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Warum macht das Smartphone uns unzufrieden?

Über drei Stunden verbringen wir jeden Tag an unserem Smartphone. Kann das gut für unsere Psyche sein? Nicht wirklich, sagen die meisten wissenschaftlichen Studien zu dem Thema. Doch warum macht uns exzessive Handynutzung so unglücklich? Wie viel Smartphone ist zu viel? Und wären wir alle glücklicher, wenn wir stattdessen in völliger Handy-Abstinenz leben würden?
AMA, 19.09.2024
Smartphonenutzer

© blackCAT, iStock

Unser Smartphone ist ein wahres Multitalent: Es ist Lexikon, Landkarte, Wettervorhersage, Mailfach, Videothek, sozialer Knotenpunkt und vieles mehr. Kein Wunder also, dass wir im Schnitt Dreieinviertelstunden pro Tag am Handybildschirm kleben. Unserer mentalen Gesundheit schadet diese intensive Nutzung jedoch häufig.

Von Schlafstörungen bis Depressionen

Menschen, die ihr Smartphone übermäßig stark nutzen, tendieren wissenschaftlichen Studien zufolge stärker dazu, psychische Probleme zu entwickeln – darunter Angststörungen und Depressionen. Dieser Zusammenhang entsteht auf unterschiedlichsten Wegen. So kann die ständige Erreichbarkeit unserer modernen Welt zum Beispiel vermehrt für Stress sorgen und Angst davor auslösen, etwas Wichtiges zu verpassen. Dadurch können wir selbst in unserer Freizeit nicht richtig abschalten.

„Außerdem kann die übermäßige Nutzung von Smartphones den Schlaf beeinträchtigen, der für die psychische Gesundheit von entscheidender Bedeutung ist“, erklärt die Columbia University. Ursächlich dafür ist vor allem die spätabendliche Nutzung des Handys. Das helle, blaue Licht des Bildschirms macht unser Gehirn wach und erschwert dadurch sowohl das Ein- als auch das Durchschlafen.

Es ist allerdings nicht nur die Bildschirmzeit an sich, die uns zusetzt, sondern auch bestimmte Aktivitäten, mit denen wir diese füllen. Als potenziell schädigend für unsere mentale Gesundheit hat sich vor allem die intensive Nutzung sozialer Medien erwiesen, wie die Columbia University berichtet: „Soziale Medienplattformen können zu Gefühlen der Unzulänglichkeit und eines geringen Selbstwertgefühls beitragen. Die Tendenz, sich mit anderen zu vergleichen, und der Wunsch nach Bestätigung durch Likes und Kommentare können zu einem verzerrten Selbstbild und Gefühlen der Wertlosigkeit führen.“

Massive Bildschirmzeit macht unzufrieden

Damit übermäßige Smartphone-Nutzung uns schadet, muss sie aber nicht erst psychische Probleme hervorrufen. Ein Forschungsteam der San Diego State University hat herausgefunden, dass exzessive Bildschirmzeit uns auch fernab klinischer Symptome einfach unzufriedener stimmt. Daten von mehr als einer Million US-amerikanischer Jugendlicher haben demnach ergeben, dass diejenigen, die weniger Zeit am Handy und mehr mit Freunden und Sport verbachten, deutlich glücklicher waren als handyvernarrte Gleichaltrige.

Das bestätigt sich auch in Studien der Ruhr-Universität Bochum. Dort profitierten viele Studienteilnehmer bereits enorm davon, ihre Smartphone-Zeit gerade einmal eine Woche lang um eine Stunde täglich zu reduzieren. Sie berichteten von gestiegener Lebenszufriedenheit, von mehr Motivation auf der Arbeit und von zurückgegangenen Depressions- und Angstsymptomen. Auch sonst hatte die reduzierte Handynutzung einige Vorteile für die Gesundheit der Probanden: Sie rauchten deutlich seltener und trieben mehr Sport. 

Wie viel Smartphone ist zu viel?

Angesicht dieser Studiendaten könnte man natürlich argumentieren, die beste Handynutzung wäre gar keine. Doch interessanterweise ist eine komplette Smartphone-Abstinenz langfristig nicht unbedingt effektiver als eine reine Reduzierung der Bildschirmzeit, wie Julia Brailovskaia von der Ruhr-Universität Bochum herausgefunden hat. Diejenigen, die in ihren Experimenten das Handy pro Tag eine Stunde weniger benutzt hatten, nutzten es selbst vier Monate später – also lange nach Abschluss des Experiments – immer noch rund 45 Minuten weniger. Bei denjenigen, die während des Experimentzeitraums komplett auf ihr Smartphone verzichten mussten, waren es 38 Minuten.

Daraus schließt Brailovskaia: „Es ist nicht nötig, komplett aufs Smartphone zu verzichten, um sich besser zu fühlen. Möglicherweise gibt es eine optimale tägliche Nutzungsdauer.“ Die könnte demnach bei rund zwei Stunden pro Tag liegen, variiert aber wahrscheinlich von Person zu Person. Wichtig ist in jedem Fall, darauf zu achten, ab wann die Smartphonenutzung einem mehr schadet als nutzt und rechtzeitig gegenzusteuern.

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