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Kriege und Konflikte: Ideologische, ethnische und soziale Kämpfe

Wie viele Kriege gab es nach 1945?

Die Hamburger Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) zählte zwischen 1945 und 2005 insgesamt 216 Kriege. Mehr als die Hälfte davon fand in Asien und Afrika statt, davon die meisten nach der Entkolonialisierung. In Afrika waren es meist innerstaatliche bewaffnete Konflikte. In Asien gab es – abgesehen vom Mittleren und Vorderen Orient – mit einem Anteil von einem Drittel mehr zwischenstaatliche bewaffnete Konflikte als in den meisten anderen Regionen der Welt: Der Vietnamkrieg dauerte fast 30 Jahre, und der indisch-pakistanische Konflikt (ab 1947) um Kaschmir ist bis heute nicht gelöst.

Was waren die Ursachen für die kriegerischen Auseinandersetzungen?

Die Ursachen für nachkoloniale Krisen sind vielfältig. Teilweise führte die Willkür der Grenzziehungen, die historisch gewachsene Strukturen häufig unbeachtet ließen, zu schweren Konflikten zwischen neu entstandenen Staaten. So hält der indisch-pakistanische Konflikt um die Himalaya-Region Kaschmir noch heute an. Kaschmir war 1947 mit der Entlassung Indiens in die Unabhängigkeit und seiner Teilung in einen indischen und einen pakistanischen Teil Indien zugeschlagen worden. Der Konflikt zwischen den beiden Staaten, die über Atomwaffen verfügen, zählt zu den gefährlichsten der Welt.

Tragen die Kolonialmächte eine Mitschuld?

Ja, denn bei den Konflikten in den ehemaligen Kolonien ging es vielfach auch um die Identitätsfindung der Bevölkerung und die Modernisierung des Staates. Mit dem Ende der Kolonialzeit kümmerten sich die ehemaligen Mutterländer in aller Regel nicht mehr darum, die jungen Staaten politisch zu unterstützen. Demokratische Strukturen waren in den meisten ehemaligen Kolonien vor der Kolonialisierung unbekannt. So konnte sich in zahlreichen Staaten (vor allem Afrikas) nach dem Ende der Kolonialzeit die Demokratie zunächst nicht durchsetzen. An die Macht gelangten häufig korrupte und diktatorische Regierungssysteme. Wirtschaftliche und soziale Entwicklungen wurden vernachlässigt, stattdessen weiterhin – wie in der Kolonialzeit – die Rohstoffe ausgebeutet; Armut und Perspektivlosigkeit führten ab Anfang der 1990er Jahre zu Konflikten mit den Regierungen.

Welche Rolle spielten politische Ideologien?

Ein großer Teil der Auseinandersetzungen entfiel auf innerstaatliche Konflikte, bei denen Rebellengruppen einen Regimewechsel oder die Unabhängigkeit einzelner Regionen zum Ziel hatten, wie etwa 1960–1963 im Kongo (Katanga) und 1967–1970 in Nigeria (Biafra). Zu Zeiten des Ost-West-Konflikts wurden die Spannungen häufig noch durch die USA und UdSSR geschürt. Je nach ideologischer Ausrichtung der Regierungen bzw. der gegen sie kämpfenden Rebellen unterstützten die USA oder die UdSSR die eine bzw. die andere Seite, um ihren Einflussbereich zu vergrößern. Diese Kriege wurden als Stellvertreterkriege bezeichnet, da jeweils eine Partei »stellvertretend« für eine Supermacht kämpfte. In Afghanistan versuchte zum Beispiel die UdSSR durch ihren Einmarsch 1979 das im Jahr zuvor errichtete kommunistische Regime zu stützen, während die USA die Rebellen (Mudschaheddin) mit Waffen versorgten.

Wie wurde Vietnam zum Krisenherd?

Der erste Teil des Vietnamkrieges (Indochinakrieg 1946–1954) war zunächst ein kolonialer Rückeroberungsfeldzug, in dem Frankreich gegen das kommunistische Regime unter Ho Chi Minh, das im Machtvakuum nach 1945 errichtet worden war, kämpfte. In der Folge wurde Vietnam in einen kommunistischen Teil (Nordvietnam), der von der Sowjetunion und der Volksrepublik China unterstützt wurde, und in das westlich orientierte Südvietnam geteilt, das von den USA unterstützt wurde. Das autoritäre südvietnamesische Regime stieß jedoch auf Widerstand, der militärisch von der Rebellenorganisation Vietcong getragen wurde.

Wann begann der Vietnamkrieg?

Im August 1964 fingierten – wie sich später herausstellte – die USA einen Angriff Nordvietnams auf zwei US-Kriegsschiffe im Golf von Tonking. Ziel der Aktion war es, einen Vorwand zu finden, um militärisch gegen Nordvietnam vorgehen zu können. Nach dem »Tonking-Zwischenfall« begannen die USA mit einer massiven Bombardierung strategisch wichtiger Ziele in Nordvietnam.

Welchen Verlauf nahm der Konflikt in Vietnam?

