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Indigostrauch und Färberwaid: Die Farbe macht's
Welche Pflanze liefert blauen Farbstoff?
Der Färberwaid (Isatis tinctoria). Wenn man heute das gelb blühende »Unkraut« in Weinbergen sieht, ahnt man kaum, welche Karriere der Färberwaid vorzuweisen hat: Er ist eine der ältesten Färbepflanzen Europas – und dazu die einzige, die blaue Farbe ergibt, das sog. Waidblau. Bereits im 1. Jahrhundert n. Chr. kannten sowohl Griechen als auch Engländer den Waid als Färbepflanze, obwohl die Gewinnung des Farbstoffs ein recht komplexer Vorgang ist.
Machte das Indigo dem Waidblau Konkurrenz?
Ja. Die Blütezeit des deutschen Waidanbaus lag zwischen 1400 und 1700; damals war Waidblau ein gefragter Handelsartikel. Als jedoch mit der Entdeckung des Seewegs nach Ostindien um 1560 die aus dem Indigostrauch (Indigofera tinctoria) gewonnene blaue Farbe nach Europa gelangte, ließ der Färberwaidanbau nach, weil der Indigostrauch wesentlich mehr und einen besseren Farbstoff lieferte. Trotz zahlreicher Restriktionen zum Schutz der heimischen Waidfärberei – in Nürnberg stand auf Färben mit dem billigeren Tropenfarbstoff zeitweise sogar die Todesstrafe – wurde der Färberwaid nach und nach vom europäischen Markt verdrängt. Mit der Entdeckung synthetischer Farbstoffe zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam der Waidanbau schließlich fast ganz zum Erliegen.
Wie wird Indigo gewonnen?
In einem komplizierten Prozess. Die Gewinnung von Indigo aus dem Indigostrauch geht in mehren Schritten vonstatten: Zunächst werden Blätter und Stängel in einem Bottich fest übereinander geschichtet und mit Kalkwasser bedeckt. Während der acht- bis 15-stündigen Gärung sterben die Zellen ab und es wird Indican freigesetzt. Aus dem Indican spaltet sich anschließend Zucker ab, so dass eine gelbliche Vorstufe des Indigo entsteht, das Indoxyl. Führt man dieser Vorstufe Sauerstoff zu, so bildet sich der natürliche Indigo, der getrocknet in Würfel- oder Ziegelform in den Handel kommt.
Bevor man allerdings mit dem Färben beginnen kann, muss der Farbstoff zunächst in eine lösliche Form überführt werden. Bringt man ihn mit einem flüssigen Reduktionsmittel zusammen, entsteht eine blassgelbe Lösung, Küpe genannt. Mit ihr werden die Stoffe getränkt, die man zu färben wünscht. Das unnachahmliche Blau bildet sich allerdings erst unter der Einwirkung des Luftsauerstoffs aus. Die auf den Fasern des Stoffes haftende Farbe ist wasserunlöslich und lichtecht, jedoch empfindlich gegenüber mechanischer Beanspruchung, wie sie z. B. in der Waschmaschine auftritt. Deshalb verlieren mit Indigo gefärbte Stoffe, wie die allseits beliebten Jeans, durch Waschen allmählich ihre Farbe. Die Mode hat sich allerdings längst darauf eingestellt: Ausgebleichte Jeans sind »in« und nicht selten gehen sie bereits vorgewaschen (»stone-washed«) über den Ladentisch.
Welchen Farbstoff gewinnt man aus Färberkrapp?
