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Michail Gorbatschow: Das Ende des Kalten Krieges

War Michail Gorbatschow wirklich ein Demokrat?

Jedenfalls erkannte er die Notwendigkeit demokratischer Reformen in der Sowjetunion: »Wir brauchen die Demokratie wie die Luft zum Atmen. Wenn wir dies nicht erkennen (…), wird unsere Politik ersticken, wird die Umgestaltung ersticken, Genossen.« Als Gorbatschow 1987 seine Vorstellungen vor dem ZK-Plenum bekräftigt, ist er schon zwei Jahre ganz oben an der Spitze der Sowjetunion. Im März 1985 war Gorbatschow einstimmig zum Generalsekretär der KPdSU gewählt worden.

Wie ging er bei seinen Reformen vor?

»Perestroika« (Umbau) und »Glasnost« (Offenheit) – mit diesen zwei Begriffen kann sein Vorgehen charakterisiert werden. Dabei ging es Gorbatschow nicht um überstürzte und oberflächliche Maßnahmen, vielmehr wusste er, dass nur wirkliche, tiefgreifende Reformen die Sowjetunion aus der wirtschaftlichen, sozialen und auch ökologischen Talsohle führen konnten. Die Zeit schien überreif für Veränderungen. Gorbatschow war zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle und er ließ sich nicht beirren. Er legte die Fesseln der Gesellschaft ab, die vor allem dazu bestimmt war, den aufgeblasenen sowjetischen Apparat zu füttern. Und doch ließ auch er seine Macht spielen. Mit strategischen Winkelzügen wusste Michail Gorbatschow sich gezielt einiger seiner Widersacher zu entledigen, seiner Säuberungsaktion fielen allein in den ersten Monaten seiner Amtszeit rund 35 Minister zum Opfer.

Der Generalsekretär kämpfte verbissen gegen Willkür, Amtsmissbrauch und Korruption, er ging gegen Missstände im Allerinnersten der Macht – in Staat, Partei und Armee – vor. Darüber hinaus galt sein Kampf vor allem der Misswirtschaft und dem ökonomischen Niedergang der Sowjetunion.

Bewirkte der Präsident das Ende des Kalten Krieges?

Ja, denn die von Gorbatschow entschlossen in Gang gesetzte Umgestaltung entwickelte eine Eigendynamik und die Veränderungen waren nicht mehr aufzuhalten. Im März 1990 wurde Gorbatschow zum ersten sowjetischen Präsidenten gewählt, im Monat darauf bekannte sich die Sowjetunion zur marktwirtschaftlichen Ordnung. Im Oktober 1990 erhielt Gorbatschow den Friedensnobelpreis.

Es war eine aufregende Zeit, in deren Verlauf auch die deutsch-deutsche Mauer fiel. Gorbatschow hatte den anderen Mitgliedstaaten des Warschauer Paktes die Freiheit gegeben, demokratische Reformen durchzuführen. Der Kalte Krieg war vorbei, Ab- statt Aufrüstung war angesagt, der Warschauer Pakt hatte sich überholt – im Februar 1991 verkündete Gorbatschow dessen Auflösung. Die Dynamik der Veränderungen ging schließlich so weit, dass die Sowjetunion von den auseinander strebenden Einzelstaaten infrage gestellt wurde und schließlich am 25. Dezember 1991 aufhörte zu existieren. Gorbatschow trat als Staatspräsident zurück.

Welche Folgen hatte die Auflösung der Sowjetunion?

Es zeigten sich viele neue Schwierigkeiten. Die Unabhängigkeit der baltischen Staaten etwa galt als wirtschaftlich problematisch. Die schwelenden und offenen gewalttätigen nationalistischen Konflikte in einzelnen ehemaligen Teilrepubliken der Sowjetunion forderten immer mehr Opfer, vielfach sind sie bis heute nicht gelöst und werden durch den wiedererwachten Islamismus verschärft.

Die soziale und wirtschaftliche Lage erwies sich weiterhin als sehr schwierig. Der im Westen hoch geschätzte Gorbatschow ist im eigenen Land politisch unbedeutend geworden, wenig geliebt, stattdessen häufig gescholten. Doch wie hat er sich einmal in einem deutschsprachigen Magazin geäußert? »Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es keine glücklichen Reformer gibt.«

Wie war Gorbatschow überhaupt an die Macht gekommen?

Er absolvierte die übliche Parteikarriere. Der am 2. März 1931 in Priwolnoje, einem kleinen südrussischen Dorf, geborene Michail Gorbatschow erlebte als Kind noch den Einmarsch der Nazis und wuchs später auf wie viele intelligente sowjetische Jungen seiner Zeit: Nach der Grundschule besuchte er weiterführende Schulen, in Moskau studierte er dann Jura.

Dann folgte die Parteikarriere. Schon früh trat er dem Jugendverband Komsomol bei, später dann wurde er dessen erster Sekretär im heimatlichen Stadtkomitee. Langsam, aber sicher stieg er die politische Karriereleiter nach oben, qualifizierte sich zusätzlich im Agrarinstitut von Stawropol, der Gebietsstadt seines Dorfs, zum landwirtschaftlichen Experten. 1980 dann wurde Gorbatschow Vollmitglied des Politbüros und der mit Abstand jüngste Funktionär.

Wie wird man Gorbatschow in Erinnerung behalten?

So kennt man Michail Gorbatschow, der in seiner Frau Raissa bis zu deren Tod 1999 eine kluge und liebevolle Begleiterin hatte: mit aufrechter Haltung und meist heruntergezogenen Mundwinkeln, auch wenn er lächelt, mit ausgeprägten, klaren Gesichtszügen und dem unübersehbaren Blutschwamm auf dem Kopf. Der Schöpfer einer neuen Ordnung ist ein Denker und einer, für den die Wurzeln des Sozialismus Fundament sind. »Die Umgestaltung ist kein Spaziergang auf einem planierten Weg. Es ist die Besteigung eines Bergs, häufig auf Pfaden, die noch nie jemand begangen hat.«

Unter ihm stürzte der Kommunismus, der Kalte Krieg zwischen Ost und West machte Abrüstungsverhandlungen Platz und die Machtverhältnisse in der Welt verschoben sich. Michail Gorbatschows Politik riss Barrieren ein und setzte völlig neue Akzente, auf der Landkarte und in den Köpfen vieler Menschen.

»Es gibt keine vernünftige Alternative zu einer dynamischen, revolutionären Perestroika. Die Alternative wäre dauerhafte Stagnation (...) Es gibt kein Zurück«, schreibt Gorbatschow in seinem Buch »Perestroika«.

Wussten Sie, dass …

Gorbatschow 1989 nach der Unabhängigkeitserklärung der baltischen Sowjetrepubliken zunächst die Armee einsetzen ließ? Er besann sich aber schnell eines Besseren und blies diesen Versuch einer gewaltsamen Unterbindung der Unabhängigkeitsbestrebungen der baltischen Länder Estland, Litauen und Lettland wieder ab.

bei den Präsidentschaftswahlen der russischen Föderation (GUS) im Jahr 1996 nur weniger als ein Prozent der Stimmen auf Gorbatschow entfiel?

Gorbatschow 1993 die Umweltschutzorganisation »Grünes Kreuz International« gründete?

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