicht weit entfernten Gold-, Silber- und Kupfervorkommen deckten den Bedarf an Rohmaterial.

Die verschiedenen Techniken der trojanischen Goldschmiedemeister umfassten unter anderem das Schmieden von dünnem runden und quadratischen Draht sowie die Herstellung außerordentlich feiner Goldbleche. Dazu kam die Filigran- und Granuliertechnik, bei der Drähte und winzige Goldkügelchen auf Schmuckgegenstände gelötet werden. Auch diese kunsthandwerklichen Verfahren scheinen auf dem Weg über Handelsbeziehungen von Mesopotamien über Nordsyrien nach Troja und Kleinasien gelangt zu sein.

Welche weiteren Funde machte Schliemann?

Der »Schatz des Priamos« stellt nicht den einzigen, aber den größten zusammenhängenden Schatzfund dar. Insgesamt entdeckte Heinrich Schliemann in Troja 19 Schätze, die die wissenschaftliche Nummerierung A bis S tragen, wobei der »Schatz des Priamos« mit A gekennzeichnet ist. Die Funde umfassen unter anderem Gefäße und Schmuck aus Edelmetallen, Bronzewaffen sowie kleine Linsen aus Bergkristall. Letztere benutzte man wahrscheinlich als Lupe für die extrem feinen Goldschmiedearbeiten.

Warum wurde die archäologische Sensation angezweifelt?

Missverständliche Behauptungen und so manche nachgewiesene Lüge Heinrich Schliemanns rückten ihn selbst und seinen Schatzfund in ein ungünstiges Licht. Dies führte bei einigen Wissenschaftlern sogar zu dem Verdacht, dass ein zusammengehöriger Schatz ursprünglich gar nicht existiert habe. Vielmehr habe Schliemann Stücke aus dem Antiquitätenhandel und aus mehreren Grabungen zusammengetragen und als »Schatz des Priamos« ausgegeben, um seine Eitelkeit durch einen »Sensationsfund« zu befriedigen. Doch diese Mutmaßungen gelten heute als endgültig widerlegt.

Der Minospalast von Knossos: Im Labyrinth des Minotauros

Wann wurde der Minospalast ausgegraben?

Der britische Ausgräber Sir Arthur Evans brachte den Palast von Knossos seit 1900 ans Tageslicht und begründete eine speziell minoische Forschung. Fast wäre ihm der berühmte Ausgräber Trojas, Heinrich Schliemann, zuvorgekommen. Diesem jedoch war das Grundstück zu teuer. So entging ihm der Ruhm, dem Minotauros auf der Spur gewesen zu sein.

Welche Bedeutung hatte Knossos in minoischer Zeit?

Es war das Machtzentrum Kretas. Seit etwa 6000 v. Chr. war der Ort durchgehend besiedelt. Seine größte Bedeutung erlangte Knossos während der »Palastzeit« etwa 2000 bis 1400 v. Chr. Damals wurde vielleicht ganz Kreta von hier aus regiert. Die Gründung von Knossos wird dem mythischen König Minos zugeschrieben, dem Sohn des Zeus und der Europa. Er soll den am kretischen Hof lebenden athenischen Handwerker Daidalos mit dem Bau des Palastes und eines unterirdischen Labyrinths beauftragt haben.

Von den einzigartigen minoischen Palastanlagen auf Kreta ist der Palast von Knossos mit einer Fläche von 22000 Quadratmetern nicht nur hinsichtlich seiner Ausdehnung, sondern auch vom Bauvolumen und der politischen Bedeutung her der größte. Die minoischen Paläste dienten nicht nur als Residenz des jeweiligen Herrschers, sondern auch der Verwaltung, dem Warenaustausch, dem Gewerbe und als Magazine.

Was hat die Architektur des Palastes mit der Sage vom Minotauros zu tun?

Die verschachtelte Bauweise mit einem komplizierten Wege-, Korridor- und Rampensystem hat später die Sage von Theseus und dem Minotauros im Labyrinth beeinflusst. In Knossos konnten insgesamt nahezu 1200 Räume freigelegt oder nachgewiesen werden. Dabei gruppieren sich Repräsentations-, Wohn- , Kult-, Wirtschafts- und Lagerräume sowie Werkstätten und Magazine um einen großen rechteckigen Zentralhof. Die Ausstattung des Palasts zeugt vom hohen zivilisatorischen Stand der Minoer. So gab es komfortable Bade- und Toilettenanlagen mit Wasserspülung.

Wodurch wurde der Palast zerstört?

Lange Zeit war vermutet worden, dass die Zerstörung um 1550 v.Chr. Folge des verheerenden Vulkanausbruchs bei Thera (heute Santorin) war. Neuesten geologischen Untersuchungen zufolge fand dieser Vulkanausbruch aber etwa 200 Jahre früher statt als bisher angenommen, so dass er nicht die Ursache der Zerstörungen gewesen sein kann.

Der erste Palast von Knossos war wohl um 2000 v.Chr. entstanden. Er wurde um 1700 v.Chr. entweder durch einen Krieg oder ein Erdbeben zerstört, jedoch bald wieder aufgebaut. Um 1550 v.Chr. kam es zur genannten Zerstörung, bald darauf ein weiteres Mal. Durch ein Erdbeben wurde der Palast um 1450 v.Chr. stark beschädigt, aber von den vom Festland eingewanderten Achaiern wieder aufgebaut. Bei einem Brand vermutlich im 14. Jahrhundert v.Chr. wurde er endgültig zerstört. Die Siedlung war zwar noch weiter bewohnt, verlor jedoch zunehmend an Bedeutung. Knossos musste seine Vormachtstellung an Gortyn im Süden Kretas abgeben.

Was leistete der Ausgrabungsleiter?

Sir Arthur Evans schuf nicht nur die immer noch gültige Periodisierung der minoischen Kultur, sondern vermittelte mit weit gehenden Rekonstruktionen der Gebäude und Fresken einem breiten Publikum auch ein anschauliches Bild der Epoche.

Was war der »Ariadne-Faden«?

Das ist eine lange Geschichte. König Minos soll einst vergeblich versucht haben, Athen einzunehmen. Seine hasserfüllten Gebete bewirkten jedoch, dass eine Pestplage über die Stadt hereinbrach. Zur ihrer Abwendung musste der athenische König Aigeus sich verpflichten, alljährlich sieben Jünglinge und sieben Jungfrauen nach Kreta zu schicken. Dort wurden sie dem Minotauros, einem Ungeheuer mit Stierkopf und Menschenleib, zum Fraß vorgeworfen.

Theseus, Sohn des Königs Aigeus und der größte Held Attikas, kam mit einer dieser Gruppen nach Kreta und tötete den Minotauros im Labyrinth. Ariadne, die Tochter des kretischen Königs, half Theseus, mit dem sprichwörtlich gewordenen »Faden der Ariadne« den Weg aus dem Labyrinth heraus zu finden. Gemeinsam flohen die beiden von Kreta. Obwohl Theseus Ariadne die Heirat versprochen hatte, ließ er sie beim ersten Halt auf der Insel Dia (später Naxos) zurück.

Wussten Sie, dass …

zum Palast auch eine Stadt gehörte? Sie lag unterhalb des Palasthügels und wurde um 3000 v. Chr. gegründet. Wahrscheinlich hatte sie um die 50000 Einwohner und stand in Verbindung mit zwei Häfen.

in der Nähe von Knossos die Diktaiische Grotte lag, in der dem Mythos zufolge der griechische Gott Zeus geboren sein soll?

Fachleute Sir Arthur Evans' Rekonstruktion kritisieren, weil sie den Palast zur Zeit seiner höchsten Blüte im 16. Jahrhundert v.Chr. zeigt und nicht zur Zeit seines Baus?

Die Büste der Nofretete: Makelloses Bildnis einer Königin

Zu welcher Zeit lebte Nofretete?

Die Pyramiden von Gizeh standen bereits seit eineinhalb Jahrtausenden, als das Pharaonenpaar Nofretete und Echnaton ungefähr 300 Kilometer nilaufwärts anstelle des alten Theben um 1350 v. Chr. Achetaton (»Horizont des Aton«) als neue Hauptstadt Ägyptens gründeten. 17 Jahre lang dauerte ihre Herrschaft. Sie wird nach dem Ort Tell Al Amarna, an dem die Ausgräber seit dem Jahr 1891 die Residenz des Königspaares frei legten, »Amarna-Zeit« genannt.

Wo wurde die Büste gefunden?

Während der Grabungskampagne im Winter 1912/13 legten die Ausgräber von Amarna einen Gebäudekomplex frei, der sich als Bildhauerschule entpuppte. Der Rest einer Scheuklappe weist auf den »Oberbildhauer Thutmose« als Besitzer hin. Im Haupthaus stießen die Archäologen auf ein Depot von Bildnisköpfen, das den kunsthistorisch bedeutendsten Fund von Amarna bildete. Unter den Darstellungen der königlichen Familie befand sich die berühmt gewordene, lebensgroße Büste der Königin Nofretete. Der aus Kalkstein gehauene Porträtkopf war mit Stuck modelliert und mit Mineralfarben bemalt. Im Gegensatz dazu steht ein Porträtkopf, der wohl für eine Statue vorgesehen war. Im Vergleich mit der bemalten Büste sind die Gesichtszüge hier anders stilisiert. Einige wenige schwarze Linien setzen diese gegen den nicht stuckierten Stein ab.

Wie sah Nofretete aus?

Man weiß nicht genau, wie Nofretete ausgesehen hat. Zwar hielt der Künstler die Schönheit der Königin in verschiedenen lebensnah wirkenden plastischen Bildnissen fest. Allerdings zeigte eine Untersuchung mittels eines Quadratrasters, das über eine fotogrammmetrische Darstellung des berühmten Kopfes gelegt wurde, dass seine Proportionen idealtypisch konstruiert sind. Dennoch bestechen die Thutmose-Bildnisse durch eine äußerst individuell wirkende Physiognomie, die auch die Veränderungen durch das Alter miteinbezieht. So gehörte auch eine wundervolle Kalksteinstatuette der Königin zu diesem Fund, mit der der Künstler ganz offenbar ein stilisiertes Altersporträt schuf, wie sich aus den ungewöhnlich starken Mund-Nasen-Falten schließen lässt. Eine derartige Individualisierung gab es weder vor noch nach der Amarna-Zeit ein zweites Mal.

Was weiß man über den Pharao Echnaton?

Im fünften Jahr seiner Herrschaft führte der Pharao aus der 18. Dynastie, Amenophis IV., den Kult des Sonnengottes Aton ein und nannte sich selbst fortan Echnaton: »Aton ist gnädig«. Er verließ die Residenz des Neuen Reiches in Theben, um Achetaton zu gründen. Wir können nur ahnen, was ihn zu diesem Schritt bewog. Offenbar geschah es aus Unmut über die thebanischen Priester, die ihm eine »unvergleichliche Kränkung« zugefügt hätten. Damals war die Priesterschaft zu einer starken Macht gelangt, die den Pharaonen gefährlich werden konnte. So besaß sie ein Drittel des Landes und hielt mit einer unübersehbaren Zahl von Nebengöttern nicht nur das Volk, sondern auch die Pharaonen in Schach.

Was für eine Stellung hatte Nofretete am Hof?

Vieles deutet darauf hin, dass Echnatons Hauptfrau Nofretete oder Nefertiti eine glühende Verfechterin des neuen Glaubens wurde. Wie keine Ehefrau eines Pharaos vor oder nach ihr war sie an allen öffentlichen und kultischen Handlungen ihres Mannes beteiligt. Vielleicht erhielt sie das höchste Priesteramt, eine Position, die normalerweise den Königen vorbehalten war. Entgegen häufiger Meinung hatte Echnaton aber keine Ein-Gott-Religion eingeführt. So wurde in Amarna neben dem Sonnengott auch die ihm eng verbundene Uräusschlange verehrt; nach der Mythologie schützte sie den Sonnengott mit ihrem Feueratem vor den Feinden.

Über politische Ereignisse während der Regierungszeit des Pharaos Echnatons ist wenig bekannt. Offenbar übte er die gewonnene Macht unangefochten aus.

Wie starb die Königin?

Auch darüber gibt es bisher lediglich Vermutungen. Im zwölften Jahr der Regierungszeit Echnatons starb Nofretete – oder sie fiel in Ungnade, denn sie wurde von Meritaton, einer der sechs gemeinsamen Töchter des Regentenpaars, in ihrer Rolle als Königin abgelöst.