Trotz militärischer Überlegenheit gelang es den USA nicht, Nordvietnam und den Vietcong zur Aufgabe zu zwingen. Der Vietcong forcierte seinen Guerillakrieg gegen die US-Truppen. 1968 leitete Washington Waffenstillstandsverhandlungen ein, die aber nicht zur Einstellung der Kämpfe führten. Um die Versorgungswege, den »Ho-Chi-Minh-Pfad« über Kambodscha und Laos, abzuschneiden, marschierten die USA 1971 in Kambodscha ein und bombardierten Laos. So wurden diese beiden Staaten ebenfalls Teil des Vietnamkrieges. Auf außenpolitischen Druck hin und aufgrund der massiven Proteste in der US-amerikanischen Bevölkerung, die vor allem den Begleitumständen des Krieges galten (Flächenbombardements, Einsatz chemischer Waffen, Massaker an der Zivilbevölkerung), reduzierten die USA 1972 ihr Engagement.

1973, nach einem Waffenstillstandsabkommen, zogen sie sich aus Vietnam zurück. Der Krieg zwischen Nord- und Südvietnam dauerte noch bis zum Sieg der nordvietnamesischen Truppen 1975, der zur Wiedervereinigung des Landes unter sozialistischem Vorzeichen führte. Der Vietnamkrieg forderte rd. 3 Mio. Tote, die meisten davon Vietnamesen.

Wo liegen die Ursachen für den Nahostkonflikt?

Im Ersten Weltkrieg versprachen die Briten den Arabern die Gründung eines vereinten arabischen Königreiches auf dem Gebiet der heutigen Staaten Syrien, Irak, Saudi-Arabien und Palästinas, wenn die Araber mit ihnen gegen die mit Deutschland verbündeten Türken kämpfen würden. In der Balfour-Erklärung sagten die Briten dann 1917 zu, in Palästina eine Heimstatt für Juden zu errichten.

Nach Ende des Ersten Weltkrieges 1918 stand Palästina bis 1948 unter britischer Schutzherrschaft. Viele Juden waren seit Ende des 19. Jahrhunderts eingewandert, die Araber fühlten sich ihres Landes beraubt und betrogen. Es kam immer wieder zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Arabern und jüdischen Einwanderern. Im Zweiten Weltkrieg nahm die Zuwanderung von Juden nach Palästina vor allem wegen ihrer Verfolgung durch Hitler-Deutschland erheblich zu. Dies versuchten die Briten zu verhindern, stoppen konnten sie die Zuwanderung jedoch nicht.

Wie wurde der Staat Israel gegründet?

1947 beschloss die UNO die Teilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Teil. Die Araber lehnten dies ab, unter anderem weil die Juden mehr als die Hälfte des Landes erhalten sollten, obwohl die arabische Bevölkerung Palästinas eindeutig in der Mehrheit war. Nachdem Großbritannien sein Protektorat niedergelegt hatte, wurde im Mai 1948 auf einem schmalen Streifen Land der Staat Israel gegründet. Bereits am folgenden Tag begann die erste große Offensive arabischer Staaten gegen Israel.

Bis Kriegsende 1949 konnte Israel große Teile Palästinas hinzugewinnen. Das Land dehnte sich nun im Süden bis Ägypten aus. In weiteren Kriegen (Sechstagekrieg 1967 gegen Ägypten, Syrien und Jordanien, Jom-Kippur-Krieg gegen Ägypten und Syrien 1973) eroberte Israel weiteres Territorium.

Ist ein Ende der israelischarabischen Auseinandersetzungen in Sicht?

Nein, der Konflikt zwischen Israel, den Palästinensern – den ehemals im britischen Mandatsgebiet lebenden Arabern und ihren Nachkommen – und den meisten der arabischen Nachbarn Israels hält an. Die expansive jüdische Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten (Westjordanland), die Besetzung Jerusalems sowie die Forderung der vertriebenen Palästinenser nach einer Rückkehr verhinderten eine Lösung. 1994 sicherte Israel den Palästinensern Autonomiegebiete zu, einen unabhängigen Staat gab es nicht. Seit 1999 verüben palästinensische Terrororganisationen Selbstmordattentate, 2003 begann Israel mit der Errichtung eines Sperrzaunes. 2006 gewann die radikale Hamas die Wahlen um die Palästinensische Autonomiebehörde.

Was verbirgt sich hinter dem Nord-Süd-Konflikt?

Als Nord-Süd-Konflikt wird das Entwicklungs- und Verteilungsgefälle zwischen den meist nördlich gelegenen Industriestaaten und den Entwicklungsländern auf der Südhalbkugel bezeichnet. Experten sehen aufgrund dieses Gefälles für das 21. Jahrhundert Verteilungskämpfe um die weltweit knappen Ressourcen (Nahrungsmittel, Trinkwasser) voraus, zumal in den Entwicklungsländern vier Fünftel der Weltbevölkerung leben.

Warum ist der Süden benachteiligt?

