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Erdbeben: Erschütterungen gefährden Land und Küste

Was macht Erdbeben so gefährlich?

Sie lassen sich nur schwer vorhersagen und können gewaltige Zerstörungen hinterlassen.

Ursache für Erdbeben und Vulkanismus sind Vorgänge tief unter der Erdoberfläche. Die großen Platten, die die äußere Hülle der Erde bilden, bewegen sich, und an ihren Rändern kommt es gehäuft zu diesen Erscheinungen. Die Bewegung geschieht sehr langsam, aber manchmal verhaken sich die Platten. Die sich dann aufbauenden Spannungen lösen sich, wenn die drückenden oder ziehenden Kräfte zu groß werden und es zu einer kurzen, aber schnellen Bewegung der Platten kommt. Diese ruckartige Bewegung wird an der Erdoberfläche als Erdbeben wahrgenommen. Kleinere Beben können auch durch den Einsturz von großen Hohlräumen oder durch unterirdische Atomtests ausgelöst werden.

Wo entsteht ein Beben?

Ein Erdbeben wird im Erdinnern ausgelöst; die Stelle bezeichnet man als Hypozentrum. Der Endpunkt der kürzesten Linie vom Hypozentrum zur Erdoberfläche markiert das Epizentrum, den Ort der stärksten Bewegung. Dieser Ort wird von unterschiedlichen Erdbebenwellen erreicht.

Im Wesentlichen werden drei Wellen unterschieden. Die Longitudinal- oder P-Wellen sind die schnellsten Wellen. Sie setzen sich parallel zur Gesteinsschichtung mit einer Geschwindigkeit von 13 km/h fort. Halb so schnell, aber gefährlicher sind die Transversal- oder S-Wellen, die das Gestein senkrecht durchqueren und es in starke Schwingungen versetzen. Nur an der Oberfläche treten die noch langsameren, zerstörerischen L-Wellen auf. P-Wellen durchqueren alle Formen von Materie und schwächen sich erst ab, wenn ihre Energie aufgebraucht ist. S-Wellen hingegen werden abgelenkt, wenn sie auf Flüssigkeiten treffen, die sie nicht durchdringen können.

Übrigens: Messungen der Wellen erlauben Rückschlüsse über den Aufbau des Erdinnern. So konnte man z. B. erschließen, dass der äußere Kern der Erde flüssig, der innere fest ist.

Wieso ist das Leben in Los Angeles riskant?

Los Angeles ist extrem erdbebengefährdet. Besonders häufig treten Erdbeben rund um den Pazifik auf. Dieser zirkumpazifische Feuerring ist das Resultat der Kollisionen der Pazifischen Platte mit der Eurasischen Platte im Osten und mit der Nordamerikanischen Platte im Westen. Einer der Orte, wo Erdbeben sehr wahrscheinlich sind, ist der Westen des US-Bundesstaates Kalifornien. Über 1100 km hinweg verläuft hier die San-Andreas-Störung, ein riesiger Riss in der Landschaft. Jährlich verschieben sich die Platten um 3–5 cm gegeneinander, genug, um täglich kleinere Beben auszulösen. Alle paar Jahre kommt es zu einem heftigen Beben, bisher blieben die Großstädte aber weitgehend verschont. Das Große Beben, »The big one«, könnte aber täglich eintreten.

Eine zweite Erdbebenzone zieht entlang der jungen Faltengebirge am Mittelmeer, also der Alpen und der Balkangebirge, über Kleinasien, Mittelasien und Indien hinweg bis hin zum Malaiischen Archipel, wo sie im indonesischen Raum auf den zirkumpazifischen Feuerring stößt.

Kann man sich gegen Erdbeben wappnen?

Nur unvollkommen. In den letzten Jahrzehnten wurde intensiv an der Erdbebenvorhersage gearbeitet, z. B. durch die Einrichtung neuer seismologischer Stationen. Von den Warnsignalen weiß man bislang nur, dass sie sehr unauffällig und schwer aufzuspüren sind. Es können veränderte Grundwasserstände, leichte Hebungen und Senkungen der Erdkruste oder schwache Erdstöße sein.

Ein großartiger Erfolg gelang 1975 chinesischen Seismologen. Zwei Tage, bevor ein schweres Erdbeben die Stadt Haicheng fast vollständig vernichtete, wurden ihre 90 000 Einwohner evakuiert. Als jedoch im darauf folgenden Jahr die Hafenstadt Tangshan ebenfalls von einem schweren Erdbeben erschüttert wurde, hatten die Wissenschaftler keine Alarmsignale bemerkt.

Der Schwerpunkt bei der Schadensbegrenzung liegt auf der Vorbeugung, insbesondere bei der Stadtplanung und dem Gebäudebau, sowie auf der Nutzung schneller Kommunikationsmittel. Die ungefährlichen P-Wellen eines Erdbebens werden als erstes gemessen, und da die Schadenswellen erst später eintreffen, versucht man diese Zeitspanne für sinnvolle Maßnahmen zu nutzen. In Japan werden etwa die Shinkansen-Schnellzüge bei einem Erdbeben durch elektrische Signale, die sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen, gestoppt. In der Regel reicht die Zeit jedoch nicht für eine Warnung.

Was versteht man unter der Richter- oder Mercalliskala?

Beide Skalen dienen der Messung von Erdbebenstärken. Anfang des 20. Jahrhunderts legte der italienische Vulkanologe Giuseppe Mercalli (1850–1914) eine Tabelle vor, die helfen sollte, die Stärke eines Erdbebens zu kategorisieren. Sie schätzt die spür- und sichtbaren Auswirkungen eines Bebens ein. Die Skala besteht aus zwölf Stufen, die von »nicht fühlbar« (Stufe I) bis zu »totale Verwüstung und Veränderung der Landschaft« (Stufe XII) reichen.