Wahrscheinlicher ist es jedoch, dass Nofretete ihren Gemahl überlebte: In Amarna deutet nichts auf eine dortige Beisetzung noch auf eine frühere Bestattung zur Regierungszeit Echnatons hin. Im für sie bestimmten königlichen Grab in Amarna finden sich nur Reste von Beigaben für Echnaton und die im Alter von etwa 17 Jahren verstorbene Tochter Maketaton.

Wussten Sie, dass …

der Name Nofretete so viel wie »die Schöne ist gekommen« bedeutet?

Echnaton seinem Selbstverständnis als Gottkönig auch dadurch Ausdruck verlieh, dass er die alte Hauptstadt Theben verließ, um – wie er selbst sagte – an einer Stelle, »die bisher noch keinem Gott oder einer Göttin gehört hatte«, seine neue Residenz Achetaton zu gründen?

es auffallend viele private Darstellungen von Echnaton, seiner Gattin Nofretete und der gemeinsamen sechs Töchter gibt? Als wohl erstes Herrscherpaar machten sie so ihr Privatleben öffentlich.

Der Schatz von Tutanchamun: Gold für einen altägyptischen König

Wer entdeckte das Grab von Tutanchamun?

Der Archäologe Howard Carter machte den sensationellen Fund. Er stieß mit seinem kleinen Arbeitertrupp am 4. November 1922 im Tal der Könige (beim oberägyptischen Theben) auf antike Treppenstufen. Nachdem die Stufen freigelegt waren, standen sie vor einer zugemauerten Tür. Die Tür war versiegelt. Carter ließ den Eingang wieder zuschütten und telegrafierte an seinen Auftraggeber Lord Carnarvon in England: »Habe endlich eine wundervolle Entdeckung im Tal gemacht. Ein Grab mit unbeschädigten Siegeln. Bleibt bis zu Ihrer Ankunft verschlossen.« Carnarvon traf drei Wochen später in Theben ein. Am 24. November, als sie erneut vor der Tür standen, entdeckten sie zwei weitere Siegel. Sie trugen den Namen Tutanchamuns (reg. 1346–1337), des Sohnes des Echnaton und jugendlichen Königs der 18. Dynastie, der unter ungeklärten Umständen mit 17 Jahren gestorben war.

Was fanden die Archäologen im Grab?

Carter und Carnarvon stießen auf einen Schatz. Als die Tür aufgebrochen war, gelangten sie in einen 7,60 Meter langen Eingangskorridor, an dessen Ende sich eine weitere Tür befand. Nachdem diese aufgebrochen worden war, blickten sie in eine Vorkammer, die mit zahlreichen Gegenständen gefüllt war. Dazu zählten drei große vergoldete Holzbetten mit Tierköpfen und -körpern, prachtvolle Stühle, Sessel und Hocker, Truhen mit Kleidungsstücken, Krüge mit wertvollen Ölen und Salben, Alabastervasen und vier zerlegte, mit Stuck und Blattgold verkleidete Streitwagen des Königs.

Zu den kostbarsten Funden zählte eine bemalte Truhe, deren höchst detaillierte Szenen den Pharao als Eroberer und Jäger zeigen, und der so genannte Goldene Thron, eines der großartigsten und berühmtesten Kunstwerke des Grabes. Auf der Rückenlehne des Thrones ist der unter dem Sonnengott Aton thronende Tutanchamun dargestellt, der von seiner Gemahlin gesalbt wird.

Es folgten noch drei weitere Räume, darunter die Sargkammer. Das Ganze fügte sich zu einem Ensemble von unermesslichem archäologischen und künstlerischen Wert. Insgesamt 5000 Gegenstände, fantastische Kunstwerke, rituelle und alltägliche Dinge, die noch niemand zuvor gesehen hatte (außer vielleicht auf altägyptischen Darstellungen), kamen nach über 3000 Jahren ans Tageslicht.

Wo befand sich die Mumie Tutanchamuns?

Sie lag in der Sargkammer, zu der von der Vorkammer ein vermauerter Eingang führt, den zwei Wächterfiguren mit einer Größe von zwei Metern flankieren. Als die Mauer durchbrochen war, sahen Carter und Carnarvon die goldene Wand eines riesigen Holzschreines vor sich. Der fünf Meter lange, 3,30 Meter breite und 2,75 Meter hohe Schrein enthielt drei weitere vergoldete und verzierte Schreine. Im vierten Schrein befand sich ein steinerner Sarkophag, der wiederum drei ineinandergestellte – mumienförmige – Särge enthielt.

Die zwei äußeren Särge waren vergoldet, der innerste, 110 Kilogramm schwere Sarg war aus purem Gold. Darin lag der einbalsamierte Körper des toten Königs, dessen Gesicht und Oberkörper mit der weltberühmten Goldmaske, einem Meisterwerk ägyptischer Goldschmiedekunst, bedeckt war. In den Bandagen des Leichnams hatte man 125 wertvolle Schmuckstücke und Amulette eingewickelt.

Welche Kostbarkeiten enthielt die Schatzkammer?

Im Mittelpunkt der sich an die Sargkammer anschließenden »Schatzkammer«, die von dem schakalköpfigen Gott Anubis bewacht wurde, befand sich ein vergoldeter Schrein, umstanden von vier künstlerisch einzigartigen Göttinnenfiguren. In ihm entdeckte man eine Alabastertruhe mit vier goldenen Miniatursärgen, die die mumifizierten Eingeweide des Königs enthielten. In der »Schatzkammer« und in der an die Vorkammer grenzenden Seitenkammer stieß man schließlich auf Kisten mit insgesamt 413 Figuren, so genannte Uschebtis (Dienerfiguren), die dem Pharao im Jenseits zur Seite stehen sollten. In anderen Kisten fand man Königsstatuen und zahlreiche tier- und menschengestaltige Götterfiguren. Ferner lagerten dort unter anderem unzählige Möbel, Bootsmodelle, Truhen mit Kleidung und Schmuck sowie Nahrungsmittel.

Die Untersuchung des Grabes zeigte allerdings auch, dass viele Kostbarkeiten offenbar von antiken Grabräubern gestohlen worden waren, denn unzählige Schatullen hatte man eindeutig aufgebrochen und durchwühlt, bevor das Grab dann vor über 3000 Jahren endgültig verschlossen worden war.

Wussten Sie, dass …

das Grab des Tutanchamun das erste und bisher einzige nahezu vollständig erhaltene Grab eines altägyptischen Königs ist? Seine Entdeckung bedeutete den größten Schatzfund in der Geschichte der Archäologie. Die bis dahin entdeckten 25 Pharaonengräber waren allesamt schon in der Antike geplündert und ihrer wertvollen Beigaben beraubt worden.

Howard Carter sechs Jahre lang im Tal der Könige nach dem Grab Tutanchamuns gesucht hatte – trotz der damals vorherrschenden Meinung, dass in diesem kleinen, abgelegenen Felstal keine weiteren Gräber mehr zu entdecken seien?

Schatzhaus des Atreus in Mykene: Größte Kreiskuppel der Antike

Aus welcher Zeit stammt das »Schatzhaus des Atreus«?

Dieses Gebäude im griechischen Mykene gehört zu einer Gruppe von monumentalen Kuppelgräbern aus der Zeit von 1400 bis 1250 v.Chr. Mit ihnen erreichen die aus der Jungsteinzeit überlieferten Techniken der Kragkuppel und des Megalithbaus ihren Höhepunkt.

Gibt es ähnliche Grabbauten?

In gewisser Weise ja. Dieses Mykener Kuppelgrab weist große Ähnlichkeit mit einem Grabbau in Orchomenos in Mittelgriechenland auf, das der griechische Geograph Pausanias als »Schatzhaus des Minyas« bezeichnet hatte. Die baulichen Merkmale gleichen sich so sehr, dass Fachleute denselben Architekten beziehungsweise dieselbe Bauschule vermuten. Alle wesentlichen Elemente des ägäischen Grabbaus sind in den mykenischen Kuppelgräbern der späten Bronzezeit zwischen 1400 und 1250 v. Chr. erfasst: ein Tumulus (Hügel) als äußerlich sichtbare Form, ein gemauerter Dromos (Eingangsweg) als Zugang, die Kragkuppel als Überdeckung sowie Schacht- oder seltener Kammergräber im Innern der Anlagen. Als weiteres gemeinsames Kennzeichen findet sich ein Tor mit einem tonnenschweren entlasteten Türsturz. Dieser Grabtypus war im gesamten mykenischen Herrschaftsgebiet verbreitet; am häufigsten findet er sich im Kerngebiet, der Argolis, davon allein neunmal in Mykene selbst.

Warum gilt das Mykener Kuppelgrab als architektonische Meisterleistung?

Weil es das herausragende Beispiel seiner Gattung ist und 1400 Jahre lang, bis zum Neubau des römischen Pantheon, dem Bau für die römischen Staatsgötter und Heroen, unter Kaiser Hadrian (Reg. 118–138) die größte Kreiskuppel der Antike bleiben sollte. Das um 1250 v. Chr. errichtete Bauwerk ist das am besten erhaltene Grab dieses Typus.

Welche Ausmaße hat das Gebäude?

Der zum Eingang führende ungedeckte Gang von 35 Metern Länge und sechs Metern Breite wird flankiert von zehn Metern hohen Mauern aus rechtwinkligen Quadern. Das Tor erweckte ursprünglich den Eindruck einer Palastfassade. Insgesamt etwa elf Meter hoch, war der Eingang von grünen Halbsäulen flankiert und reich mit plastischen, farbigen Ornamentbändern sowie Reliefs dekoriert.

Bei einem Durchmesser von 14,50 Metern erreicht der dahinter liegende bienenkorbförmige Raum aus strengen Quadern eine Höhe von 13,20 Metern. Wir haben hier die vollendete Umsetzung der Technik des »falschen Gewölbes« vor uns: Jeder der waagrecht gesetzten Steine ist so behauen, dass die innen sichtbare Seite entsprechend der Kreisform des Grundrisses gebogen ist. Nach oben hin überragen sie sich jeweils so weit, dass sich daraus die Bienenkorbform der Kuppel ergibt.

Warum ist die Grabkammer nicht geschmückt?

Vermutlich wurde sie nicht fertig gestellt. Die Grabkammer ist ein roh in den Felsen gehauener Raum. Der Zugang erfolgt durch ein Tor, das konstruktionsmäßig dem Eingangsportal ähnelt, aber viel kleiner dimensioniert ist.

Welcher Fluch lag auf dem Haus des Atreus?

Nach der griechischen Mythologie war das königliche Haus von Atreus vom Unglück verfolgt. Der Grund lag bei Großvater Tantalos: Dem König von Lydien war der lange Umgang mit den Göttern zu Kopf gestiegen. Um sie auf die Probe zu stellen, servierte er ihnen seinen Sohn Pelops zerteilt zum Mahl. Natürlich merkten die Götter das und setzten den Jungen wieder zusammen. Tantalos wurde mit ewigen Qualen im Hades bestraft und vererbte seine Schuld bis ins vierte Glied. Pelops wurde verflucht, blieb aber ansonsten verschont. Niobe, Tochter des Tantalos, straften die Götter für ihren Hochmut. Atreus, Sohn des Pelops und der Hippodeima, und seine Kinder und Enkel aber bekamen die ganze Last des göttlichen Zornes zu spüren.

Die berühmtesten Söhne des Atreus, Menelaos und Agamemnon, mussten in den Trojanischen Krieg ziehen, nachdem Menelaos' Frau Helena vom trojanischen Prinzen Paris entführt worden war. Nach dem Krieg kehrten Menelaos und Helena versöhnt und glücklich nach Sparta zurück. Der siegreiche Agamemnon jedoch starb gleich nach seiner Rückkehr nach Mykene einen schmählichen Tod in der Badewanne: Seine Gattin Klytämnestra hatte sich zwischenzeitlich mit Aigisthos verbandelt, dem Cousin Agamemnons, der auch schon den Onkel Atreus umgebracht hatte. Sieben Jahre später wurde der Mord an Agamemnon von dessen Kindern Elektra und Orestes gerächt. Erst als Orestes auf Fürsprache von Athena und Apollon vom Areopag in Athen vom Mord an seiner Mutter freigesprochen wurde, war der Fluch auf dem Haus Atreus gebrochen.

