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Das Zeitalter Napoleons: Aufstieg Frankreichs zur Hegemonialmacht

Wie verlief Napoleons Aufstieg zur Macht?

Napoleon zeichnete sich zunächst als Feldherr aus. Als Brigadegeneral führte er die Italienarmee, mit der er 1796/97 den Ersten Koalitionskrieg (ab 1792) gegen ein Bündnis aus Preußen und Österreich, Großbritannien, Spanien, den Generalstaaten, Sardinien, Neapel, Toskana und deutschen Reichsständen für sich entscheiden konnte. Im Friedensvertrag von Campo Formio (1797) erwirkte er von Österreich die Abtretung der Niederlande, des linken Rheinufers und von Teilen Oberitaliens (künftige Tochterrepubliken um Mailand und Genua). Der Versuch, die britische Herrschaft im Mittelmeer zu beenden, scheiterte hingegen. In der entscheidenden Seeschlacht bei Abukir wurden die Franzosen 1798 durch Admiral Horatio Viscount Nelson (1758–1805) vernichtend geschlagen. Innenpolitisch gelang es Napoleon im Jahr darauf, durch den Staatsstreich vom 18. Brumaire (9. November 1799) die Macht zu übernehmen; formal regierte er als Erster Konsul, zunächst auf zehn Jahre, dann 1802 auf Lebenszeit gewählt. 1804 wandelte er Frankreich in ein erbliches Kaiserreich um und krönte sich selbst zum »Kaiser der Franzosen«. Es folgte ein bestätigender Volksentscheid, wobei Napoleon 3,4 Mio. Ja-Stimmen erhielt.

Wie gestaltete Napoleon den Staat um?

Napoleon schuf die Voraussetzungen für einen bürgerlichen Staat und errichtete ein straff organisiertes und zentralistisches Verwaltungssystem mit von der Regierung ernannten Präfekten an der Spitze der Départements. Als selbsternannter »Vollender« der Französischen Revolution sicherte er die Grundsätze von Freiheit und Gleichheit, die er 1804 in einem allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch (Code civil) festschreiben ließ. Zur inneren Aussöhnung gestattete er adligen Emigranten die Rückkehr, während der Revolutionszeit erworbener Besitz wurde allerdings als rechtmäßig anerkannt. Obwohl autoritär von Napoleon beherrscht, kehrte Frankreich nicht zur feudalen Ständegesellschaft zurück. Staatstragend wurde das (Groß-)Bürgertum.

War Napoleon ein Demokrat?

Nein, seine Herrschaft war ein klarer Bruch mit den Idealen der Französischen Revolution. Die Konsularverfassung von 1799 bringt es auf den Punkt: »Alles wird für das Volk, im Namen des Volkes gemacht; nichts wird durch es noch unter seinem unüberlegten Diktat gemacht.« Trotz des allgemeinen Wahlrechts (für männliche Bürger ab 21 Jahre) und der verfassungsmäßig garantierten Möglichkeit von Volksentscheiden blieb die politische Mitbestimmung weit gehend eingeschränkt: Das Volk selbst erstellte eigentlich nur ein Namensverzeichnis, aus dem die Gemeindebeamten bestimmt wurden. Maßgebliche Posten in Politik und Verwaltung wurden zentral von oben besetzt. Mit der Konsularverfassung und Napoleons umfassender Macht war die Gewaltenteilung größtenteils aufgehoben.

Wer wurde Napoleons ärgster Widersacher?

Napoleons militärische Erfolge ließen das europäische Machtgefüge zerbrechen. Insbesondere Großbritannien, das sich traditionell als Garant des politischen Gleichgewichts sah, betrachtete den französischen Machtzuwachs mit Argwohn. Es unterstützte deshalb (ab 1793) verschiedene Koalitionen europäischer Staaten, zunächst gegen das revolutionäre, dann gegen das napoleonische Frankreich, das zur Verteidigung die Massen mobilisierte (allgemeine Dienstpflicht).

Ein Jahr nach dem Frieden von Amiens, der den Zweiten Koalitionskrieg (1799 bis 1802) beendete, brachte der britische Premierminister William Pitt d. J. (reg. 1783 bis 1801 und 1804–1806) ein neues Bündnis mit Russland, Österreich und Schweden zustande, um vor allem den französischen Vorstößen in Übersee (Indien, Amerika) Einhalt zu gebieten. Im Dritten Koalitionskrieg (1805) blieb Napoleon zwar zu Lande ungeschlagen, errang bei Austerlitz gegen die verbündeten russischen und österreichischen Truppen gar einen glänzenden Sieg, zur See musste er sich aber der Überlegenheit der Briten beugen (Schlacht bei Trafalgar).

Wie wollte Napoleon Großbritannien ausschalten?

