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Debussys Après-midi d'un faune: Musikalischer Impressionismus

Was war so revolutionär an Debussys Meisterwerk?

Claude Debussy (1862–1918) verführt in seinem »Vorspiel zum Nachmittag eines Fauns« mit einem sehr raffinierten Spiel von Klangfarben und Formen. Um ein Missverstehen seines Werks als Programmmusik von vornherein auszuschließen, ließ er dem Publikum folgende Mitteilung übergeben: »Die Musik dieses Vorspiels ist eine ganz freie Interpretation des schönen Gedichts von Mallarmé. Sie will es keinesfalls resümieren. Es handelt sich vielmehr um aufeinander folgende Stimmungsbilder, in denen sich die Begierden und Träume des Fauns an einem heißen Nachmittag spiegeln. Müde der Jagd auf ängstlich fliehende Nymphen und Najaden, überlässt er sich schließlich dem betäubenden Schlummer, der seine Träume von der totalen Macht in der allumfassenden Natur erfüllt.« Musikalisch beginnt das 20. Jahrhundert 1894 mit dem »Vorspiel zum Nachmittag eines Fauns«.

Wie wurde das Werk vom Publikum aufgenommen?

Das »Vorspiel«, das in den Jahren von 1892 bis 1894 entstanden war, wurde am 22. Dezember 1894 in der Société Nationale Paris uraufgeführt. Der Dirigent Gustave Doret erinnerte sich: »Es herrschte große Stille im Saal, als ich das Podium bestieg und unser glänzender Flötist Barrère die Eröffnungsmelodie spielte. Sofort spürte ich [...], dass die Zuhörerschaft ganz gebannt lauschte. Es wurde ein Triumph auf der ganzen Linie.«

Weniger harmonisch hingegen waren die Proben verlaufen. Die ungewohnte Komposition spieltechnisch zu bewältigen war eine Aufgabe, die die Nerven der Musiker strapazierte. Dass Debussy sie zusätzlich mit ständigen Änderungen belastete, steigerte die explosive Stimmung noch weiter. Alles, was Debussy seinem inneren Ohr an Klangvaleurs, an orchestralen Farbnuancen und Transparenz abgelauscht hatte, musste durch das erste Hörerlebnis überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden.

Wie wird die sommerliche Atmosphäre erschaffen?

Die virtuose Instrumentierung erzeugt einen Nuancenreichtum an Klängen, wie man ihn zuvor nicht kannte. Dabei erzielt Debussy eine atmosphärische Verdichtung, die den mediterranen Sommernachmittag mit seiner flirrenden Hitze geradezu körperlich spüren lässt. Trompete, Posaune und Schlagzeug wird man in dieser Partitur vergeblich suchen, würden sie doch kontrastierende Schärfen ins Spiel bringen, die dem Stimmungscharakter der Musik fernliegen.

Längst führt das »Prélude à l'après-midi d'un faune« ein Doppelleben, denn es zählt nicht nur zum festen Repertoire der Konzertsäle, sondern hat sich auch die Ballettbühne erobert. Das erotische Spiel des Fauns, zwischen Leidenschaft und schläfriger Mattigkeit changierend, prädestiniert diese Musik für die tänzerische Darstellung.

Wie entsteht der impressionistische Grundton?

Das Geheimnis des schwebenden Flairs des Werks liegt in der Verschmelzung von Variation, Sonaten- und Liedform. Die Form wird selbst zum Spiel und gewinnt dabei an improvisatorischer Prägnanz. Das Kernthema des »Prélude à l'après-midi d'un faune« ist der Soloflöte zugeordnet, dem Sinnbild des Fauns. Schon zu Beginn setzt es sich, zu diesem Zeitpunkt noch frei von jeglicher Harmonisierung, in absteigender Chromatik in Szene. Zehnmal wiederholt, durchzieht es die ganze Partitur, doch niemals bleibt es gleich, sondern ändert seine orchestrale Farbe durch wechselnde Harmonisierungen. Rhythmische Veränderungen, Akkorde der Ganztonleiter, Akkorde ohne feste Tonart oder auch ein Orgelpunkt auf der Tonika sind Beispiele für die unterschiedlichsten Belichtungen, in denen der Komponist seinen Faun auf musikalischem Wege darzustellen versteht. Mit solch »pointillistischer« Technik wurde der Komponist Claude Debussy zum Begründer des musikalischen Impressionismus.

Wie wurde Claude Debussy zu einem der Wegbereiter der Moderne?

Claude Debussy wurde am 22. August 1862 in Saint-Germain-en-Laye bei Paris in eine kleinbürgerliche Familie geboren. Er besuchte nie eine Schule, hatte aber das Glück, dass eine vermögende Dame auf ihn aufmerksam wurde und seine musikalische Ausbildung übernahm, so dass er als 10-Jähriger Klavierunterricht am Pariser Konservatorium erhielt, wo er später auf Komposition umsattelte. Zunächst schlug er sich mit kleinen Kompositionen und als Musikkritiker durch. Auf der Weltausstellung 1889 in Paris kam Debussy mit asiatischer Musik in Kontakt, die ihn tief beeindruckte und deren schwebender Klang sich auch in seinem »Prélude« von 1894 wiederfindet. Das Orchesterwerk »Les Nocturnes« wurde 1900 ebenfalls ein großer Erfolg. Debussy starb am 26. März 1918 in Paris.

Wussten Sie, dass …

selbst Stéphane Mallarmé (1842–1898), dessen symbolistische Ekloge »L'après-midi d'un faune« (1876) Claude Debussy zur Komposition angeregt hatte, begeistert von dem Werk war? Und das will etwas heißen bei Dichtern, die die musikalische Anverwandlung ihrer Poesie mit größter Skepsis zu begleiten pflegen: »Ihre Vertonung [...] bildet keine Dissonanz zu meinem Text, sie übertrifft ihn eher an Sehnsucht und an Licht, mit ihrer Feinheit, ihrer Schwermut, ihrem Reichtum.«

Im Eis sind Mammutleichen gut konserviert (Illustration). ©Colossal Biosciences
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