Wussten Sie, dass …

Atreus die Söhne seines Bruder Thyestes tötete, kochte und dem Bruder zum Essen vorsetzte? Das war die Rache dafür, dass Thyestes zuvor Atreus' Frau Aerope verführt hatte.

der Name Atreus auf Griechisch »der Furchtlose« bedeutet?

Atreus es fertigbrachte, die Sonne rückwärtsgehen zu lassen? Das war ein geschickter Schachzug im Thronstreit mit Bruder Thyestes, bei dem Zeus dem Atreus zu Hilfe kam und den Lauf des Gestirns veränderte.

Die Goldplastik der Skythen: Kunst der Steppe

Wer waren die Skythen?

Ein Reitervolk, das seit dem frühen 7. Jahrhundert v. Chr. in den Steppen nördlich des Schwarzen Meers lebte. Der Reichtum und die Macht der Fürsten spiegeln sich in der reichen Ausstattung ihrer Hügelgräber wider. Da fanden sich, neben vielfältigen anderen Grabbeigaben, auch zahlreiche aus Gold gefertigte Objekte: Gefäße und Schmuck, aber auch Beschlag- und Zierteile für Kleidung, Zaumzeug und Sättel von Pferden, Schilde und Waffen.

Welchen besonderen Kunststil prägten die Skythen?

Den »Tierstil«. Das Tier als künstlerisches Hauptmotiv erklärt sich nicht zuletzt aus der Lebensweise der Skythen, die als Reiternomaden und Jäger, Viehzüchter und Hirten eine sehr enge Verbindung zum Tier hatten. Dargestellt wurden Hirsche, Steinböcke, Raubtiere und Greifvögel sowie mythische Fabelwesen. Diese thematische Bevorzugung führte zur kunsthistorischen Bezeichnung »Tierstil«.

Wie stellten die skythischen Goldschmiede Tiere dar?

Der Tierstil stellt das Tier in einer vereinfachten Form dar, die allerdings differenziert genug ist, um die eindeutige Identifizierung der Art zu erlauben. Auch die Bewegung, in der ein Panther festgehalten wird, ist deutlich als Anpirschen zu erkennen. Die wesentlichen Körpermerkmale werden durch Stilisierung hervorgehoben. So dominiert etwa beim Hirsch das Geweih, das in seiner fantasievollen Formgebung die Realität übertrifft.

Auch beim so genannten Rolltiertypus, der das Tier kreisförmig zusammengerollt zeigt, ist beispielsweise die charakteristische Muskulatur der Großkatze noch herausgearbeitet. Die skythische Kunst zielte nicht auf eine detailgetreue, naturalistische Wiedergabe des Tiers ab, sondern auf die Darstellung seines Wesen, der Eigenschaften und Körperpartien, die ein bestimmtes Tier ausmachen.

Wie beeinflusste der Tierstil die Entwicklung der Kunst?

Der Tierstil gilt als Schöpfung der Skythen, wurde in der Folgezeit aber zum Gemeingut aller zentralasiatischen Reitervölker und beeinflusste so die Kunst des bronzezeitlichen Chinas. Im Westen überdauerte der Tierstil die Skythen um viele Jahrhunderte. Die Sarmaten, die ab dem 4. Jahrhundert v.Chr. in die südrussischen Gebiete zwischen Don und Schwarzmeerküste eindrangen, beendeten zwar die Herrschaft der Skythen, übernahmen aber ihre künstlerische Tradition und gaben sie weiter an die Stämme der Völkerwanderungszeit. So lebte der Tierstil bei Germanen, Langobarden und Wikingern weiter und beeinflusste die frühmittelalterliche Kunst des Abendlands.

Hatten die Skythen Kontakt mit dem Vorderen Orient?

Ja. Ihr unstetes Leben hat die Reitervölker mit vielerlei Kulturen in Kontakt gebracht. Man hat sich gegenseitig beeinflusst. Einen wichtigen Beitrag zur Ausprägung der skythischen Kunst leistete vor allem der Vordere Orient. Stilelemente und Motive der vorderasiatischen Kunst des späten 2. und des 1. Jahrtausends v. Chr., darunter solche hethitischer, syrischer und iranischer Herkunft, wirkten auf den Tierstil ein. Im 7. Jahrhunderts v. Chr. verschmolzen all diese Einflüsse zu einer Einheit. Die Goldplastik dieser Zeit gehört zu den prächtigsten Kunstschöpfungen der Skythen. Ein herausragendes Beispiel stellt der Hirsch von Kostromskaja Stanica dar, der als Schmuckplatte eines Schildes des späten 7. oder frühen 6. Jahrhunderts v. Chr. diente. Seine liegende, dennoch angespannte Haltung mit untergelegten Beinen zeigt ein immer wieder aufgegriffenes grundlegendes Schema.

Wie beeinflussten die Griechen die skythische Kunst?

Ab dem 6. Jahrhundert v.Chr. zeigt sich ein zunehmender griechischer Einfluss auf die skythischen Goldarbeiten, was auch damit zusammenhängt, dass griechische Meister für skythische Auftraggeber arbeiteten. Bei diesen Kunstwerken, etwa einem prächtigen Brustschmuck aus dem 4. Jahrhundert v. Chr., bildete nach wie vor die Darstellung des Tierkampfes eines der Hauptmotive, doch ist die Ausführung rein griechisch. Trotz dieser starken Einflüsse von außen behielt der Tierstil seine originären Merkmale bei, die noch jahrhundertelang für die Kunst der Steppenvölker prägend sein sollten.

Warum wissen die Historiker so wenig über die Skythen?

Weil dieses Reitervolk keinerlei schriftliche Zeugnisse hinterließ, auch keine größeren Siedlungen, Paläste oder Tempel, aus denen sich Rückschlüsse auf ihre Lebensweise ziehen ließen. Deshalb ist man auf Aussagen von Nachbarvölkern angewiesen – und auf die Grabfunde. So sind die skythischen Goldarbeiten nicht nur in künstlerischer Hinsicht hochinteressant. Denn auf den Gefäßen und Schmuckstücken finden sich detailgetreue Szenen des skythischen Lebens, mit genauer Wiedergabe der Waffen und der Kleidung. Wilde Kampfszenen wechseln sich ab mit Alltagstätigkeiten wie dem Melken von Schafen, der Dressur von Pferden und sogar einer Zahnbehandlung.

Wussten Sie, dass …

wahrscheinlich die Holzschnitzerei für die Goldschmiedekunst der Skythen Pate gestanden hat? Darauf weisen die scharfen Umbrüche und tiefen Grate – typisch für die Holzschnitzerei – hin, die in den Arbeiten der Skythen erkennbar sind.

es sich bei der skythischen Kunst vor allem um kostbare Grabbeigaben handelt, die der aristokratischen Oberschicht vorbehalten waren und deren herausgehobene soziale Stellung belegen sollten?

Die Terrakotten der Nok-Kultur: Zeugnisse afrikanischer Kunst

Wo ist die Nok-Kultur geografisch anzusiedeln?

Die Nok-Kultur verdankt ihren Namen dem kleinen Ort Nok, der östlich des Flusses Niger auf dem Jos-Plateau im Zentrum Nigerias liegt. In seiner Umgebung wurde 1928 beim Zinnabbau der erste Fund eines eigenständigen Kunststils gemacht: ein imposanter, fast lebensgroßer Terrakotta-Kopf, offensichtlich Bruchstück einer Figur. Hier schuf ein Volk, dessen Geschichte völlig im Dunkeln liegt, vor rund 2000 Jahren die ältesten bekannten Kunstwerke aus dem Afrika südlich der Sahara.

Auf den Zufallsfund folgten zahlreiche archäologische Grabungen, die bis heute mehrere tausend Objekte ans Tageslicht brachten. Zahlreiche Fragmente waren darunter, aber auch fast vollständige Figuren. Neben Skulpturen verschiedener heimischer Tiere – Elefanten etwa, Schlangen, sogar eine Zecke – zeigt ein Großteil der Funde menschliche Figuren und Köpfe. Auch fantastische Mischwesen aus menschlichen und tierhaften Elementen sowie Gefäße mit figürlichen Verzierungen wurden in den letzten Jahren von den Archäologen immer häufiger gefunden.

Was macht die Figuren so einzigartig?

Die Skulpturen bezeugen durch ihre Dimensionen eine außerordentliche Meisterschaft in der Brenntechnik und die fachmännische Beherrschung des Materials. Auch ihre kühne Ästhetik erregt Bewunderung. Die Bildhauer der Nok-Kultur gelten als die frühesten Künstler im Afrika südlich der Sahara, die sich an die Herstellung von nahezu lebensgroßen Terrakotta-Figuren gewagt haben. Die größten der bisher geborgenen Werke sind bis zu eineinhalb Meter hoch.

Als Rohmaterial für die Skulpturen diente Lehm, der zerkleinerte Steinstücke und Quarzbestandteile enthielt. Die Wahl der Tonsorten und das Mischungsverhältnis waren wohldurchdacht. Die Terrakotten wurden von Hand in Aufbautechnik modelliert. Innen sind sie stets hohl, denn dort waren sie durch ein Holzgerüst gestützt, das beim anschließenden Brennen – im offenen Feldbrand – vom Feuer aufgezehrt wurde. Die Werke blieben unglasiert.

Was ist charakteristisch für den Stil der Nok?

Die vollständig erhaltenen menschlichen Figuren sind sitzend oder kniend dargestellt. Die Köpfe sind langgezogen, konisch oder zylindrisch und stark vergrößert. Die stilisierten Gesichter zeichnen sich durch flache Nasen und Augen in Dreiecksform aus. Bei größeren Köpfen sind die Pupillen, Nasenlöcher und Mundöffnungen gelocht. Die kunstvollen Frisuren und Schmuckstücke sind sehr detailliert ausgeführt. Trotz der Stilisierung zeigen die Bildnisse unterschiedliche »Persönlichkeiten«, lassen in den Gesichtszügen Individualität aufscheinen, was ihre kraftvolle Wirkung auf den Betrachter noch verstärkt.

Wen zeigen die Figuren?

Die oft sehr aufwändigen Frisuren und Schmuckstücke lassen vermuten, dass sie Herrscher, Priester oder andere hochrangige Persönlichkeiten darstellen. Möglicherweise handelt es sich auch um Ahnenfiguren, also Figuren von Verstorbenen, die von der Gemeinschaft als Ahnen anerkannt waren. Vielleicht waren die Figuren auf Altären, in Schreinen oder rituellen Räumen aufgestellt, wie es in Nigeria bei bestimmten Bevölkerungsgruppen bis ins 20. Jahrhundert mit Holz- und Lehmfiguren üblich war. Die kleinsten unter ihnen mögen als Amulette oder Schmuck getragen worden sein.

Wann sind die Kunstwerke entstanden?

Wann genau die Skulpturen geschaffen wurden, kann nicht mit letzter Sicherheit gesagt werden. Moderne naturwissenschaftliche Untersuchungen datieren die meisten Kunstwerke der Nok-Kultur zwischen 500 vor und 500 n.Chr. Einige Forscher weiten allerdings ihren Entstehungszeitraum erheblich aus. Sicher ist jedoch, dass die Menschen der Nok-Kultur auch zu den ältesten uns bekannten Eisenschmelzern südlich der Sahara zählten. Dies belegen verschiedene Funde von eisernen Gegenständen und die Überreste von Schmelzöfen, Schlacke sowie Tonröhren für Blasebalge.

Wodurch wird die Arbeit der Archäologen erschwert?

Meist fehlt zu den Fundumständen jede Dokumentation. Die meisten Nok-Terrakotten werden in einer Tiefe von eineinhalb bis zehn Metern gefunden, und zwar vielfach von archäologischen Laien und Raubgräbern. Und die haben leider meist nur ein finanzielles Interesse an den gut erhaltenen Köpfen der Skulpturen, lassen dazugehörige Fragmente im Boden oder zerstören sie. Deshalb fällt es den Archäologen schwer, die Kunstwerke in einen historischen Kontext einzubinden, Informationen zu sammeln über die Menschen, die sie erdachten und erschufen, und über die Kultur, die sie entstehen ließ.

Wussten Sie, dass …

eine der ersten Nok-Skulpturen, die von Forschern entdeckt wurde, als Vogelscheuche gedient hatte?

die Terrakotten auf dem Schwarzmarkt für Tausende von Euro gehandelt werden?

man die Skulpturen und Gefäße der Nok-Kultur unter anderem als Grabbeigaben gedeutet hat? Allerdings wurden bislang bei Ausgrabungen keine Terrakotten in Gräbern gefunden und auch keine Menschenknochen in unmittelbarer Nachbarschaft der Kunstwerke.

