Wissensbibliothek

Armstrongs Hot Five, Hot Seven: Der Jazz gelangt zu Weltruhm

In welchem Milieu wuchs Louis Armstrong auf?

Louis Armstrong (1901–1971), dessen markante Stimme, klarer Ton und ausgelassenes Temperament den Jazz um 1925 weltweit populär machten, kam aus New Orleans; seine Eltern stammten vom Land. Die Mutter war von den Zuckerrohrfeldern Louisianas in die Hafenstadt am Mississippi gezogen. Der Vater kam aus St. Charles Parish und verließ die Familie bereits kurz nach der Geburt des kleinen Louis am 4. August 1901. So wuchs der Junge in einem Wechselbad der Lebensanschauungen auf: Auf der einen Seite versuchte ihn seine streng katholische Großmutter Josephine auf den rechten Weg zu bringen, auf der anderen Seite lockten die Klänge des in der Nachbarschaft gelegenen Vergnügungsviertels Storyville mit seinen Bars und Bordellen.

Wie begann Armstrongs musikalische Laufbahn?

Sie begann mit einem Desaster. In der Silvesternacht 1912/13 hatte der übermütige Junge mit einem Revolver in die Luft geschossen. Daraufhin wurde er in ein Erziehungsheim gesteckt, was einerseits militärische Schikane bedeutete, aber andererseits auch die Chance auf einen weiterführenden Unterricht bot. Der Junge, der mit Singen auf der Straße gelegentlich ein paar Cents verdient hatte, wurde von Peter Davis systematisch in das Kornettspiel eingeweiht. Armstrong fand Spaß an dem Instrument und trieb sich nach seiner Entlassung oft in Storyville herum, um den damals populärsten Kornettisten der Stadt, King Oliver, zu hören und dessen Musik zu imitieren. Zwischen den beiden entstand eine Zweckfreundschaft, die dazu führte, dass er 1917 Olivers Platz in der Band von Kid Ory übernehmen durfte.

Wo spielte der Kornettist in den 1910er Jahren?

Mit dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg wurde New Orleans als Militärstützpunkt reaktiviert und das Vergnügungsviertel Storyville geschlossen. Hunderte arbeitsloser Musiker wanderten auf der Suche nach Jobs die Flüsse entlang; Armstrong kam in Showbands auf Mississippi-Dampfern unter. Er lernte bei Fate Marables, dann bei Oscar Celestin und Zutty Singleton. Mit Talent und Beobachtung entwickelte er einen charakteristischen, brillanten, kraftvollen und melodisch einfallsreichen Sound und Stil. Stars wie Bessie Smith, Ma Rainey und Fletcher Henderson wurden auf ihn aufmerksam. An ihrer Seite wurde der Kornettist aus New Orleans zum Aufsteiger der frühen Jazz-Zwanziger.

Wer gab Armstrong den entscheidenden Anstoß?

Kurz nach der Trennung von seiner ersten Frau Daisy lernte Armstrong die Pianistin Lilian »Lil« Hardin kennen. Sie spielte bei King Oliver, bei dem der Trompeter sich wieder verdingt hatte. Aus der Freundschaft wurde 1924 eine Ehe. Hardin nahm sich vor, ihren trotz des einsetzenden Erfolges schüchternen und ein wenig ungehobelten Mann aus dem Schatten Olivers herauszuholen. Beruflich erfolgreich und unabhängig, konnte sie Louis über Durststrecken hinweghelfen. Als es Unstimmigkeiten in der Oliver-Band gab, schlug sie vor, eine eigene Combo zu gründen.

Wie gelang der endgültige Durchbruch?

Ende 1925 entstanden die »Hot Five« mit Louis, Lil, dem Posaunisten Kid Ory, dem Klarinettisten Johnny Dodds und Johnny St. Cyr am Banjo – eine ungewöhnliche Formation, zugeschnitten auf die Bedürfnisse des Plattenstudios. Lil hatte den Kontakt zu Okeh hergestellt, dem führenden Label für (schwarze) »race records«. Zwischen Februar 1926 und Dezember 1928 entstanden fünf Dutzend Aufnahmen mit den »Hot Five« und den »Hot Seven« (Pete Briggs/Tuba, Barry Doddy/Schlagzeug), die Jazzgeschichte schrieben.

Wie wurden die Stücke eingespielt?

Die Produktionsbedingungen waren simpel. Okeh rief bei den Musikern an und engagierte sie für einen Termin. In der Regel wurden vier Stücke archiviert. Jeder Beteiligte bekam 50 Dollar auf die Hand, um den Rest kümmerte sich anschließend das Label. Zunächst verwandte Okeh wenig Mühe auf die Aufnahmen. Erst als sich Armstrongs Erfolg abzeichnete, ging man sorgfältiger vor. Bis zum 27. November 1926 wurden 26 Lieder der »Hot Five« festgehalten (darunter »Cornet Chop Suey«, »Muskrat Ramble«), bis Mai 1927 folgten weitere elf mit den »Hot Seven« (darunter »Potato Head Blues«, »Wild Man Blues«). Der Rest entstand bis zum 5. Dezember 1928 wieder zu fünft (darunter »West End Blues«, »Basin Street Blues«).

Worauf gründete sich der überwältigende Erfolg?

Für die Zeit ungewöhnlich klar war der Sound der unüblichen Besetzung, der die traditionellen Stilelemente aus New Orleans mit der freieren Gestaltung der Chicago-Szene verband. Armstrong selbst entwickelte sich innerhalb dieser zwei Jahre vom versierten Satzspieler zum hervorragenden Solisten mit den für ihn typischen Hochtonkaskaden. Auch wenn der Erfolg mit Einsetzen der Rezession zunächst stagnierte, wurden diese Aufnahmen zum Fundament von Armstrongs Weltruhm.

Wussten Sie, dass …

Louis Armstrong sich ein Jahr älter machte, als er war? Er gab als Geburtsdatum bis zu seinem Tod stets den 4. Juli 1900 an. Ein Grund für die »Zahlenkosmetik« dürfte gewesen sein, dass er so eher Zutritt zu den Bars von Storyville hatte. Der 4. Juli dagegen ist der Nationalfeiertag der Vereinigten Staaten.

Auf_1.jpg
Wissenschaft

Gesunde Ernährung ist Gen-Sache

Was wir essen, kann unser Erbgut verändern – und umgekehrt regeln die Gene, welche Lebensmittel wir gut vertragen. Neue Erkenntnisse könnten helfen, für jeden Einzelnen passende Ernährungstipps zu finden. von JÜRGEN BRATER, ILLUSTRATIONEN: RICARDO RIO RIBEIRO MARTINS Haben Sie sich auch schon einmal gefragt, warum manche Menschen...

Mann, Arbeit, Tier
Wissenschaft

Exotisches Teilchen

Am CERN und am Fermilab wurde das lang gesuchte Odderon nachgewiesen, das ein Phänomen der stärksten Kraft im All ist. von DIRK EIDEMÜLLER Die Welt der kleinsten Teilchen ist seltsam – und die jüngste Entdeckung der Teilchenphysiker trägt diese Eigenartigkeit sogar im Namen: Zwei internationale Forschergruppen haben den Nachweis...

Mehr Artikel zu diesem Thema

Weitere Lexikon Artikel

Weitere Artikel aus dem Wahrig Synonymwörterbuch

Weitere Artikel aus dem Wahrig Fremdwörterlexikon

Weitere Artikel aus dem Wahrig Herkunftswörterbuch

Weitere Artikel aus dem Wahrig Herkunftswörterbuch

Weitere Artikel aus dem Vornamenlexikon