Der erste moderne Seismograph wurde 1855 am Vesuv aufgebaut. Heute gibt es etwa 1000 solcher Erdbebenwarten, die bei einem Beben unterschiedliche Messungen vornehmen. Mit diesen Angaben kann man anhand der Stärke der aufgezeichneten Erschütterungen die Energiemenge berechnen, die das Erdbeben freigesetzt hat. Dieser Wert wird in der Einheit »M« für Magnitude angegeben, die auf den US-amerikanischen Seismologen Charles Francis Richter (1900–85) zurückgeht, der 1935 die nach ihm benannte nach oben offene Richterskala vorstellte. Eine volle Stelle auf der Richterskala bedeutet eine Verzehnfachung der Bebenstärke. Ein Erdbeben von 4 M ist also zehnmal so stark wie eines der Stufe 3 M. Weltweit werden pro Jahr etwa 150 000 spürbare Beben gemessen.

Was löst Tsunamis aus?

Auslöser der riesigen Flutwellen sind Vulkanausbrüche, Fels- und Eisstürze, vor allem aber schwere Seebeben. Die dem Japanischen entstammende Bezeichnung Tsunami bedeutet wörtlich »Welle im Hafen«.

Die Energie breitet sich im Wasser wellenförmig mit einer Geschwindigkeit von bis zu 800 km/h aus. Auf dem offenen Ozean ist die Flutwelle mit ihrem oft nur etwa 30 cm hohen Kamm kaum zu erkennen, weil sie weit ins Wasser hinabreicht. Anders an der Küste: Dort wird das unterirdisch heranrasende Wasser mit abnehmender Meerestiefe nach oben gedrückt und türmt sich zu einer gigantischen Flutwelle auf, die alles zerstört, was sich ihr in den Weg stellt. Am Ufer kündigt sich ein heranjagender Tsunami zunächst durch einen plötzlichen Rückzug des Wassers an.

Gibt es Flutwellen-Warnsysteme?

Am 26. 12. 2004 warnte keiner vor der Katastrophe. An diesem Tag erschütterte vor Sumatra ein Seebeben der Stärke 9 den Meeresboden und löste einen Tsunami aus – die Welle tötete mehr als 250 000 Menschen. Im Pazifischen Raum, der häufig von Tsunamis heimgesucht wird, gibt es ein computerüberwachtes Frühwarnsystem. Seine Zentrale ist das Pacific Tsunami Warning Center auf Hawaii, das ein Netz von Seismographen überwacht. Im Indischen Ozean soll ein solches Warnsystem mit deutscher Hilfe eingerichtet werden.

Wussten Sie, dass …

der älteste bekannte Seismograph aus China stammt? In die Außenschale eines Gefäßes waren acht Drachen eingearbeitet, die eine Kugel im Maul hatten. Unter ihnen befanden sich acht Kröten mit geöffnetem Maul. Bei einer Erschütterung bewirkte ein Pendelausschlag, dass ein Drachenmaul seine Kugel verlor, die die Kröte auffing.

viele Tiere über ein Erdbeben-Frühwarnsystem verfügen? Bei dem Beben von Haicheng in China 1975 hatte man ungewöhnliches Tierverhalten beobachtet. So waren Tiere aus dem Winterschlaf erwacht und hatten die Region panikartig verlassen.

Bebt auch in Deutschland die Erde?

Im Vergleich zu Südeuropa ist Deutschland durch Erdbeben wenig gefährdet. Und doch steht die Region unter Spannung.

Seit Jahrmillionen driftet die Afrikanische Platte Richtung Norden. Ihr Druck wirkt sich auch auf die Gebiete nördlich der Alpen aus. Die auffälligste geologische Schwachstelle ist der Oberrheingraben. Das schwerste Beben in historischer Zeit ereignete sich im November 1911 auf der Schwäbischen Alb. Die Kraft des Bebens wird auf 6,3 auf der Richterskala geschätzt. Im Bereich des Oberrheingrabens sowie zwischen Thüringer Wald und Fichtel- und Erzgebirge kommt es immer wieder zu Erschütterungen. Häufig bebte die Erde auch im Bereich der Niederrheinischen Bucht. Im April 1992 wurde das Rheinland von einem Erdbeben der Stärke 5,9 erschüttert, dessen Epizentrum im niederländischen Roermond lag.

Wie wurden Erdbeben früher gedeutet?

Im altpersischen Glauben galten Erdbeben als ein Werk des Gegenschöpfers Ahriman, des Vaters der Finsternis und des Todes. In der griechischen Mythologie führte man sie u. a. auf Atlas, den Träger des Himmelsgewölbes, auf den Zorn des Göttervaters Zeus oder auf den Meeresgott Poseidon zurück. Ein Erdbeben konnte auch heraufbeschwören, wer eine sagenhafte Blume, die im Kaukasus aus dem Blut des gequälten Titanen Prometheus gewachsen war, auszugraben versuchte. In der altnordischen Mythologie zeigte ein Erzittern der Erde an, dass sich der von den Göttern gequälte Loki vor Schmerzen am Boden krümmte. Die Chinesen glaubten an einen Drachen und legten – über einer Störungszone – eine »Drachenlinie« fest, auf der keine Häuser erbaut werden durften. Auch die infolge eines Bebens auftretenden Brände wurden durch das Feuer speiende Ungeheuer erklärt.

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