Wie ist es um die Archäologie in Afrika bestellt?

Schlecht, denn fachmännische Grabungen finden im Afrika südlich der Sahara bislang nur selten statt. Dennoch werden immer wieder frühe afrikanische Kulturen mit beeindruckenden Kunstformen entdeckt. Ein großes Problem stellen die häufigen Raubgrabungen dar, die wertvolle Spuren für die wissenschaftliche Erforschung afrikanischer Vergangenheit zerstören. Und dieses Problem ist nicht neu, nachdem afrikanische Kunst bei europäischen Sammlern seit Anfang des 20. Jahrhunderts begehrt ist und deshalb viel Geld bringt.

Der Wagen von Strettweg: Kunst und Kult der frühen Kelten

Warum ist der Wagen von Strettweg so wichtig für die Forschung?

Der bronzene Wagen mit seinen vielen Figuren steht nicht nur als Kunstwerk für sich, sondern lässt auch Rückschlüsse auf seine Schöpfer zu, das Volk der Kelten, das einst weite Räume Europas besiedelte und doch so wenige Spuren hinterlassen hat. Gefunden wurde der Wagen im Jahr 1851 in einem Grabhügel bei Strettweg in der Steiermark.

Welche Figuren sind auf dem Wagen dargestellt?

Die zentrale Figur des Wagens ist eine Göttin oder Priesterin mit erhobenen Armen, die einen Kessel hält, welcher zusätzlich von Stäben gestützt wird. Ihre Gestalt ist mehr als doppelt so groß wie die anderen Personen auf dem Wagen. Sie trägt Ohrringe und einen breiten Gürtel. Der Gürtel findet seine Entsprechung in den bronzenen Gürtelblechen der damaligen Frauentracht und auch die Helme und Beile der Männer spiegeln die Funde aus dieser Zeit deutlich wider.

Vorne und hinten ist die Göttin von jeweils zwei Figurengruppen in szenischer Komposition umgeben, die ihr den Rücken zukehren. An den Achsen des Wagens stehen jeweils zwei Männer, die einen Hirsch am Geweih festhalten, dahinter befindet sich ein nacktes Paar. Die Frau trägt Ohrringe, der Mann schwingt ein Beil und ist im Begriff, den Hirsch zu opfern. Das Paar wird auf beiden Seiten von jeweils einem mit Helm, Rundschild und Speer ausgerüsteten Reiter flankiert.

Ist der Strettwegwagen ein Einzelstück?

Nein. Der Wagen steht bezüglich seiner technischen und gestalterischen Ausführung mit den spätbronzezeitlichen Kesselwagen Mitteleuropas, Skandinaviens und Italiens in Zusammenhang. Sie haben ihre Vorbilder möglicherweise in ähnlichen Wagen des östlichen Mittelmeerraums, von denen einige Exemplare des späten 2. Jahrtausends v. Chr. in Zypern zu Tage kamen.

Zeitlich und formal am nächsten steht dem Wagen von Strettweg ein ähnliches Gefährt aus dem späten 8. Jahrhundert v. Chr., das aus der Nekropole von Olmo Bello in der Toskana stammt. Auch hier tragen Frauen Gefäße auf dem Kopf und die Männer sind mit Schilden und Helmen bewehrt.

Aus welcher Zeit und Kultur stammt der Wagen?

Der Kesselwagen von Strettweg stammt aus dem 7. Jahrhundert v.Chr. und gehört zur eisenzeitlichen Hallstattkultur. Deren Kerngebiet erstreckte sich seit Mitte des 8. Jahrhunderts v.Chr. vom östlichen Alpenraum über Süddeutschland bis nach Westfrankreich. Träger der Hallstattkultur waren die frühen Kelten. So weist der Wagen einige bemerkenswerte Details auf, die ein Licht auf die keltische Welt werfen. Sehr wahrscheinlich war der Wagen Teil eines Begräbnisrituals, bei dem der Verstorbene zur Begräbnisstätte gefahren wurde und an dessen Ende der Wagen selbst als wertvolle Grabbeigabe einer herausragenden Persönlichkeit diente. Die Kessel waren vermutlich mit einer heiligen Flüssigkeit, zum Beispiel Met, gefüllt.

Welche Bedeutung haben die Figuren?

Das Opfertier, der Hirsch, war auch noch in späterer Zeit ein wichtiges Symboltier der Kelten und stand in enger Beziehung zum Gott Cernunnos, der mit einem Hirschgeweih dargestellt und als Naturgottheit verehrt wurde. Den Bezug zu Natur und Fruchtbarkeit stellt auch die Göttin her. Sie steht auf einer strahlenförmigen Bodenplatte, die als Symbol des Rades und der Leben spendenden Sonne gilt, und trägt den die Fülle repräsentierenden Kessel.

Die Aufteilung der Figuren in Gruppen zu je sechs Personen erinnert an die Aufteilung des zwölfmonatigen Jahreslaufs durch die Sommersonnenwende. Damit würde die Bewegung des Wagens auch die Bahn der Sonne versinnbildlichen. Den Künstlern des Kultwagens gelang es auf kleinstem Raum und mit sparsamen Mitteln, eine komplexe Zeremonie in bildhafter, abstrakter Symbolsprache wiederzugeben.

Wussten Sie, dass …

der Kultwagen von Strettweg einen knappen halben Meter lang ist?

der Wagen an beiden Achsen mit jeweils zwei Pferdeprotomen, also Kopfteilen von Pferden, geschmückt ist, die die Zugtiere symbolisieren?

die an den beiden Achsen des Kultwagens von Strettweg angebrachten Protome nach Ansicht der Forschung darauf hinweisen, dass der Wagen im Rahmen von kultischen Handlungen in verschiedene Richtungen bewegt wurde?

Das neubabylonische Ischtartor: Prachtarchitektur der alten Welt

Wer ließ das Ischtartor erbauen?

Der in der Bibel erwähnte König Nebukadnezar II. (604–562 v.Chr.), der Babylon nach dem Untergang des Assyrischen Reiches im Jahre 612 v.Chr. noch einmal zu einer neuen Blüte verhalf. Er stellte die Machtposition Babylons wieder her. Zugleich scheute er keine Mittel, Babylon als neue Hauptstadt der alten Welt entsprechend auszubauen. Er befestigte die Stadt durch ein doppeltes Mauersystem mit mindestens sieben Toren und es entstanden zudem neue Paläste und Tempel. Von der Architektur wie auch von den berühmten hängenden Gärten am Palast Nebukadnezars II. ist jedoch nur wenig erhalten. Eines der wenigen erhaltenen Gebäude ist das Ischtartor (um 575 v.Chr.).

Welche Funktion hatte das Ischtartor?

Das Ischtartor, das größte und prächtigste Tor von Babylon, war eines der Stadttore. Die breite Prozessionsstraße, die vom Haupttempelbezirk nach Norden zum Ischtartor führte, war mit rosa marmorierten Kalksteinblöcken gepflastert. Die Wände wurden zu beiden Seiten mit glasierten Reliefziegeln verkleidet, die rechts und links jeweils 60 majestätisch hintereinanderschreitende Löwen zeigten, jeder 1,95 Meter lang. Allein diese Monumentalität muss schon beeindruckend gewesen sein.

Was war auf dem Tor abgebildet?

Auf dem in seiner vollen Höhe mit blauen Emailleziegeln verblendeten Tor hatte man in sechs übereinander angeordneten Reihen goldfarben getönte Tierbilder eingefügt – jeweils abwechselnd ein Stier und ein »musch-chusch« genanntes Tier, eine Art Schlangengreif. Der Stier war das Symboltier des Wettergottes Adad, der Schlangengreif das des babylonischen Hauptgottes Marduk; das Symbol der Göttin Ischtar dagegen war der am Prozessionsweg dargestellte Löwe. Vermutlich hatten die Tiere Abwehrfunktion und sollten Besucher mit bösen Absichten fernhalten.

Das gesamte Doppeltor maß 48 Meter in der Länge und etwa 30 Meter in der Breite. Es wurde wiederholt umgebaut, da man mehrfach das Straßenniveau erhöhte. Das ältere Tor war mit unglasierten Ziegelreliefs verziert gewesen. Da man diese kurzerhand als Fundament für das neuere Tor genutzt hatte, blieb es – im Gegensatz zum rekonstruierten jüngeren Tor – unter dem letzten Straßenniveau erhalten.

Was führte zum Niedergang Babylons?

Der Anfang vom Ende war die Eroberung durch den Perserkönig Kyros II. im Jahre 539 v. Chr. Babylon blieb 200 Jahre unter persischer Herrschaft und verlor zunehmend an Bedeutung. Bei der Niederschlagung eines Aufstands im Jahre 482 v. Chr. zerstörte der persische Großkönig Xerxes I. die Stadt. 331 v. Chr. eroberte Alexander der Große Babylon. Er wollte die Stadt wieder aufbauen, doch bevor es dazu kam, starb er. Einer seiner Nachfolger, Seleukos, gründete südlich vom heutigen Bagdad am Westufer des Tigris eine neue Residenz, Seleukeia am Tigris. Als ein Großteil der Bevölkerung Babylons dorthin umzog, war das Schicksal der Stadt endgültig besiegelt. Sie verfiel immer mehr und geriet schließlich in Vergessenheit.

Wann begann die moderne Babylonforschung?

Vom Schutt befreit wurde Babylon erst vor einem Jahrhundert. Ab 1899 grub der deutsche Archäologe Robert Koldewey 18 Jahre lang aus und konzentrierte sich auf die Großbauten der neubabylonischen Zeit. Allerdings war aus älteren Schichten auch wenig erhalten, denn die von Nebukadnezar II. vorgenommenen Änderungen der alten Stadtanlage waren so einschneidend, dass damals nahezu alle älteren Spuren vernichtet wurden. Das Ischtartor wurde 1902 vollständig ausgegraben; dabei mussten sich die Ausgräber durch bis zu 17 Meter dicke Schuttschichten kämpfen. Im Rahmen der im Antikengesetz des Irak verankerten Fundteilung und dank des Wohlwollens der britischen Direktorin des Archäologischen Departements des Königreichs Irak, Gertrude Bell, gelangten die Ziegelbruchstücke in den 1920er Jahren nach Berlin.

In mühevoller Kleinarbeit wurden sie zusammengesetzt und in eine architektonische Rekonstruktion des Ischtartores und der Straße eingefügt; dabei muss der Besucher sich vergegenwärtigen, dass heute nur das 14,73 Meter hohe und 15,70 Meter breite Vortor mit zwei flankierenden Türmen im Berliner Pergamonmuseum zu bewundern ist. In Babylon selbst steht als Eingang zum Grabungsgelände eine Rekonstruktion im Maßstab 1:2.

Wer gab dem Tor seinen Namen?

Das Ischtartor war der Hauptgöttin der Babylonier und Assyrer geweiht. Offiziell hieß es »Ischtar-sakipat-tebischa« – »Ischtar, die Bezwingerin ihrer Feinde«. Ischtar war sowohl die Göttin der Liebe und Fruchtbarkeit als auch die ungebärdige und kriegerische Göttin der Jagd und des Krieges. Bei den Babyloniern wurde sie vor allem als Große Muttergöttin und in Verbindung mit dem Abendstern verehrt. Die Griechen und Römer kannten sie unter dem Namen Astarte. Dargestellt wurde sie entweder nackt mit großen Brüsten oder als nährende Mutter mit einem Kind an der Brust.

Etruskischer Sarkophag: Spuren einer blühenden Hochkultur

Was verrät ihre Bestattungskultur über die Etrusker?

Die farbenfrohen Wandmalereien, die Reliefkunst der Urnen und Sarkophage sowie die kleinen Beigaben aus Bronze, Eisen oder Elfenbein vermitteln das Bild einer etruskischen Welt, in der das irdische Leben in vollen Zügen genossen wurde und keine Angst vor dem Jenseits existierte. Man glaubte, der Verstorbene würde mit einem Teil seines Wesens weiterleben. So gab man ihm Speisen, Geschirr, Mobiliar, Schmuck und Waffen mit auf den Weg. Auch szenische Darstellungen wie Tänze, Spiele, Wettkämpfe und Bankette sollten ihn imaginär begleiten. Erhalten blieb unter anderem ein knapp zwei Meter langes und 1,40 Meter hohes Kunstwerk aus Terrakotta. Dieser so genannte Ehegatten-Sarkophag steht heute im weltgrößten Etruskermuseum, der Villa Giulia am Stadtrand von Rom. Die Darstellung entstammt dem 6. Jahrhundert v.Chr. (um 530–520) und wurde in einer Nekropole, einer Gräberstadt in Caere, gefunden.

