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Kamele: Anspruchslose Wüstenschiffe

Warum heißt das Kamel auch Wüstenschiff?

Weil es beim Laufen von einer Seite zur andern schaukelt, denn Kamele sind Passgänger: Sie schreiten abwechselnd mit beiden linken und beiden rechten Beinen voran. Dieses gemächliche Schaukeln erlebt ein Reiter, der auf einem solchen Tier das Sandmeer durchquert, wie Seegang auf einem Schiff.

Ohne das Kamel als Transportmittel wären viele Regionen in Arabien, Indien, Nordafrika und China für Menschen unbewohnbar geblieben. Wichtige Handelsrouten wie die Seidenstraße wären nie entstanden. Noch heute liegen die Oasen der Seidenstraße höchstens 45 Kilometer auseinander: je einen Tagesmarsch für Kamelkarawanen. Zur Not kann ein voll beladenes Last- oder Reitkamel auch bis zu drei Tagesmärsche zurücklegen, ohne zu trinken. Obwohl heute auch in den Wüsten und Savannen motorisierte Verkehrsmittel die meisten Kamelkarawanen abgelöst haben, sind die genügsamen Tiere gerade für die nomadischen Völker immer noch unentbehrlich: Sie fressen selbst dürrstes Gestrüpp, geben wertvolle Milch, liefern Wolle, Leder, genießbares Fleisch und das wichtigste Brennmaterial holzarmer Lebensräume: Mist.

Weshalb sinken Kamele im Sand nicht ein?

Weil ihre Füße mit dicken Schwielen gepolstert sind und sie außerdem nur mit den weit gespreizten letzten und vorletzten Zehengliedern auftreten. Deshalb können die sog. Schwielensohler (Unterordnung Tylopoda) auch auf Sand und Geröll sicher ausschreiten, ohne einzusinken oder abzurutschen.

Übrigens: Die Familie der Kamele (Camelidae) zeichnet sich außerdem durch die Fähigkeit zum Wiederkäuen aus, die sich bei ihnen unabhängig von den Hirschen und Rindern herausgebildet hat.

Wie schnell rennen Kamele?

Bei den traditionellen Kamelrennen der Beduinen fegen die Stars mitunter mit bis zu 40 Kilometern pro Stunde über die Piste. Seit Jahrhunderten veranstalteten die Beduinen Kamelrennen. Heute sind solche farbenfrohen Veranstaltungen vor allem in den Vereinigten Emiraten einem Hightech-Leistungssport mit Forschungszentren und Zuchtstationen gewichen. Die Jockeys bringen ihre leichten, sehnigen und hochbeinigen Reittiere auf Tempo, indem sie ihnen mit einem dünnen Bambusstab auf die Schultern tippen; auch »Yalla!«-Rufe (»Lauf!«), Schnalzlaute und das Ziehen am Führstrick zeigen den Kamelen, was von ihnen erwartet wird.

Neben einem guten Stammbaum, hartem Training und aufwendiger medizinischer Betreuung erhöht auch die richtige Kost die Chancen auf Platz und Sieg: Ein Kraftfutter aus Getreide, Eiern, Datteln und Honig soll die Geschwindigkeit während der Rennsaison von Oktober bis April sichern. Mittlerweile werden sogar in Deutschland Kamelrennen veranstaltet.

Wie unterscheiden sich Dromedar und Trampeltier?

Es gibt mehrere Merkmale, an denen die beiden Großkamele spielend leicht auseinander zu halten sind: Dromedare oder Einhöckrige Kamele (Camelus dromedarius) haben einen Höcker, Trampeltiere oder Zweihöckrige Kamele (Camelus bactrianus) haben zwei. Darüber hinaus haben Dromedare ein kürzeres Fell, dessen Farbe zwischen Weiß und Braun variieren kann. Trampeltiere sind einheitlich braun gefärbt und tragen im Winter ein langes Zottelfell, das im Frühjahr in großen Fetzen ausfällt und durch ein kurzes Sommerhaarkleid ersetzt wird.

