wissen.de Artikel
Evolution: Warum das Leben das Land eroberte
Vor Milliarden von Jahren waren die Landflächen unseres Planeten ein lebensfeindlicher Ort: trocken, karg und voller schädlicher UV-Strahlung. Die ersten Lebewesen, die sich dorthin wagten und an ein Leben auf dem Trockenen anpassten, waren wahrscheinlich Bakterien. Ihnen folgten Pilze, Pflanzen, Gliederfüßer und schließlich Wirbeltiere. Doch was war so toll am Land, dass auf einmal so viele Wasserbewohner dort leben wollten?
Pioniere machen das Land lebensfreundlicher
Um die Frage nach der Landsehnsucht zu klären, lohnt ein Blick auf die allerersten Landgänger: Bakterien. Dass ausgerechnet sie die Ersten waren, verwundert nicht, denn die Mikroorganismen sind hart im Nehmen. Heutige Bakterien leben unter anderem in Eiswüsten, kochend heißen Thermalquellen und in der Tiefsee. Ihren Vorfahren gelang es also auch, den harschen Bedingungen an Land erfolgreich zu trotzen. Und diese Erstbesiedlung setzte einen Kreislauf in Gang, der immer mehr Lebewesen an Land zog.
Die Stoffwechselprozesse der ersten landlebenden Bakterien reicherten die Atmosphäre mit Sauerstoff an und lösten Nährstoffe aus dem Gestein, wodurch sie für andere Lebewesen nutzbar wurden. Das machte das Land attraktiv für andere Wasserlebewesen wie Pilze und Algen. Aus den Algen entwickelten sich schließlich Landpflanzen. Mögliche Vorteile des Landlebens bestanden für die Pflanzen womöglich darin, dass sie dort mehr Sonnenlicht, Nährstoffe und CO2 vorfanden als im Meer und dadurch effektiver Photosynthese betreiben konnten.
Buffet zog Tiere an Land
Fast zeitgleich mit den Pflanzen eroberten auch die ersten Tiere das Land. Es handelte sich dabei um Gliederfüßer wie Tausendfüßer und Skorpione. Der Reiz des Landlebens bestand für sie vermutlich in neuen Nahrungsquellen. Frühe Landgliederfüßer haben sich womöglich von Matten aus Mikroorganismen oder von angeschwemmten Tier- und Pflanzenresten ernährt. Später wurden die sich ausbreitenden Landpflanzen zur attraktiven Nahrungsquelle. Sobald sie sich zu Gefäßpflanzen entwickelt hatten, lockten sie Wasserinsekten an Land, die sich von ihnen ernährten. Den Insekten könnten wiederum parasitische Fadenwürmer gefolgt sein, doch dieses Szenario bedarf noch weiterer Untersuchungen.
Nahrung könnte auch der entscheidende Faktor gewesen sein, der einst die Vorfahren aller Landwirbeltiere und damit auch von uns Menschen an Land lockte. Diese noch eher fischähnlichen Wesen hatten schon Lungen entwickelt und begannen nach und nach, immer länger an Land zu bleiben und dort größere Strecken zurückzulegen. „Unsere frühen Vorfahren verließen das Wasser offenbar, um gestrandete Meeresorganismen zu fressen, die von der Ebbe am Strand zurückgelassen wurden“, erklärt Per Ahlberg von der schwedischen Uppsala Universität.
Was sprach gegen ein Leben im Wasser?
Doch vielleicht sollten wir uns nicht nur fragen, was so toll am Land war, sondern auch die Gegenfrage stellen: Was war am Wasser nicht mehr so toll? Denn solche Lebensraum-Wechsel haben meist zwei Seiten: Pull-Faktoren, die zum Leben in einem anderen Gebiet motivieren, und Push-Faktoren, die gegen ein Leben im aktuellen Gebiet sprechen. Was die Push-Faktoren des Landgangs angeht, so kommen eine ganze Reihe davon in Frage. „Sauerstoffarmut in der Umwelt, Raubtiere und Konkurrenten im Wasser, durch Wasser übertragene Krankheiten und Parasiten – all das könnte eine Rolle gespielt haben“, erklären Aditya Saxena von der University of California San Diego und seine Kollegen.
Unsere Vorfahren und die Vorfahren anderer Landlebewesen haben sich also einerseits in ihrem ursprünglichen Lebensraum nicht mehr so wohl gefühlt wie früher, während ein Leben an Land zur gleichen Zeit immer attraktiver erschien. Das machte den Landgang schließlich zum Erfolgskonzept und zur Grundlage allen Landlebens, das wir heute kennen.