Was ist auf dem Sarkophag abgebildet?

Ein Mann und eine Frau ruhen auf einer Kline, einer Art Liege, wie sie auch in Griechenland bekannt war. Das Paar hat die Beine bequem ausgestreckt und lehnt auf einem Polster. Der Arm des Mannes ist in einer liebevollen Geste um die Schulter der Frau gelegt. Die beiden sind nicht einander zugewandt, sondern richten sich frontal an den Betrachter, als würden sie die Rolle eines Gastgebers wahrnehmen.

Wie ist das Paar dargestellt?

Beide Figuren zeichnen ein kräftiger Körperbau und verhältnismäßig breite Schultern aus. Der Mann trägt einen gepflegten Bart, sein Oberkörper ist unbekleidet, die Frau dagegen ist in einen Mantel gehüllt. Dazu trägt sie spitze weiche Schnabelschuhe und auf dem Kopf einen Tutulus, eine traditionelle etruskische Kopfbedeckung. Die Gesichter sind großflächig, die mandelförmigen Augen, Nase und Lippen von knappem, scharfem Umriss, die Gesichtszüge zart und voller Anmut. Das Paar blickt uns in vornehmer Zurückhaltung entgegen und scheint uns sogar zuzulächeln.

Die Darstellung von Verstorbenen in halb aufgerichteter Haltung auf einer Liege ist ein Kennzeichen etruskischer Sepulkralplastik. Ob auf kleinen Alabasterurnen oder schweren Tuffsarkophagen: Überall ruhen Etrusker ausgestreckt und leicht zurückgelehnt, als wären sie noch lebendig. Die Griechen pflegten diese Sitzhaltung, wenn sie sich zu einem gemeinsamen Mahl einfanden.

Was ist über die Kultur der Etrusker bekannt?

Etrusker galten in der antiken Welt als unbeschwert, anpassungsfähig und trinkfest. Im Gegensatz zur griechischen und römischen Kultur war die Frau in der etruskischen Gesellschaft nach allem, was wir heute wissen, dem Mann gleichgestellt: im Spiel, in der Liebe, im Alltag und – wie der berühmte Ehegatten-Sarkophag zeigt – auch im Tod. Die etruskische Kultur kam ohne Patriarchat aus. Diese Andersartigkeit erschien den Zeitgenossen offenbar gefährlich.

Welchen Ruf hatten die Etrusker bei ihren Zeitgenossen?

Sie galten als dekadent. In Rom und Athen begegnete man der etruskischen Lebenswelt mit Hohn und Spott. Man mokierte sich darüber, dass Etrusker gar zweimal am Tag üppig tafelten und sich mit Luxus in jedweder Form umgaben. Man warf ihnen vor, sie seien verweichlicht und ließen es an Selbstdisziplin fehlen. Etruskische Frauen widmeten sich gern der Körperpflege und galten als besonders schön. Im Gegensatz zu Griechinnen und Römerinnen nahmen sie wie selbstverständlich an der Seite ihrer Ehemänner an allen gesellschaftlichen Ereignissen teil, auch wenn es sich dabei um Abendveranstaltungen mit privatem Charakter handelte.

Vor diesem Hintergrund ist der berühmte Ehegatten-Sarkophag auch ein soziologisches Dokument. Er bringt ein inniges Beisammensein zweier Menschen zum Ausdruck, eine Vertrautheit, die ohne großes Pathos daherkommt. Selten hat ein Kunstwerk die Partnerschaft zwischen Mann und Frau so eindrucksvoll beschrieben.

Wussten Sie, dass …

vieles an Kultur und Geschichte der Etrusker ein Rätsel ist? Sicher ist, dass sie im Gebiet der heutigen Toskana und von Umbrien und Latium zwischen dem 10. und 1. vorchristlichen Jahrhundert die erste Hochkultur auf italienischem Boden entwickelten.

die Etrusker Weltmeister im Agrarwesen, im Städte- und Straßenbau, in der Eisenverarbeitung und im Schiffsbau waren? Nebenbei legten sie die Fundamente der Stadt Rom.

Die Palastanlage Persepolis: Imperiale Machtdemonstration

Auf wen geht die Gründung von Persepolis zurück?

Um 520 v.Chr. legte König Dareios I. der Große (549–486 v. Chr.) den Grundstein für eine achämenidische Frühjahrsresidenz in Persepolis, obwohl er bereits zwei Hauptstädte besaß. Er wollte der Welt einen Palast präsentieren, der die Bedeutung seines Weltreichs widerspiegelte. Angeregt durch mesopotamische Vorbilder, wurde Persepolis – neben Pasargadai und Sousa – die glanzvollste der drei großen persischen Residenzen.

Allerdings war insbesondere Persepolis wohl keine Residenz im eigentlichen Sinne, sondern eher eine Art Pfalz, die der Großkönig anlässlich bestimmter Gedenktage aufsuchte und die der repräsentativen Selbstdarstellung des persischen Großkönigtums diente. Da die Perser innerhalb des Achämenidischen Reiches nur eine Minderheit bildeten, teilte Dareios I. das Reich in Provinzen ein, denen jeweils ein Satrap (Statthalter) vorstand. Die Vertreter der besiegten Länder sollten ihm in seiner Residenz ihre Aufwartung machen. Damit sie den richtigen Eindruck von der Macht des »Königs der Könige« bekamen, wurden sie über viele Terrassen und durch viele Säle geführt, ehe sie die Audienzhalle betraten.

Wie ist die königliche Residenz angelegt?

Auf einer 125000 Quadratmeter großen Terrasse, teils natürlich, teils aufgeschüttet, entstanden im Laufe von rund 60 Jahren mehrere Tore, Paläste, Schatzhäuser, der Thronsaal mit den 100 Säulen und eine alles überragende Audienzhalle (Apadana). Obwohl unter mehreren Königen erbaut, erweckt die Gesamtanlage von Persepolis einen sehr einheitlichen Eindruck. Die Anordnung der Gebäude, Freitreppen und Prunktore entspricht dem Zeremoniell der nationalen Feste, insbesondere dem der großen Neujahrsfeierlichkeiten. Gleichzeitig versuchten die persischen Baumeister und Bildhauer, aus den Traditionen des altiranischen Holzbaus und nomadischer Zeltarchitektur sowie den Techniken und Baustilen der unterworfenen Völker einen großpersischen Nationalstil zu entwickeln.

Was ist der »Zug der Unsterblichen«?

Es handelt sich dabei eigentlich um eine Darstellung von Kriegern. Vom Platz vor dem Apadana führen im Norden und Osten Treppen von beiden Seiten zu den Portiken (Vorhallen) hinauf. Die ausgedehnten Reliefs, die an der umgebenden Backsteinmauer, den Treppenaufgängen und den Wänden angebracht wurden, zeigen achämenidische Hofzeremonien. Dargestellt sind vor allem Soldaten der königlichen Leibwache, die »Unsterbliche« genannt wurden, weil ihre Zahl von 10 000 nach jedem Verlust sofort ergänzt wurde. Dazwischen befinden sich persische und medische Würdenträger, denen besonders an den Treppenaufgängen der Ostseite die Gaben bringenden Abordnungen von 23 der 28 Völker des Achämenidenreichs folgen.

Obwohl die Namen aller 28 unterworfenen Völker bekannt sind, ist es nicht einfach, die verschiedenen Gestalten zu identifizieren. Anhand typischer Attribute wie Haartracht, Kopfbedeckung, Gewandung und Schuhe sowie durch Vergleich mit Reliefs aus den verschiedenen Regionen des Reichs konnten Forscher eine einigermaßen stichhaltige Zuordnung vornehmen. So erkennt man die Meder an ihren runden oder auch dreilappigen Hüten, die Elamiter und auch die Perser tragen eine Art Faltenrock, während die Babylonier sich in ein Wickelgewand hüllen.

Wurde Persepolis fertig?

Nein, Dareios I. erlebte nur die Vollendung des Schatzhauses und des Audienzsaales. Sein Sohn Xerxes (486–465 v.Chr.) setzte die Pläne des Vaters fort, fügte das »Tor aller Länder« und seinen eigenen Palast hinzu. Er kam jedoch auch nicht zur Vollendung des monumentalen Hundert-Säulen-Saales, der erst von Dareios' Enkel Artaxerxes I. (465–423 v.Chr.) fertig gestellt wurde. Unter dessen Nachfolgern kam es ohne ersichtlichen Grund zur Einstellung aller Bautätigkeiten. Erst Artaxerxes III. (359–337 v.Chr.) setzte sie in nennenswerter Weise fort. Nach der Brandschatzung und Zerstörung durch Alexander den Großen im Jahre 330 v.Chr. verlor Persepolis zunehmend an Bedeutung, bis Erbauer und Zweck der Palastanlage vergessen waren.

Unter wem stand das Persische Reich im Zenit seiner Macht?

Seine größte Ausdehnung und seine höchste Blüte erreichte das Persische Reich unter Dareios I. dem Großen. Zu verdanken war dies dem Aufstieg der Achämeniden, die für gut 200 Jahre von der südiranischen Region Pars (griechisch Persis) aus die Macht im Vorderen Orient von Griechenland bis Indien übernahmen. Unter den Nachfolgern Dareios' I. kam es dann immer wieder zu langen, verlustreichen Kämpfen gegen die Griechen bis zum Ende des Achämenidenreichs 330 v. Chr.

Wussten Sie, dass …

sich der damalige Schah Reza Pahlevi anlässlich der 2500-Jahr-Feier des »iranischen« Königtums 1971 als Nachfolger der Achämeniden darstellte und in den Ruinen eine gigantische Historienschau ausrichtete?

den Europäern der Platz bis zu seiner Wiederentdeckung durch Pietro della Valle im 17. Jahrhundert verborgen blieb? Der Italiener unternahm eine elfjährige Forschungsreise durch den Orient.

Akropolis von Athen: Symbol eines goldenen Zeitalters

Welche Geschichte hat die Akropolis?

Der Kalksteinfelsen im Zentrum Athens war bereits in der Steinzeit bewohnt. Dann hatte ein mykenischer König hier seinen Palast und umgab ihn um 1200 v.Chr. mit einer teilweise erhaltenen Befestigungsmauer. Ein halbes Jahrtausend später entstanden Tempel, bis schließlich der ganze Berg als heilig galt. Nach der Zerstörung durch die Perser wurden Trümmer und Statuen in große Löcher geschüttet – ein Glücksfall für Archäologen und Touristen, die heute ein großartiges Museum besuchen können. Im 5. Jahrhundert v.Chr. erhielt die Akropolis (Oberstadt) das Gesicht, das sie nun wieder prägt. Dennoch ist das heutige Bild unvollständig, denn die unzähligen Weihegeschenke wie die riesige, schon vom Piräus aus sichtbare Athena Promachos (Vorkämpferin) sind verloren.

Wie ist die Akropolis aufgebaut?

Der Aufgang zur Akropolis wurde von 437 bis 432 v.Chr. vom Architekten Mnesikles gefasst. Eine 80 Meter lange Rampe führte zum Vortor (Propylon) des Tempelbezirkes, einem zentralen Torbau mit dorischer Tempelfassade sowie mit ionischen Säulen entlang des Weges durch den Bau. Rechts und links flankieren heute noch Säulenhallen auf hohen Fundamenten die Rampe. Davor steht ein hohes Pfeilermonument, das dem römischen Admiral Agrippa geweiht ist. Zur Rechten ragt eine alte mykenische Bastion vor, auf der von 427 bis 424 v.Chr. ein kleiner, gedrungener Tempel mit Säulenvorhalle auf beiden Seiten entstand. Er war der »siegreichen« Athena geweiht: der Nike-Tempel.

Welche Funktion hatte das Erechtheion?

Das Erechtheion (erbaut 421–406 v.Chr.) beherbergte viele alte Kulte unter einem Dach und ist entsprechend dieser Funktion kompliziert gebaut. Im Ostteil mit eigener Tempelfront stand das uralte hölzerne Kultbild der Stadtgöttin Athena Polias. In der tiefer gelegenen Nordhalle zeigte man eine Einschlagstelle von Poseidons Dreizack. Dahinter wurde unter anderen der mythische König Erechtheus verehrt, dessen Name auf das ganze Gebäude überging. Daneben wuchs der Olivenbaum, mit dem Athena beim Streit um Attika Poseidon ausgestochen hatte. Am bekanntesten ist die Korenhalle, bei der die Statuen von sechs jungen Frauen (Koren) die Säulen ersetzen. Hier soll sich das Grab des Kekrops, eines weiteren Königs aus der Vorzeit, befunden haben.