Viele Entwicklungsländer sind ehemalige Kolonien. Sie hatten nach ihrer Entlassung in die Unabhängigkeit auch deshalb Probleme, wirtschaftlich Fuß zu fassen, weil sie nach Abzug der Kolonialmächte keine funktionierende Verwaltung mehr besaßen und die Kolonialmächte die Rohstoffressourcen teilweise bereits ausgebeutet hatten. Außerdem ist das Weltwirtschaftssystem, das nach 1945 entstand, vornehmlich auf die Bedürfnisse der Industriestaaten, nicht auf die der Entwicklungsländer zugeschnitten.

Welche Forderung stellen die Entwicklungsländer?

Auf der Konferenz von Kairo 1962 haben die Entwicklungsländer die Forderung nach einem internationalen Wirtschaftsgremium mit gerechter Beteiligung der Entwicklungsländer erhoben. 1964 fand die erste Konferenz der UNO für Welthandel und Entwicklung (UNCTAD) statt, auf der die Entwicklungsländer ihre Forderung nach wirtschaftlicher Beteiligung noch einmal untermauerten.

Die von den Entwicklungsländern ausgearbeitete Neue Weltwirtschaftsordnung (NWWO), mit der sie erneut eine bessere Integration in die internationalen Wirtschaftsorganisationen forderten und noch einmal ihre Ansprüche auf ihre eigenen Rohstoffe deutlich machten, wurde 1974 von der UNO-Vollversammlung verabschiedet. Die UNO-Mitglieder erklärten sich bereit, auf eine gerechte Weltwirtschaftsordnung hinzuwirken.

Vermindert sich die Kluft zwischen Arm und Reich?

Nein, die von den Entwicklungsländern vertretene Neue Weltwirtschaftsordnung wirkte sich bislang nur wenig auf die Praxis aus, weil die meisten Entwicklungsländer keine fairen Rohstoffpreise durchsetzen konnten. Die Schuldenkrise der 1980er Jahre, also die hohe Auslandsverschuldung, die viele Entwicklungsländer fast in den Bankrott trieb, machte die Abhängigkeit von den Industrienationen erneut deutlich, genauso die Auflagen, die der Internationale Währungsfonds und die Weltbank den Entwicklungsländern zur Wiederherstellung ihrer Schuldendienstfähigkeit machten. 1994 wurde der GATT, die u. a. für den Abbau von Handelshemmnissen zuständige UNO-Organisation, in die Welthandelsorganisation WTO umgewandelt. Dadurch sollten die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Entwicklungsländer verbessert werden.

In den weltweiten Wirtschaftsorganisationen dominieren nach wie vor die Industriestaaten und die Ressourcen werden vor allem von westlichen Großunternehmen zu ihrem eigenen Vorteil ausgebeutet. Allerdings sehen die Industriestaaten aufgrund globaler Umweltprobleme wie der Luftverschmutzung und Klimaerwärmung sowie der zunehmenden Zahl an (Wirtschafts-)Flüchtlingen ein, dass auf Dauer eine stärkere Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern unumgänglich ist.

Erinnern Sie sich noch an …

den Krisenherd Eritrea? Äthiopien annektierte das autonome Gebiet Eritrea. Rebellengruppen organisierten daraufhin den Kampf um die Unabhängigkeit Eritreas, der bis 1991 andauerte. 1993 erlangte Eritrea seine staatliche Unabhängigkeit. 1998–2000 führten beide Staaten Krieg wegen umstrittener Grenzverläufe.

den Krieg in Nigeria? Der von 1967 bis 1970 dauernde Krieg wurde durch eine Neugliederung des Landes ausgelöst, nach der die Region Biafra mit ihren Öl-Ressourcen nicht mehr der Führungsschicht der Ibo, sondern der von den Haussa-Fulani dominierten Zentralregierung unterstand. Der Krieg endete mit dem Sieg der Zentralregierung. Im Biafra-Krieg starben etwa 2 Mio. Menschen, auch infolge einer großen Hungersnot.

Wussten Sie, dass …

eine der wichtigsten von der UNO veranstalteten Klimakonferenzen der 1992 in Río de Janeiro veranstaltete »Erdgipfel« war? Die dort beschlossene Agenda 21 strebt gleichzeitig einen verbesserten Lebensstandard in den Entwicklungsländern sowie den Schutz der Ökosysteme an. Die Entwicklungsländer verlangen von den Industrienationen jedoch umfassende Schritte zur Eindämmung der Umweltzerstörung. Sie selbst wollen sich – zumindest teilweise – von Einschränkungen ausnehmen, damit überhaupt eine wirtschaftliche Annäherung an die Industrienationen erfolgen könne.

Wussten Sie, dass …

das globale Nord-Süd-Gefälle nach Meinung einiger Experten auch die Gefahr des globalen Terrorismus wachsen lässt? Solange nicht die gröbsten Unterschiede zwischen Arm und Reich beseitigt worden seien, könne auch diese Gefahr nicht gebannt werden.

die UNO 1970 beschloss, dass die Industriestaaten wenigstens 0,7% ihres Bruttosozialprodukts für Entwicklungshilfe ausgeben sollen? Bis heute wird dieser Anteil allerdings in nahezu keinem wichtigen Industriestaat erreicht.

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