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Arbeiten, wo andere Urlaub machen

Videocall aus Windhoek, Webdesign in der Toskana oder Programmieren in Patagonien: Immer mehr Menschen entscheiden sich dafür, im Winter ihren Koffer oder Rucksack zu packen und für mehrere Monate in den Süden zu ziehen. Sie machen jedoch keinen Urlaub, sondern arbeiten einfach von dort aus – quasi Fernoffice statt Homeoffice. Doch wie gut funktioniert eine solche "Workation"? Was muss man beachten? Und was sind die Hürden?
THE, 11.03.2024
Symbolbild Workation

© kitzcorner, iStock

Ich bin dann mal weg! Immer häufiger packen reiselustige Berufstätige ihre Koffer, fliegen in ein fernes Land und erledigen ihre Arbeit und Jobs am PC von der Ferienwohnung aus. Auch auf Instagram ist der Trend sichtbar: Unter dem Hashtag #remotework finden sich beispielsweise 2,2 Millionen Beiträge. Die Bilder zeigen in der Regel die typische Urlaubskomposition aus Strand, Cocktail und strahlendem Sonnenschein – kombiniert mit Arbeitslaptop. Beim Hashtag #Workation erscheinen ebenfalls rund 401.000 Ergebnisse.

Das Wort „Workation“ ist ein Kofferwort, das sich aus den Begriffen „Work“ und „Vacation“ zusammensetzt und damit ins Deutsche übersetzt eine interessante Kombination aus Urlaub und Arbeit verspricht. Doch während andere Fernarbeiter wie die sogenannten Digitalen Nomaden Jahre oder sogar ein Leben lang durch die Hotspots der Welt jetten, ist die typische Workation von kürzerer Dauer. Von zwei Tagen Niederbayern bis vier Monaten Bali ist dabei alles möglich. Am gewählten Ort wohnen die „Workationistas“ häufig in Ferienwohnungen mit stabiler Internetverbindung, der feste Wohnsitz der Remote-Reisenden bleibt jedoch im Heimatland.

Winterflucht ist Hauptgrund für Workation

Die Vorstellung, vormittags vom Laptop aus zu arbeiten und danach wahlweise auf den Wellen des französischen Atlantiks zu surfen oder die Alpen zu erklimmen, begeistert viele. Besonders beliebt sind Workations jedoch bei jungen Menschen um die 30 Jahre. Die meisten unter ihnen sind von Familie, Eigentum, Haustieren oder anderen Verpflichtungen noch relativ frei und wollen fremde Länder und exotische Orte erkunden, bevor sie sich fest an einem Ort niederlassen. Eine Workation bietet hier die perfekte Gelegenheit.

Ein weiterer Grund für den mehrmonatigen Arbeitsaufenthalt im Ausland ist die Winterflucht. Laut dem Ferienunterkunft-Anbieter Airbnb finden die meisten längerfristigen Urlaubsaufenthalte zwischen November und März statt. Dazu passt auch eine Umfrage der Webseite workation.de: So ziehen rund 82 Prozent der Befragten einen Aufenthalt im sonnigen Spanien oder Italien den kalten Wintermonaten in Deutschland vor. Neben dem Wunsch, Sonne zu tanken, erhofften sich die Befragten von ihrer Workation außerdem Erholung und Abwechslung.

Produktiver arbeiten in der Südsee

Abends Cocktails am Strand auf Mallorca, morgens wieder am Laptop zuverlässig arbeiten – das klingt fast schön, um wahr zu sein. Welcher sonnen-ausgehungerte Mitteleuropäer hat schon die innere Disziplin, an Tag eins der Workation bei Top-Temperaturen und Sonne satt hoch motiviert am Laptop zu sitzen und dröge Daten in eine Tabelle einzutragen? Derartige Gedanken schießen vermutlich vielen Arbeitgebern durch den Kopf, wenn ihre Angestellten sie um einen Auslandsaufenthalt bitten.