Wem ist der Parthenon geweiht?

Der imposante Parthenon ist der Tempel der Athena Parthenos (der »Jungfräulichen Athena«) und eines der ausgefeiltesten und am reichsten geschmückten Bauwerke der Antike. Es entstand 447– 432 v.Chr. auf Betreiben des athenischen Staatsmanns Perikles; der berühmte Bildhauer Phidias hatte die Bauleitung. Obwohl ein Bau mit acht Frontsäulen, wie in der eleganten ionischen Ordnung üblich, wurde bei diesem Tempel die gedrungenere dorische Ordnung verwendet. Ein ausgeklügeltes Maßverhältnis und kleine optisch wirksame Korrekturen gleichen diese Wirkung jedoch wieder aus – kein Stein ist hier genau wie der andere gearbeitet.

Was zeigen die Darstellungen am Parthenon?

Die Giebel zeigten im Osten Athenas Geburt, im Westen ihren Streit mit Poseidon um die Vorherrschaft in Attika; die insgesamt 92 Metopen (Felder im Gebälk) schildern mythische Schlachten. Eine Besonderheit war der 200 Meter lange Fries um die Cella. Auf ihm ist in flachem Relief der Panathenäen-Zug zu sehen, der alle vier Jahre durch die Stadt auf die Akropolis führte und in der feierlichen Übergabe eines neuen Kleides für die Göttin gipfelte. Im Inneren schuf Phidias selbst die Statue der Athena Parthenos aus Elfenbein und mehr als einer Tonne Gold. Sie war zwölf Meter hoch und teurer als der ganze Bau. Später wurde sie nach Konstantinopel gebracht und dort bei einem Brand zerstört, deshalb überliefern ihr Aussehen nur noch verkleinerte Marmorkopien aus römischer Zeit. Das ganze Bildprogramm hatte einen Zweck: Es sollte Freund und Feind beeindrucken und beweisen, dass Athen die Quelle aller Zivilisation und Kultur war.

Wie wurde der Parthenon zweckentfremdet?

Er diente im Mittelalter als Kirche, dann als Moschee. Bei der Belagerung durch den Venezianer Morosini 1687 diente er als Pulverlager und wurde durch eine Explosion zerstört. Danach bedienten sich Bildungsreisende an den Trümmern, bis 1801 Lord Elgin alle Skulpturen, die er finden konnte, entfernen ließ. Heute sind die Elgin Marbles eine Hauptattraktion des Britischen Museums in London und ein Zankapfel zwischen England und Griechenland, das seine Kunstschätze ins Land zurückholen möchte und eigens ein Museum dafür baut.

Wussten Sie, dass …

in den Ruinen der Akropolis im Mittelalter und in der Türkenzeit Häuser und Paläste errichtet wurden? Erst als Athen 1834 Hauptstadt Griechenlands wurde, wurden sie beseitigt.

die Einzelteile des Nike-Tempels nach seiner Zerstörung zunächst als Baumaterial in einer Befestigung Verwendung fanden? 1836 wurden sie wieder zusammengepuzzelt.

Die griechische Skulptur: Entdeckung der idealen Schönheit

Was stellte die griechische Skulptur dar?

Die antike griechische Bildkunst beschäftigte sich besonders mit dem Ideal und der Natur körperlicher Schönheit. Die Statuen stellten vor allem Götter und Helden sowie Personen dar, die öffentlich geehrt wurden.

Welchem Vorbild folgten die ersten Statuen?

Erste Bildwerke schufen die Griechen unter dem Einfluss der Monumentalskulptur Ägyptens. Die vierkantigen Steinfiguren haben ein Bein vorgestellt, die Arme liegen mit geballten Fäusten fest an. Noch ist die Darstellung des menschlichen Körpers formelhaft und stilisiert.

Wie entwickelte sich die griechische Bildkunst?

In der klassischen Epoche gelang der Durchbruch zur natürlich dargestellten Idealität. Die Bewegung des Körpers wurde als organische Einheit aufgefasst. Als Höhepunkt galten die Kunstregeln des Polyklet (tätig um 450–410 v. Chr.), Kanon genannt. Er wandte sie in seiner Bronzefigur des »Speerträgers« an. Praxiteles (tätig um 370–320 v. Chr.) schuf die erste nackte Frauenstatue der griechischen Kunst, die »Aphrodite von Knidos«. Nach Lysippos (tätig um 370–300 v. Chr.), dem Hofbildhauer Alexanders des Großen, orientierten sich die Künstler vorrangig an der äußeren Erscheinung. Alte und hässliche Menschen, Fischer, Marktfrauen, Kinder und das ausgelassene mythische Gefolge des Weingottes Dionysos wurden zum Thema.

Wussten Sie, dass …

die griechischen Statuen ursprünglich farbig bemalt waren?

das »archaische Lächeln« der frühen Statuen die Lebendigkeit der Person bezeichnete?

die römischen Kaiser zu Propagandazwecken offizielle Bildnisse anfertigen ließen, die in alle Provinzen verschickt wurden?

im Klassizismus J. J. Winckelmann und G. E. Lessing ihre ästhetischen Theorien auf die Betrachtung des »Laokoon« gründeten?

Die römische Skulptur: Griechisches Erbe und neue Aufgaben

Welche Einflüsse prägten die römische Bildkunst?

Die meisten Künstler, denen wir römische Werke verdanken, waren griechischer Herkunft. Rom erlag mit der Eroberung der griechischen Welt im 2. und 1. Jahrhundert v. Chr. dem Glanz der hellenistischen Kultur. Die Plünderung griechischer Städte brachte gewaltige Mengen an Reichtümern und Kunstwerken nach Rom. Zahlreiche Werke wurden als Kopien oder Varianten vervielfältigt, um die große Nachfrage zu befriedigen. Die Laokoon-Gruppe ist ein herausragendes Beispiel für die Tätigkeit griechischer Künstler in Rom.

Welche neuen römischen Kunstgattungen gab es?

Neuentwicklungen der Römer sind das realistische Porträt, die Staatsreliefs und die Sarkophagskulptur. Das realistische Porträt geht auf die Tradition von wächsernen Totenmasken im Ahnenkult zurück. Porträtbüsten dienten als Erinnerung an die Verstorbenen der Familie. Verdienten Politikern wurden auf dem Forum Romanum Ehrenstatuen errichtet.

Welchem Zweck dienten die Statuen?

Vor allem der Verherrlichung römischer Herrscher. Mit Kaiser Augustus, der von 27 v. Chr. bis 14 n. Chr. herrschte, begann eine neue Epoche. Der Kaiser griff für seine propagandistische Kunstpolitik den Stil der griechischen Klassik auf. Den augusteischen Klassizismus zeichnet eine idealisierte Würde aus sowie ein Autorität ausstrahlender Stil. Auch die folgenden Kaiser verherrlichten auf ihren Monumenten in Reliefs ihre Herrschaft und ihre Siege, wie z. B. an den berühmten Triumphsäulen Trajans und Marc Aurels.

Wie wurde die römische Skulptur aufgenommen?

Die römische Skulptur prägte seit der Renaissance die europäische Kunst. Renaissancekünstler studierten bereits im 15. Jahrhundert die römischen Sarkophage. Das römische Porträt ist Pate des neuzeitlichen. Die 1506 in Rom gefundene Laokoon-Gruppe erregte das Interesse vieler Gelehrter und Künstler. Auch für die propagandistische Nutzung der Kunst lassen sich bis ins 20. Jahrhundert Beispiele im klassischen Stil anführen.

Wie wirkten die Statuen weiter?

Jahrhundertelang galten dem Christentum die antiken Statuen als »Götzenbilder«. Seit dem Hochmittelalter wurden antike Statuen als Vorbilder verwendet, doch erst die Renaissance entdeckte die körperliche Schönheit als Ausdruck seelischer Vollkommenheit und die Idee von Kunst als Naturnachahmung wieder. Michelangelo entwickelte seinen Stil unter dem Eindruck neu entdeckter Skulpturen des Hellenismus. Der Klassizismus des 18. Jahrhunderts erhob die Antike zum verbindlichen ästhetischen Vorbild. Bis heute wirkt die antike Auffassung von körperlicher Schönheit nach.

Die Terrakotta-Armee des Qin Shihuangdi: Wächter für die Ewigkeit

Wen bewachen die Soldaten aus Ton?

Ihr Herr ist der Reichseiniger und Gründer des ersten chinesischen Zentralstaats Shihuangdi (259–210 v.Chr.), der Gründer der Qin-Dynastie. Er hatte gute Gründe, den Ort für sein Mausoleum sorgfältigst auszuwählen: Mit seinem Unterdrückungsapparat hatte er sich viele Gegner geschaffen. Auf der Grundlage der legalistischen Staatstheorie gab es drakonische Strafen für alle, die sich gegen die zur Kontrolle des Reiches durchgesetzten Vereinheitlichungsgesetze aufbäumten. Maßnahmen zum eigenen Schutz hielt der Kaiser daher für geraten. Die aus mehreren Regimentern bestehende Kampftruppe, die in Schlachtformation in fünf bis sieben Metern tief liegenden Kammern östlich des Mausoleums aufgestellt wurde, diente diesem Ziel. Süden und Norden des Denkmals waren durch natürliche Barrieren, Berg Li und Fluss Wei, abgeschirmt. Ein an der Westseite aufgefundener Schacht enthielt bemannte Streitwagen, die wohl sicheres Geleit für den Verstorbenen garantieren sollten.

Wie viele Menschen bauten am Mausoleum?

Allein für die Errichtung des Grabmals, eines der vielen Bauprojekte des Kaisers, sollen den Quellen zufolge 700000 Menschen rekrutiert worden sein. Ein Heer von Sträflingen, Handwerkern, Künstlern und Architekten arbeitete hart, um in kurzer Zeit den unterirdischen Palast des bis heute ungeöffneten Mausoleums zu errichten. Der Erste Kaiser fand nach seinem plötzlichen Tod 210 v.Chr. die letzte Ruhe in dem Palast: verborgen unter einem 46 Meter hohen Tumulus, geschützt von einer Innen- und Außenmauer und seinen Soldaten.

Wie wurde die Terrakotta-Armee entdeckt?

Im März 1974 machte man bei einer Brunnenbohrung in Lintong bei Xi'an zufällig die ersten Funde. Sie lösten in den Folgejahren eine intensive archäologische Aktivität aus. Man entdeckte vier Schächte von ungleicher Größe und unterschiedlichem Grundriss, die so genannten Gruben 1 bis 4. Dabei handelt es sich um drei Gruben für Infanteristen, Bogenschützen, Kavalleristen und Streitwagenlenker mit Pferden und Waffen sowie eine vierte leere Grube. Wegen des plötzlichen Todes des Kaisers waren die Arbeiten an dieser vierten Grube nie fertig gestellt worden. Zudem fielen vier Jahre später Hauptstadt und Nekropole Plünderungen und Brandschatzungen von Rebellen zum Opfer.

Wie umfangreich ist die tönerne Streitmacht?

Die etwa 6000-köpfige berühmte Hauptstreitmacht, die durch Korridore voneinander getrennt ist, steht in der größten der drei Gruben. Neun Kolonnen marschieren hinter einer Vorhut und sechs bemannten Quadrigen, an den Flanken gedeckt von 518 Armbrustschützen. In Zone 2 legten die Archäologen Teile einer Einheit von schätzungsweise über 1400 Streitwagen und Kavalleristen mit etwa 600 Pferden frei. In dieser Grube sind, wegen ihrer Vielschichtigkeit, erst einzelne Areale in Angriff genommen worden. Errechnet wurde die Regimentsstärke aufgrund der Vorgaben in den bereits aufgefundenen Schächten. Im dritten und kleinsten Grabungsbereich, in Grube 3, dürfte es sich wohl um die Kommandozentrale handeln. Sie ist wie ein Armeezelt gestaltet, und in einem separaten Sektor steht umgeben von Kriegern der überdachte Streitwagen des Kommandeurs.

Auf welche Weise wurden die Figuren hergestellt?