Das sog. Krapprot. Wahrscheinlich bauten bereits die Menschen des Altertums die Echte Färberröte oder Krapp (Rubia tinctorum) an, deren Wurzeln den roten Farbstoff Alizarin enthalten. Schon die Römer nutzten die Wurzeln und auch im Orient und in der Türkei wurde traditionell damit gefärbt. In Mitteleuropa lässt sich der Anbau am frühesten in Frankreich nachweisen, das bis in die Neuzeit das wichtigste Anbauland blieb. Ausführlichere Beschreibungen finden sich in den Kräuterbüchern ab dem 16. Jahrhundert. Bei Leonhart Fuchs (1501–1566) heißt es etwa: »Die zam Rödte wächst in den Feldern um Hagenau, Speyer und Straßburg. (...) Im dritten Jahr werden die Wurzeln ausgegraben und verkauft.« Ab 1815 färbte man in Frankreich Militärhosen mit dem Krapprot. Noch im 19. Jahrhundert zählte Färberröte zusammen mit dem Färberwaid zu den wichtigsten Färbepflanzen. Der Niedergang begann im Jahr 1871, als synthetisch hergestelltes Alizarin auf den Markt kam, das wesentlich billiger war. Es besiegelte das Ende des Krappanbaus.
Übrigens: Auch der Hennastrauch (Lawsonia inermis) liefert einen roten Farbstoff, der hierzulande jedoch vor allem als Haar- und Hautfärbemittel bekannt ist. Man gewinnt ihn aus Blättern und Stängeln der Pflanze, wobei man unterschiedliche Farbtöne erzielen kann. Getrocknet und gemahlen erhält man ein grünes Pulver, aus dem sich nach Zugabe von Kalk und weiteren Stoffen ein roter bis brauner Farbstoff ergibt; gemischt mit Indigo färbt es tiefschwarz. Blätter allein liefern eine braune Farbe, Stängel dagegen eine karminrote.
Kann man mit Pflanzen auch gelb färben?
Ja. Der gelbe Farbstoff Luteolin, der sehr lichtecht und beständig ist, ist etwa in den Blättern, Blüten und Stängeln des Färberwaus (Reseda luteola) enthalten. Um den Farbstoff zu gewinnen, wird die ganze Pflanze kurz nach der Blüte geerntet, getrocknet und der Farbstoff mithilfe von heißem Wasser herausgelöst. Damit die Farbe jedoch dauerhaft auf den Textilgeweben haftet, müssen die Stoffe vor dem eigentlichen Färben vorgebeizt werden, etwa durch Eintauchen in eine heiße Weinstein- oder Alaunlösung. Rinde und Wurzeln des heimischen Sauerdorns (Berberis vulgaris) liefern den gelben Farbstoff Berberin. Er eignet sich zum Färben von Wolle, Seide und sogar Leder. Wolle erhält auch durch die Färberhundskamille (Anthemis tinctoria) einen gelben Farbton; hier sitzt der Farbstoff in den dunkelgelben Randblüten.
Nicht lichtecht färbt die Gelbwurzel (Curcuma longa). Obwohl ihr gelber Farbstoff als einziger auf Baumwolle und Seide direkt, also ohne Beize, haftet, wird er zum Färben von Textilien kaum noch eingesetzt; dafür verleiht er Butter, Käse, Backwaren und Likör ein appetitliches Aussehen.
Wer machte am »blauen Montag« blau?
Die Färber. Um Stoffe mit Färberwaid blau einfärben zu können, mussten dessen Blätter mit Urin vergoren werden. Aus Erfahrung wussten die Färber, dass das Beimischen von Alkohol den Farbstoff noch besser löste. Besonders leuchtend sollte die Waidfarbe werden, wenn man die Pflanzen mit dem Urin stark betrunkener Männer ansetzte. Da die Brühe montags angesetzt wurde, stieß man zu Wochenbeginn häufig auf betrunkene Färbergesellen, die in den Bottichen rührten, fleißig Schnaps konsumierten und dafür sorgten, dass der Pegel der Brühe nicht fiel – auf dass mit dem Ergebnis Stoffe schön leuchtend blau gefärbt werden konnten.
Wussten Sie, dass …
nur Naturfasern problemlos ohne Chemie gefärbt werden können? Doch auch sie brauchen eine Beize, meist das Aluminiumhaltige Alaun, damit die Farbe an das Gewebe gebunden wird.
auch Tiere Farbstoffe liefern? Meerschnecken der Gattung Murex produzieren beispielsweise den in der Antike nur hochgestellten Persönlichkeiten vorbehaltenen Purpur.
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