Gibt es auch in Amerika Kamele?

Ja. In den südamerikanischen Anden sind zwei Wildkamele heimisch: das Guanako (Lama guanicoë) und das Vikunja (Vicugna vicugna). Das Guanako wird 60 bis 75 Kilogramm schwer und erreicht eine Schulterhöhe von etwa 1,15 Metern. Es lebt in Peru, Chile, Argentinien und Patagonien, und zwar vom Flachland bis in 4250 Meter Höhe – Hauptsache, der Lebensraum ist trocken, denn Guanakos vertragen zwar Kälte und Hitze, aber keine Feuchtigkeit. Seit der Ankunft der Spanier im 16. Jahrhundert ist die früher sehr weit verbreitete Art immer weiter in das Andenhochland zurückgedrängt worden. Man schätzt, dass es heute noch etwa 875 000 Guanakos gibt. Guanakos sind sehr neugierig, was ihnen bei der Begegnung mit Jägern oft zum Verhängnis wird. Während sie in Chile und Peru unter Schutz stehen, werden in Argentinien immer noch alljährlich Tausende von ihnen erlegt, um die Häute zu verkaufen.

Das Vikunja ist mit einer Schulterhöhe von unter einem Meter und einem Höchstgewicht von 55 Kilogramm deutlich zarter gebaut. Am Hals und an der Vorderbrust tragen die ansonsten zimtbraunen Tiere eine 20 bis 35 Zentimeter lange weiße Mähne. Der Kopf ist kürzer, die Ohren sind länger als beim Guanako. Anders als die Altweltkamele müssen Vinkunjas jeden Tag trinken; daher findet man sie meist in der Nähe von Wasserstellen. Vikunjas leben zwischen 3800 und 5500 Metern Höhe.

Übrigens: Lama und Alpaka sind keine Wildkamele, sondern domestizierte Formen von Guanako und Vikunja. Die genauen Verwandtschaftsverhältnisse sind bislang noch unklar.

Weshalb brauchen Kamele so wenig Wasser?

Weil sie gut wärmeisoliert sind. Oft heißt es, dies liege an der chemischen Umwandlung der Fettreserven ihrer Höcker in Wasser. Tatsächlich werden bei der Verbrennung von 100 Gramm Fett 107 Gramm Wasser frei, so dass die Höcker einem Wasservorrat von über 40 Litern entsprechen. Allerdings wird für diese Stoffwechselreaktion viel Sauerstoff benötigt und durch die Atmung verlieren die Kamele mehr Feuchtigkeit, als sie durch den Fettabbau gewinnen.

Bei Kamelen steigt die Körpertemperatur an einem heißen Tag bis auf 40 °C; d. h., dass die Tiere viel weniger schwitzen als wir Menschen. Nachts kühlt sich der Körper bis auf 34 °C ab; deshalb dauert es am Vormittag trotz starker Sonneneinstrahlung mehrere Stunden, bis dem Kamel so warm wird, dass die Transpiration einsetzt. Auch der sehr dicke Haarfilz auf dem Rücken und die isolierende Wirkung des Höckerfetts reduzieren die Aufheizung in der Sonne. Diese Anpassungen zur Schweißreduktion und der sehr geringe Wassergehalt des Urins sind es wohl, die Kamele zu den genügsamsten aller Wüstenbewohner machen.

Wussten Sie, dass …

Kamele als einzige Säugetiere ovale statt kreisrunde rote Blutkörperchen haben? Und zwar pro Volumeneinheit gut viermal so viele wie wir Menschen; deshalb können sie wohl auch im Hochgebirge und in trockenen Wüsten überleben, ohne dass ihnen die Puste ausgeht oder sie durch häufiges Atemholen zu viel Feuchtigkeit verlieren.

man Dromedar und Trampeltier kreuzt? Wie bei Maultieren wachsen die kräftigen Kinder oft beiden Eltern über den Kopf, doch sind die Mischlingshengste unfruchtbar.

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