Das von überallher rekrutierte Heer der Handwerker und Künstler ging, schon allein wegen der knapp angesetzten Zeitspanne für dieses Großprojekt, arbeitsteilig zu Werke. In den Ton tragenden Lössschichten der nordchinesischen Ebenen bestand an Material für die Streitmacht der lebensgroßen Figuren kein Mangel. In Serie fertigte man zunächst standardisierte Versatzstücke wie Beine, Rümpfe, Arme, Hände und Köpfe. Dann wurden die aus Tonstreifen aufgebauten hohlen Rümpfe mit den kompakten Extremitäten und den – mit Hilfe von Hohlformen hergestellten – Köpfen zusammengefügt. Anschließend, nach Aufbringen einer dünnen Tonschicht, ging es an die Feinarbeiten. Auf die Gestaltung der individuellen Züge, auf Augen, Nase, Mund und Haartracht sowie die separat hergestellten und anschließend angefügten Ohren und Rüstungsdetails verwandte man viel Mühe. Nicht ganz zu klären ist, ob die Tonskulpturen als Ganzes gearbeitet oder in zwei Teilen – Kopf und Rumpf – gebrannt und dann auf die Sockel gesetzt wurden.

Unterstrichen wurde der gestalterische Realismus noch durch die auf eine leichte Glasur aufgebrachten Farben. Obwohl heute größtenteils verblasst, geben deren Spuren wichtige Aufschlüsse: So unterschieden sich etwa die Regimenter und ihre Untereinheiten farblich voneinander.

Nach welchen Vorbildern wurden die Krieger modelliert?

Die lebensnah ausgeführten Details der Tonsoldaten könnten zwar zu der Vermutung führen, dass es sich hier um Individualporträts handelt, man steht jedoch vor den Typologisierungen von Kriegern der Qin-Armee. In ihrer Monumentalität und Mannschaftsstärke zeugen sie von der Macht und dem Anspruch des Reichsgründers Shihuangdi, als Erster einer 10000 Generationen umfassenden Herrscherfolge in die Geschichte einzugehen.

Chinesische Mauer: Das Symbol des »gelben Reiches«

Wann entstanden erste Grenzbefestigungen des chinesischen Reiches?

Schon im dritten vorchristlichen Jahrhundert wurden unter dem ersten Kaiser des »Reichs der Mitte«, wie es sich selbst nannte, vorhandene Mauern zwischen den gerade eroberten Fürstentümern zu einem Wallsystem gegen die Reitervölker im Norden umgebaut. Zunächst bestand das Verteidigungssystem aus Erdwällen, aufgeschichteten Felsbrocken und hölzernen Palisadenwänden.

So wie Besucher dieses längste Bauwerk der Erde heute sehen, stammt es aus der Zeit der Ming-Dynastie, die nach dem Sieg über die Mongolen an die Macht kam. Die Söhne der Steppe hatten im 13. Jahrhundert ihren Einfluss immer weiter nach Süden und nach Westen ausgedehnt und beherrschten weite Teile des eurasischen Kontinents, ehe nun endlich wieder ein Chinese als Kaiser auf dem Thron saß. Jetzt errichtete man ein besonders solides Bollwerk gegen jene »Barbaren des Nordens«.

Welche Materialien wurden beim Bau der Mauer verwendet?

Bei der Chinesischen Mauer besteht nur die äußere Verkleidung aus Bruchsteinen, die allerdings über einen Meter dick sein können. Der Zwischenraum wurde mit Geröll, gestampfter Erde und anderen Materialien aufgefüllt. Es klingt überaus makaber, wenn man erfährt, dass auch die beim Bau ums Leben gekommenen Soldaten, die zwangsverpflichteten Bauern oder die Arbeitssklaven, die den Strapazen bei der Errichtung des gewaltigen Mauerwerks erlagen, als Füllmaterial herhalten mussten.

Nur durch die schwere Fronarbeit Hunderttausender, die zu jeder Jahreszeit mit bloßen Händen oder einfachen Werkzeugen zu schuften hatten, konnte dieses Jahrhundertwerk überhaupt vollendet werden.

Welche Besonderheiten weist die Mauer auf?

Sie passt sich dem Gelände an. Je nach Geländeprofil wuchs die Mauer auf drei bis acht Meter Höhe. Vom etwa sieben Meter breiten Mauerfuß aus verjüngte sich das »Wehr aus Stein« bis zur Krone auf vier bis sechs Meter Breite; die Zinnen maßen außen zwei, innen einen Meter. In Sichtweite voneinander ragten zwölf Meter hohe Türme auf, in denen Waffen und Munition gelagert wurden und die den Soldaten als Unterkunft dienten.

Welche Funktion hatte das Bauwerk noch?

Das Verteidigungswerk war auch ein wichtiges Kommunikationssystem: Auf den Wehrgängen bewegten sich Soldaten, selbst auf Pferden, wesentlich schneller als in dem umliegenden unwegsamen Gelände. Von Turm zu Turm wurden zudem tagsüber mit Flaggen, nachts mit Feuern Botschaften weitergegeben. Aus diesem Grund findet man auch im Hinterland noch Ruinen von Signaltürmen, die die Verbindung zu den weiter landeinwärts gelegenen Festungen aufrechterhielten.

Wie lang ist die Chinesische Mauer?

Diese Frage lässt sich nur schwer klären, die Vermutungen gehen weit auseinander, da es sich eigentlich um ein System von Mauern handelt, von dem weite Teile verfallen sind. Die Angaben bewegen sich zwischen 2400 und 6350 Kilometern.

Was sieht man vom Weltraum aus?

Die Mauer ist – entgegen der immer wieder aufgestellten Behauptung – vom Mond aus nicht sichtbar und auch vom Weltraum aus kann man sie trotz ihrer gewaltigen Ausmaße nicht immer erkennen. So berichtete – sehr zum Kummer seiner Landsleute – der chinesische Astronaut Yang Liwei, der im Oktober des Jahres 2003 ins All geschickt worden war: »Die Aussicht war wunderschön. Aber ich konnte die Große Mauer nicht sehen.« Zwei Jahre später will sein Kollege Leroy Chiao aber von der Internationalen Raumstation ISS aus bei schönem Wetter einen Blick auf das berühmte Bauwerk seines Heimatlandes erhascht haben.

Wie offen waren die Grenzen des »Reichs der Mitte«?

Die Chinesische Mauer war als »antibarbarischer Schutzwall« angelegt, der das »Reich der Mitte« nach außen hin abschloss und die nördliche Grenze sicherte. Aber nicht nur nach außen grenzten sich die »Söhne des Himmels« ab, sondern auch im Inneren: Mauern umgaben die Städte und teilten Stadtviertel voneinander ab, während jede Familie ihren Hof mit einer eigenen Mauer umgab. Selbst das chinesische Schriftzeichen cheng wird sowohl für »Mauer« als auch für »Stadt« verwendet. Im Gegensatz zum »blauen«, dem Meer zugewandten südlichen China blickte das »gelbe Reich«, das dem Lössboden im Norden verhaftete kaiserliche China, nach innen und schuf eine Selbstisolation, aus der es sich nur selten und unter größten Schwierigkeiten lösen konnte.

Wussten Sie, dass …

die Chinesische Mauer, korrekt aus dem Chinesischen übersetzt, eigentlich »Lange Mauer« heißen müsste?

der beim Bau verwendete Mörtel neben gebranntem Kalk den aus der chinesischen Küche bekannten Klebreis enthielt?

Der Stupa von Sanchi: Buddhistische Kunst im alten Indien

Was ist ein Stupa?

Ein Stupa ist ein dem Totengedenken gewidmetes, stets frei stehendes Gebäude. Dem Gläubigen muss es nämlich möglich sein, den Stupa in Richtung des Sonnenlaufs zu umrunden: Der Stupa symbolisiert den Himmel und der Umlauf den Weg der Sonne. Der Reliquienkasten auf der Spitze steht für den Weltenberg. Umgeben ist der Bau von einem steinernen Zaun: Innerhalb der Umfriedung wird der Kult ausgeführt.

Welche Bedeutung hat der Buddhismus in der Kunst Indiens?

Zur Zeit der Entdeckung der Anlage war der Buddhismus in seinem Herkunftsland Indien längst keine bedeutende Religion mehr. Ende des ersten nachchristlichen Jahrtausends hatte der Hinduismus ihn verdrängt. Wer jedoch in der indischen Kunstgeschichte zurück in die vorklassische Epoche geht, der stößt auf buddhistische Kunstwerke und Bauten von außerordentlich hoher Bedeutung in künstlerischer, historischer und religionsgeschichtlicher Hinsicht. Dazu gehört auch der Stupa von Sanchi.

Wie kam es zum Bau des Stupas von Sanchi?

Die ältesten Teile der Kultanlage von Sanchi, die im heutigen Bundesstaat Madhya Pradesh liegt, ließ wahrscheinlich der indische Maurya-Kaiser Ashoka (Reg. um 270–232 v.Chr.) errichten. Die Inschriftensäule mit dem charakteristischen Abschluss in Gestalt von vier Löwen, die man in der Nähe des südlichen Tores fand, wird ihm sicher zugewiesen. Aber nicht nur mächtige Fürsten, auch die reichen Handelsherren der benachbarten Stadt Vidisha förderten die Klosteranlage von Sanchi. Im 2. Jahrhundert v. Chr., unter der Shunga-Dynastie, wurde der ursprüngliche Ziegelbau dann mit Sandstein verkleidet. Er ist das älteste erhaltene Steingebäude Indiens. Aus dem folgenden Jahrhundert stammen der Steinzaun, Vedika genannt, und die prachtvoll verzierten, über zehn Meter hohen Eingangstore, die Toranas.

Warum gibt es in Sanchi keine Buddha-Bildnisse?

In dieser frühen Zeit kannte der Buddhismus noch keine figürlichen Darstellungen seines Stifters. So wurde der Buddha in Sanchi durch verschiedene Symbole vergegenwärtigt. Die Lotosblüte steht dabei für seine Geburt, der Baum für den erleuchteten Buddha, das Rad für seine erste Predigt, Fußabdrücke und Thron für seine allumfassende Anwesenheit. Auch der Stupa selbst kann dazu in Bezug gesetzt werden; er ist das Symbol des Nirvana.

Welche Geschichten erzählen die Bildfolgen auf den Toren?

Das Osttor schildert, wie der junge Prinz Siddharta den väterlichen Palast verlässt, um die Erleuchtung zu finden. Auf der Innenseite des rechten Stützpfeilers kann man den Traum seiner Mutter Maya vor seiner Empfängnis erkennen. Die Reliefs des Westtors zeigen Episoden aus den Jatakas, den Erzählungen von seinen früheren Inkarnationen. So wird etwa die Geschichte des Mahakapi dargestellt, eines früheren Buddha in Gestalt eines Affen, der seine Familie vor einem Jäger beschützte, indem er sich als lebende Brücke zwischen zwei Bäume spannte. Das Südtor kündet von der Geburt des Siddharta Gautama.

Am besten erhalten ist das Nordtor. Bekrönt wird es von einem Rad als Sinnbild für die Wunder Buddhas aus den Jatakas. Diese sind auch Thema des oberen und unteren Hauptbalkens. Der mittlere Hauptbalken erzählt von der Versuchung durch Mara, den Herrn des Bösen. Buddha wird hier als Baum dargestellt.

Welche Bedeutung haben die weiteren Figuren?

Bei den Toranas finden sich Figuren von Elefanten und Reitern. Möglicherweise verewigten sich hier einige Stifter des Klosters aus dem nahen Vidisha. Löwen, Elefanten und Yakshis, weibliche Erdgeister, stützen die untersten Architrave (Hauptbalken). Die Löwen zeigen starke Ähnlichkeit mit den Löwenkapitellen der Steinsäulen aus der Ashokazeit.

Mit dem aufkommenden Mahayana-Buddhismus, der figürliche Darstellungen des Buddha gestattet, wurden am Stupa Mitte des 5. Jahrhunderts vier Steinfiguren des Buddha aufgestellt, je eine gegenüber einem Torana. Toranas des umzäunten Bezirks vier verschiedene Stationen im Leben des Buddha variieren. Die kunstvoll ausgearbeiteten Reliefszenen erstrecken sich über die beiden vertikalen Strebepfeiler und je drei horizontale Deckbalken, die Architrave.

Was ist über den Erdgeist Yakshi bekannt?