Doch diese Sorge scheint unberechtigt: Angestellte des IT-Dienstleiters „doulbleslash“ durften im Projekt WILA bis zu acht Wochen pro Jahr in ihrem persönlichen Paradies arbeiten. Mit Erfolg: „Unsere Erfahrungen aus dem Pilotprojekt haben uns gezeigt, dass Workation eine großartige Möglichkeit ist, Arbeit und Freizeit auf harmonische Weise zu verbinden. Wir glauben fest daran, dass dieses Modell nicht nur flexibles Arbeiten fördert, sondern auch zu einer ausgewogenen Work-Life-Balance beiträgt“, berichtet Julia Hensle aus der Personalabteilung.

Dass Workations die Arbeitsmoral der Angestellten eher erhöht als runterzieht, zeigt auch eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation: Wer sein Arbeitsumfeld ändert und am Feierabend beispielsweise statt durch den Großstadtdschungel durch den echten Dschungel tigert, ist am Ende inspirierter und hat neuen Elan. Das wiederum erhöht die Leistung bei der Arbeit. Die BBC zitiert eine Studie, in ebenfalls der mehr als vier Fünftel der Befragten angaben, dass die Workation ihre Produktivität und Kreativität gesteigert habe.

Antragstellerin bei der Abgabe von Unterlagen in einer Visaabteilungelle
Arbeitsaufenthalte im Ausland können mit erheblichem Organisations- und Rechercheaufwand verbunden sein.

© mediaphotos, iStock

Beliebter Arbeitstrend

Auch aus diesem Grund erfreuen sich Langzeittrips in andere Länder zunehmender Beliebtheit. „Es kommen immer mehr Arbeitnehmende dazu, die einen festen Wohnsitz haben, aber trotzdem sagen, ich möchte mal für ein, zwei Monate oder auch nur für ein paar Wochen im Ausland arbeiten“, berichtet Katharina Dienes vom Fraunhofer IAO. Laut ihr war die Corona-Pandemie der „Brandbeschleuniger“ für den Workation-Trend. Denn wer seine Kollegen im Homeoffice ohnehin nur im Videocall zu Gesicht kriegt, kann das Gespräch genauso gut aus dem 6.000 Kilometer entfernten Bombay statt dem 30 Kilometer entfernten Brandenburg führen.

Zahlreiche deutsche Unternehmen springen mittlerweile ebenfalls auf den fahrenden Zug auf: Laut einer Umfrage bieten fast zehn Prozent ihren Angestellten die Möglichkeit zur Workation. Die meisten dieser Unternehmen, darunter Tschibo, Daimler oder Hugo Boss erlauben zeitlich begrenzte Kurztrips von zwei bis vier Wochen im Jahr. Zwei der aufgeführten Unternehmen hingegen lassen ihre Angestellten für eine gefühlte Ewigkeit ausreisen: Idealo und die Internationale Hochschule erlauben 183 und 182 Tage lange Workations.

Die Bürokratie steht im Weg

Dass trotzdem alle erlaubten Workation-Zeiträume unter 183 Tagen liegen, ist keinesfalls Zufall. Wenn Arbeitnehmer länger im Ausland tätig sind, greift deren Lohnsteuerpflicht nicht mehr in Deutschland, sondern im Land der Workation. Darüber hinaus müssen sich Unternehmen schlaumachen, welche Regeln im Ausland zu Datenschutz, Arbeitszeit und Arbeitsschutz gelten. Ansonsten könnten deftige Geldstrafen folgen. Wegen des großen Organisationsaufwands, der mit Workations verbunden sein kann, zögern einige Unternehmen noch, ihre Angestellten in den Süden fliegen zu lassen.

Das Problem zu umgehen und ohne offizielle Erlaubnis den Traum vom Arbeitsparadies zu verwirklichen, ist ebenso riskant. "Dem Arbeitgeber drohen dann möglicherweise Bußgelder und Strafen. Und das wird er den Arbeitnehmern sicherlich dann in Rechnung stellen – möglicherweise durch Sanktionen seinerseits. Deswegen ist es auf jeden Fall gut, den Arbeitgeber rechtzeitig vorzuwarnen, sodass dieser entsprechenden Vorkehrungen treffen kann", warnt Till Bender von der DGB-Rechtsschutz GmbH gegenüber dem br.

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