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Die Grenzen des Wachstums

Was erschütterte den Glauben ans Wachstum?

Das Buch »Die Grenzen des Wachstums« (1972) erschütterte den Glauben, Wachstum und technischer Fortschritt könnten dauerhafte Garanten menschlichen Glücks sein.

Die Publikation, die sich als ein »Bericht zur Lage der Menschheit« versteht, erregte großes Aufsehen. Diese Untersuchung im Auftrag des Club of Rome zeichnete ein düsteres Bild von der Zukunft unserer Zivilisation: Anhaltendes Bevölkerungswachstum und beschleunigte Industrialisierung werden aufgrund von Nahrungsmittelknappheit, Umweltverschmutzung und Rohstoffverbrauch innerhalb der nächsten ca. 100 Jahre zu einem Zusammenbruch führen; Hunger, medizinische Unterversorgung und dramatische Sterberaten werden die Folge sein.

Diese Prognose war ein Schock, denn die Zeit seit der Industrialisierung war geprägt von einem rasanten technischen Fortschritt, mit Verbesserungen u. a. bei der Güterproduktion, Nahrungsmittelversorgung und Medizin. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahmen vor allem in der westlichen Welt Wohlstand und Lebensqualität weiter zu. Krisenanzeichen wie Umweltverschmutzung, Verelendung und soziale Unruhen in den reichen und Hungersnöte in den armen Ländern wurden für Übergangserscheinungen gehalten, die durch naturwissenschaftlich-technischen Fortschritt und wirtschaftliches Wachstum bald überwunden werden könnten.

Wie kamen die Forscher zu dieser Prognose?

Mithilfe eines umfangreichen, zu diesem Zweck entwickelten sog. Weltmodells, für das sie per Computer zukünftige Entwicklungen vorausberechneten. Es enthält als die fünf wichtigsten Trends Industrialisierung, Bevölkerungswachstum, Unterernährung, Ausbeutung von Rohstoffreserven sowie Zerstörung des Lebensraums (Umweltverschmutzung) und zeigt die Zusammenhänge zwischen diesen und zahlreichen anderen Größen auf.

Warum werden die Grenzen so schnell erreicht?

Weil durch die exponentiellen (also immer schneller steigenden) Wachstumsraten der Bevölkerung und der Industrialisierung auch der Rohstoffverbrauch, der Nahrungsmittelbedarf und die Umweltverschmutzung exponentiell ansteigen.

Für diese drei Faktoren gibt es aber wegen der begrenzten Größe der Erde Obergrenzen: 1) das Vorkommen der nicht regenerierbaren Rohstoffe; 2) die Fähigkeit der Erde und ihrer Atmosphäre, Schadstoffe aufzunehmen; 3) die maximale landwirtschaftlich nutzbare Fläche; 4) das verfügbare Trinkwasser. Ist für einen Punkt die Grenze erreicht, dann wird auch die Bevölkerung oder der Grad der Industrialisierung (etwa durch Erschöpfung eines wichtigen Rohstoffs) zurückgehen und den jeweils anderen Bereich mitreißen.

Ist es sinnvoll, schon jetzt zu handeln?

Ja. Überall im »Weltsystem« gibt es Verzögerungsfaktoren, das heißt, Ursache und Wirkung treten nicht gleichzeitig auf. Ein neu geborenes Kind kann nicht sofort selbst Kinder bekommen; Maßnahmen der Gesundheitsfürsorge wirken sich nicht sofort aus; die Folgen von Umweltschäden machen sich oft erst viel später bemerkbar.

Von einem geordneten Rückgang z. B. der Umweltverschmutzung kann also keine Rede sein. Wenn in einem Bereich die Grenzen erreicht sind, dauert es eine Zeitlang, bis die Auswirkungen im vollen Umfang erkennbar werden. Gegenmaßnahmen wirken sich wiederum erst Jahre oder Jahrzehnte danach spürbar aus. Bis dahin nimmt die Umweltverschmutzung noch zu und auch die Bevölkerung wächst weiter, um dann einen Zusammenbruch zu erleiden, dem womöglich die gesamte Menschheit zum Opfer fällt.

Sind wir noch zu retten?

Um den Zusammenbruch zu verhindern, schlagen die Autoren von »Die Grenzen des Wachstums« vor, statt andauernden Wachstums ein Gleichgewicht anzustreben.

Sie halten dies für möglich, weisen aber darauf hin, dass innerhalb weniger Jahre damit begonnen werden müsse. Wegen der exponentiellen Wachstumsraten und der langen Verzögerungszeiten vermindere jedes Abwarten bei ungebremstem Wachstum die Chancen erheblich – ähnlich wie beim Beschleunigen eines Fahrzeugs der Bremsweg nicht proportional mit der Geschwindigkeit zunimmt, sondern im Quadrat zu ihr.

Übrigens: Gut dreißig Jahre nach »Die Grenzen des Wachstums« glaubt einer der Autoren, Dennis L. Meadows, dass es für eine dauerhaft tragbare Entwicklung zu spät sei: Die Weltbevölkerung ist seit 1970 von ca. 3,6 Mrd. auf über 6 Mrd. Menschen angewachsen. Die Umweltverschmutzung wurde nicht im notwendigen Maß reduziert. Die Zahl der von Armut, Hunger und Seuchen betroffenen Menschen steigt.

Wer verbirgt sich hinter dem »Club of Rome«?

Eine lockere Vereinigung von Wissenschaftlern, Wirtschaftsführern und Politikern aus aller Welt, die 1968 von dem italienischen Industriellen Aurelio Peccei (1908–84) gegründet wurde. Der Club of Rome will die globalen Probleme der Menschheit (z. B. Umweltzerstörung, Bevölkerungswachstum, Rohstoffverbrauch) analysieren und publik machen und so auf Veränderungen hinwirken, um einen dauerhaften Frieden auf Basis sozialer Gerechtigkeit und in Harmonie mit der Natur zu ermöglichen.

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