Die Yakshi, eine der Figuren am Osttor des Stupas, ist eine Gestalt aus der indischen Mythologie, die sowohl im Buddhismus als auch im Hinduismus bekannt ist. Meist wird sie als gütige Spenderin der Fruchtbarkeit gesehen, was in Sanchi sehr beredt durch ihre üppigen Brüste und Hüften hervorgehoben wird. Doch sie hat auch eine andere, dämonische Seite, kann durch ihre Sinnlichkeit den Meditierenden stören und damit ein Hindernis auf dem Weg zur Erleuchtung sein. Ihre Darstellung an den Toranas in Sanchi lässt sich auch als Akt der Zähmung durch die Lehre des Buddha verstehen.

Wussten Sie, dass …

die buddhistische Kultanlage von Sanchi im Jahr 1818 von einem britischen Kolonialoffizier wiederentdeckt wurde?

Buddha selbst seine Jünger aufforderte, zu seinem Gedenken einen Stupa zu errichten?

Das Alexandermosaik: Griechische Kunst auf römischem Fußboden

Warum ist das Alexandermosaik so kostbar?

Mit seiner Größe, seiner dynamischen Komposition und seiner Ausdruckskraft gehört das Mosaik zu den eindrucksvollsten Bildkunstwerken der Antike. Man möchte kaum glauben, dass dieses kostbare Mosaik einst den Fußboden eines römischen Zimmers zierte.

Das Fußbodenmosaik wurde am 24. Oktober 1831 bei Grabungen in einem prunkvoll ausgestatteten Wohnhaus in Pompeji entdeckt. Der künstlerische und historische Stellenwert dieses Fundes war sofort klar. Mit seiner Größe von 5,17 auf 2,77 Meter nahm das Mosaik den gesamten Fußboden eines Raumes ein. Aus diesem Grund geht man heute davon aus, dass es eigentlich zu groß für das Zimmer war, da bei einer Möblierung die Abbildungen verdeckt worden wären. Leider ist das Mosaik teilweise beschädigt. Diese Beschädigungen entstanden aber bereits in römischer Zeit, als Pompeji im Jahr 62 n.Chr., also Jahre vor dem katastrophalen Vulkanausbruch, von einem starken Erdbeben heimgesucht wurde. Der Ausguss der schadhaften Stellen mit Mörtel zeigt, dass der letzte Besitzer anscheinend nicht mehr die Mittel hatte, das Mosaik fachgerecht reparieren zu lassen.

Was zeigt das Mosaik?

Zu sehen ist eine Szene aus der Schlacht bei Issos, in der der Makedonenkönig Alexander der Große im Jahr 333 v.Chr. den Perserkönig Dareios besiegte. Viele kennen noch aus dem Schulunterricht den Merkspruch »Drei, drei, drei – bei Issos Keilerei«.

Die dargestellte Szene zeigt den triumphalen Höhepunkt der Schlacht, nämlich jenen Moment, in dem sich der persische Großkönig zur Flucht wendet und damit sein ganzes Heer ins Verderben reißt.

Wie ist das Bild aufgebaut?

Das Mosaik gliedert sich in zwei Hälften. Auf der linken Seite des Bildes dominiert Alexander, auf seinem berühmten Pferd Bukephalos reitend. Dicht gefolgt von seinen Makedonen durchbricht er die letzte Reihe der persischen Kavallerie. Auf der rechten Seite stehen die Perser, wobei sich hier ganz klar Dareios auf seinem Kampfwagen hervorhebt. Während er noch entsetzt den Tod eines Getreuen beobachtet, der sich Alexander entgegenwirft und dabei von dessen Lanze durchbohrt wird, erkennt sein Wagenlenker die gefährliche Situation und wendet den Wagen zur Flucht. Diese gestaltet sich panikartig und so zermalmt der Streitwagen die eigenen Leute.

Die Bildkomposition lenkt das Auge des Betrachters auf die beiden zentralen Figuren Alexander und Dareios. Durch die Einfügung eines abgestorbenen Baumes im Hintergrund und Felssteinen im Vordergrund gewinnt das Mosaik an räumlicher Tiefe und schafft außerdem eine gewisse Distanz zum Betrachter.

Welches Vorbild hatte das Alexandermosaik?

Da das Mosaik einige Detailfehler aufweist, zog die Forschung den Schluss, dass es sich um die Kopie eines antiken Gemäldes handeln muss, das jedoch verloren ging. So gibt es beispielsweise an Alexanders Schulter Spuren eines Nimbus, eines Heiligenscheins, der nicht mehr ausgeführt wurde. Da das Zaumzeug und die Bewaffnung der dargestellten Soldaten hellenistische Typen der Diadochenzeit als Vorbilder haben, glaubt man heute, dass die Originalvorlage kurz nach dem Tode Alexanders entstand. Eine mögliche Datierung des Originalgemäldes wäre also die Wende des 3./2. Jahrhunderts v. Chr. Vielleicht malte es die berühmte Helena, die einzige uns überlieferte Malerin der Antike, für den ptolemäischen Königshof in Ägypten.

Genauer lässt sich das Mosaik datieren: Es entstand um 100 v. Chr., als Pompejis Bürger sich anschickten, Römer zu werden. Und so verzichtete der Auftraggeber auf die Vergöttlichung Alexanders nach hellenistischem Vorbild und akzeptierte die Detailfehler.

Wie wirklichkeitsgetreu ist Alexander dargestellt?

Nach dem Fund des Mosaiks stritten sich die Experten, ob Alexander wirklichkeitsnah dargestellt ist oder ob es sich um eine Idealisierung handelt. Dass sein Kopf mit dem zotteligen Haar, den glasigen Augen und dem flachen Hinterkopf dem antiken Schönheitsideal eher nicht entspricht, galt als Anzeichen einer realistischen Darstellung. Speziell die glasigen Augen wurden gern mit dem heftigen Alkoholkonsum des Königs in Verbindung gebracht und verstärkten die Spekulationen über eine wirklichkeitsnahe Darstellung.

Heute geht man eher davon aus, dass Alexanders Erscheinungsbild bewusst auf die Szenerie abgestimmt wurde. Indem der Künstler dem König ein wildes Aussehen verlieh, steigerte er die Dramatik der Schlacht. Auf anderen Darstellungen trägt Alexander einen Löwenhelm und so würde diese Gestaltung gut in das gängige Alexanderbild eines göttlichen Heros passen. Demzufolge schauen wir beim Alexandermosaik nicht dem großen Feldherrn ins Gesicht, sondern erblicken das Antlitz eines Gottes.

Wussten Sie, dass …

zunächst nicht klar war, was das Mosaik in dem pompejanischen Haus zeigte? Erst ein Jahr nach der Auffindung interpretierte der italienische Forscher Antonio Niccolini die Darstellung auf dem Mosaik als Szene aus der Schlacht bei Issos.

der namhafte Altertumswissenschaftler Ernst Robert Curtius das Alexandermosaik als königlichstes Bild der Welt bezeichnet hat?

das Alexandermosaik aus ca. vier Millionen Steinchen besteht?

Der Konstantinsbogen: Eine steinerne Lobeshymne

Was symbolisiert der Konstantinsbogen?

Der Ehrenbogen für Kaiser Konstantin ist nicht nur Denkmal für einen Herrscher, sondern auch für die historische Wende im römischen Imperium, denn mit Konstantin stieg das Christentum zur Staatsreligion auf. Das Bauwerk gilt als schönster und besterhaltener aller römischen Triumphbögen.

Warum wurde der Bogen errichtet?

Rom liebte nichts mehr als den Erfolg. Den siegreich heimkehrenden Feldherren wurden Triumphbögen errichtet, Torbauten mit Inschriften, schmückenden Reliefs und Skulpturen. Den Konstantinsbogen ließen Senat und Volk Roms um 315 n.Chr. für den Imperator Caesar Flavius Constantinus Maximus, kurz: Kaiser Konstantin den Großen (Reg. 306–337) errichten. Anlass war sein 10-jähriges Regierungsjubiläum und der entscheidende Sieg über den Mitregenten Maxentius. Der Konstantinsbogen war der letzte seiner Art, den das antike Rom aufstellen ließ.

Warum ist die Ehrung des Kaisers zwiespältig?

Weil das Imperium zu Beginn des 4. Jahrhunderts in einer schweren Krise steckte. Hatte Rom doch nicht militärisch über äußere Feinde triumphiert – der Konstantinsbogen feierte vielmehr den Sieg eines römischen Mitregenten über seinen Rivalen. Die innere Zerrissenheit war offenkundig. Auch die Ausführung des Monuments spiegelt die damaligen Verhältnisse wider: Mitten in der Stunde des größten Jubels zeichnen sich bereits die ersten Verfallserscheinungen ab.

Woher stammt das Material für den Bau des Triumphbogens?

Die meisten Reliefs der Schaufronten gehen auf ältere Denkmäler für Trajan, Hadrian und Marc Aurel zurück. Bei der Wiederverwendung hat man die Köpfe der Kaiser vielfach entfernt und durch das Bildnis Konstantins ersetzt. Aus trajanischer Zeit (98–117) stammen die vier Säulen mitsamt den Figuren im Attikabereich, die gefangene Daker darstellen, sowie die Reliefs an den Schmalseiten der Attika. An Trajans Daker-Kämpfe erinnern auch die Wandreliefs im Hauptdurchgang. Für Hadrian (117–138) waren die runden Medaillons mit Jagd- und Opferszenen angefertigt worden, die im Konstantinsbogen nun über den Seitendurchgängen zu sehen sind. Die Attikareliefs der Nord- und Südseite stammen von einem im Jahr 176 für den Kaiser Marc Aurel errichteten Triumphbogen.

Wie werden die wiederverwendeten Stücke gedeutet?

Die älteren Bildwerke könnten als Spolien (wiederverwendete Stücke älterer Monumente) gedeutet werden, deren Anbringung auf einen symbolischen Charakter hinweist. Sie spielen vielleicht auf die damals heiß ersehnte Erneuerung des Reiches an, die Konstantin bewirken sollte. Während ihn die große Inschrift in der Attika als Befreier und Friedensstifter ehrt, werden ihm ruhmreiche Vorgänger als Leitbilder zur Seite gestellt. Siegreich wie Trajan, mutig wie Hadrian und weise wie Marc Aurel soll Konstantin Macht und Ansehen des Reiches mehren.

Was zeigen die neu gefertigten Stücke?

Zu den neu angefertigten Stücken zählen diverse Bau- und Dekorationselemente: die Sockelreliefs mit Kriegsdarstellungen, die Bogenzwickel mit Siegesgöttinnen und Flussgöttern, die Medaillons mit Sonne und Mond an den Seitenwänden und die Büsten in den Nischen der Seitendurchgänge. Auch die sechs schmalen Friesreliefs über den Seitendurchgängen und an den Schmalseiten stammen aus der Zeit um 315, sie berichten von Konstantins Schlachten. Konstantin und sein Heer zogen aus Mailand ab, belagerten Verona und siegten schließlich über Konstantins Rivalen Kaiser Maxentius an der Milvischen Brücke. Danach sprach der neue Kaiser zum römischen Volk, umgeben von Senatoren und der Garde. An den Seiten der Rednerbühne erkennt man die Statuen der thronenden Kaiser Hadrian und Marc Aurel. Das Volk hört aufmerksam zu. Im Hintergrund zeichnen sich die Umrisse anderer Bauwerke auf dem Forum Romanum ab. Der Bilderreigen des Triumphbogens schließt mit einer Szene, in der Konstantin großzügig Geldgeschenke an das versammelte Volk verteilt.

Wussten Sie, dass …

Konstantin vor der Schlacht mit Maxentius in einer Vision das Kreuz Christi und die Worte »Unter diesem Zeichen siege!« gesehen haben soll?

der spätere Kaiser Konstantin im Sieg über seinen Rivalen Maxentius einen Gnadenbeweis des Christengottes sah und den Christen daraufhin volle Religionsfreiheit gewährte?

der Konstantinsbogen ursprünglich von einem Viergespann gekrönt gewesen sein soll? Diese Quadriga verschwand aber unter dem Ansturm der Völkerwanderung im 5. Jahrhundert.

Wie kam es zum Niedergang Roms?

Die Hauptstadt des Imperiums baute ihrem Kaiser einen Triumphbogen – und wurde bitter enttäuscht. Konstantin verlegte die Hauptstadt im Jahr 330 aus strategischen Gründen in das weiter östlich gelegene Byzanz, das er in Konstantinopel umbenennen ließ (heute Istanbul). Der Niedergang der ewigen Stadt am Tiber, die das Imperium einst hervorgebracht hatte, war fortan nurmehr eine Frage der Zeit.

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