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Die Jesuiten: Der Orden der Gegenreformation

Welche Ausrichtung hatten die Jesuiten?

Gegründet wurde die Societas Jesu (Gesellschaft Jesu) im Jahr 1534 von Ignatius von Loyola (1491–1556), einem baskischen Edelmann. 1540 wurden die Jesuiten von Papst Paul III. offiziell als Orden anerkannt. Im Gegensatz etwa zu den Bettelorden, die auch Konflikte mit dem Papsttum austrugen, unterwarfen sie sich ganz dem Willen des Papstes. Einen Eindruck vom Selbstverständnis dieses reinen Männerordens gibt schon die Bezeichnung »milites Christi«. Schlagkraft verlieh diesen »Soldaten Christi« eine straffe, strikt hierarchisch gegliederte Organisation mit dem Ordensgeneral an der Spitze.

Was unterschied sie von anderen Orden?

Die Jesuiten unterschieden sich von anderen Orden auch durch den Verzicht auf ein bestimmtes Ordenskleid und auf das gemeinsame Chorgebet. Sie lebten nicht abgeschieden von der Welt hinter dicken Klostermauern, sondern unter den Menschen, die sie erreichen wollten. Denn als ihre Hauptaufgabe begriffen die Jesuiten die Verkündung der katholischen Lehre, die sie von der protestantischen Reformation bedroht sahen.

Wie verbreiteten die Jesuiten ihre Lehre?

Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit lag in der Predigt, aber auch in der Erziehung junger Menschen im »rechten Glauben« in ihren Kollegien und Schulen. Bis heute gelten Jesuiten als herausragende Vertreter von Lehre und Bildung, bestens geschult in argumentativen Praktiken und theoretischen Grundlagen. Um 1600 war die Gesellschaft Jesu bereits in sämtlichen katholischen Ländern Europas vertreten und erlangte durch ihre Arbeit an Schulen und Universitäten und in der Seelsorge erheblichen Einfluss.

Ein Ziel der Jesuiten war der Einfluss auf die Mächtigen. Den übten sie oft als Beichtväter und Seelsorger an katholischen Königs- und Fürstenhöfen aus, was in Zeiten der Aufklärung heftig kritisiert wurde. So kamen die Jesuiten in den Ruf, hinter den Kulissen die Fäden zu ziehen und Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. Häufig verdächtigten ihre protestantischen, aber auch katholischen Gegner sie der Verschwörung.

Wie entwickelte sich der Orden bis heute?

1773 wurde der Jesuitenorden auf Betreiben Spaniens und Frankreichs von Papst Klemens XIV. aufgehoben. Zahlreiche Jesuiten fanden in Preußen und Russland Zuflucht, wo die päpstliche Autorität nicht galt. Insbesondere Friedrich der Große wollte die Vorteile des jesuitischen Schulsystems nicht missen. 1814 ließ Papst Pius VII. die Gesellschaft Jesu wieder zu, die schnell zu alter Größe wuchs.

Im Deutschen Kaiserreich wurden die Jesuiten als Folge des Kulturkampfs 1872 durch Bismarcks »Jesuitengesetz« des Landes verwiesen. Die Aufhebung dieses Gesetzes erfolgte erst 1917. Sein größtes Wachstum erlebte der Orden weltweit in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Zahl der Mitglieder erreichte mit 36000 ihren bisherigen Höchststand. Die NS-Diktatur bezeichnete die Jesuiten als »Volksschädlinge«, mehrere Ordensmitglieder erhielten Predigtverbot oder kamen in Konzentrationslager. Pater Rupert Mayer (1876–1945), der große Münchner Männerseelsorger, wurde im Kloster Ettal interniert.

Heute gibt es rund 21 000 Jesuiten in 120 Ländern. Die Ordensleute unterhalten Gymnasien, betätigen sich in der Jugendarbeit und sind durch die Publikationen ihrer Wissenschaftler in der Welt der Forschung präsent. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs ist der Orden auch in mehreren osteuropäischen Ländern wieder zugelassen.

Warum waren die Jesuiten häufig Missionare?

Die Jesuiten kannten keine stabilitas loci, keine »Beständigkeit des Ortes«, keine Bindung an ein Kloster. Vielmehr wurde ihnen höchste Flexibilität und Mobilität abverlangt. Sie hatten an dem Ort und in der Funktion zu dienen, die ihnen der Papst zuwies, nicht zuletzt als Missionare in fernen, unbekannten Ländern. So wurden sie oft zu Entdeckern, Geografen – und zu Kämpfern gegen die Auswüchse des europäischen Kolonialismus.

Im heutigen Paraguay und in Brasilien bestand von 1610 bis 1767 sogar ein Jesuitenstaat mit christlichem Sozialsystem, in dem die indianische Bevölkerung in so genannten Reduktionen – gemeinwirtschaftlichen Siedlungen – in Sicherheit vor den spanischen und portugiesischen Kolonialherren lebte und arbeitete. 1767 vertrieben die Spanier die Jesuiten aus Südamerika.

Wussten Sie, dass …

ein wichtiges Element der jesuitischen Pädagogik das Jesuitentheater war? Es handelte sich dabei um eine Kombination von moralisch-religiöser Unterweisung und Spaß am Spiel – ein geeignetes Mittel, um die einfache Bevölkerung auf anschauliche Weise weiterzubilden; gleichzeitig stellte es einen Meilenstein in der Entwicklung des neuzeitlichen Theaters dar.

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