Mit einer Kontinentalsperre (1806) versuchte der Kaiser, Großbritannien wirtschaftlich unter Druck zu setzen; im französischen Herrschaftsgebiet wurde der Handel mit englischen Waren untersagt. Nach dem Vierten Koalitionskrieg (1806/07) wurde Russland im Frieden von Tilsit (1807) als neuer Bündnispartner dazu verpflichtet, die wirtschaftliche Isolierung der Briten in Skandinavien durchzusetzen. Wer sich der Kontinentalsperre widersetzte, wurde unterjocht: Portugal (1807–1811), Spanien (1808 erobert, Unabhängigkeitskrieg bis 1814), der Kirchenstaat (1809 aufgehoben) und Finnland (1808/09 von Russland erobert). Schweden wählte 1810 den französischen Marschall Jean-Baptiste Bernadotte zum Thronfolger (ab 1818 Karl XIV. Johann). Anschluss an Frankreich hatte zuvor ein Großteil der deutschen Staaten im Rheinbund (1806) gefunden. Das Kaiserreich Österreich geriet nach seiner Erhebung von 1809 vor allem durch die Niederlage bei Wagram in französische Abhängigkeit.

Was geschah auf dem Russlandfeldzug?

Als Ende 1810 Zar Alexander I. von Russland (reg. 1801–1825) die Kontinentalsperre durchbrach, weil die Wirtschaft seines Landes schwer darunter litt, marschierte Napoleon mit seiner Großen Armee aus ca. 600 000 Soldaten 1812 in Russland ein – nur ein Drittel davon waren Franzosen, der Rest Vasallen, u. a. aus Preußen und Österreich. Zunächst war er erfolgreich, doch zögerten die Russen eine Entscheidungsschlacht hinaus. Sie setzten Moskau in Brand, um dem Feind kein Winterquartier zu bieten, und überließen die Invasoren dem Schnee und der Kälte. Auf dem Rückzug wurde Napoleons Armee fast vollständig vernichtet – nach dem Übergang über die Beresina im November 1812 blieben ihm gerade noch 30 000 Mann.

Wie begannen die Befreiungskriege?

Der Anstoß für die Befreiungskriege gegen die napoleonische Vorherrschaft in Europa ging Ende 1812 von Preußen aus: Der Befehlshaber eines preußischen Hilfskorps schloss eigenmächtig einen Neutralitätsvertrag mit Russland, der Bevollmächtigte des Zaren vereinbarte daraufhin in Königsberg mit den ostpreußischen Ständen die Errichtung einer Landwehr. Der preußische König Friedrich Wilhelm III. (reg. 1797–1840) unterstützte diese Aktionen nachträglich, indem er im Frühjahr 1813 mit dem Zaren den Vertrag von Kalisch schloss. Österreich, Schweden und Großbritannien traten der neuen Koalition gegen Frankreich bei. Gemeinsam konnten sie die Völkerschlacht bei Leipzig (1813) für sich entscheiden und sogar Napoleons Herrschaft im eigenen Land ein Ende bereiten. Der Kaiser wurde auf die Insel Elba verbannt. Mit der Berufung des Bruders Ludwigs XVI. als Ludwig XVIII. (Reg. 1814–1824) begann die Zeit der Restauration. Der Feldzug gegen Frankreich endete mit dem Ersten Pariser Frieden (1814), der im Wesentlichen die Grenzen von 1792 wiederherstellte.

Die Uneinigkeit der Sieger verleitete Napoleon 1815 zur Rückkehr. Es bedurfte nochmals vereinter Kräfte, um seine »Herrschaft der hundert Tage« zu beenden (Schlacht bei Waterloo). Im Zweiten Pariser Frieden (1815) wurde Frankreich auf seine Grenzen von 1790 (ohne das Saargebiet, aber mit dem Elsass) zurückgedrängt und zum Teil bis 1818 (Aachener Kongress) besetzt.

Was wurde auf dem Wiener Kongress festgelegt?

Der große Friedenskongress, der zwischen Oktober 1814 und Juni 1815 in Wien stattfand, beschloss die große Neuordnung Europas. Gestaltet wurde sie vor allem vom österreichischen Staatskanzler Clemens Fürst Metternich (1773–1859). Seine Grundprinzipien im Bemühen um ein neues Gleichgewicht der Mächte lauteten: Restauration (Wiederherstellung) der politischen Zustände vor der Französischen Revolution, Legitimität (Gesetzmäßigkeit) der Wiedereinsetzung der alten Dynastien und Solidarität der alten/neuen Herrscher bei der Bewahrung der wiedergewonnenen Stärke.

Hauptgewinner hinsichtlich der territorialen Veränderungen waren Großbritannien, das mit den Stützpunkten Helgoland, Malta, der Kapkolonie und Ceylon seine Vorherrschaft zur See stärkte, und das russische Zarenreich: der nun stärksten Kontinentalmacht wurde neben Finnland und Bessarabien auch die Herrschaft über einen polnischen Rumpfstaat (Kongresspolen) zugestanden. Preußen musste sich mit der Rheinprovinz, Westfalen, dem nördlichen Teil von Sachsen, Westpreußen, Vorpommern und Posen zufrieden geben.

Wie nutzte Napoleon militärische Erfolge für den politischen Aufstieg?

Der am 15.8.1769 in Ajaccio geborene Sohn eines korsischen Advokaten (Buonaparte) wurde 1785 Leutnant der Artillerie und 1794 Brigadegeneral. Aus politischem Ehrgeiz trat er der französischen Bergpartei (Montagnards) bei und schlug im Oktober 1795 einen royalistischen Aufstand gegen den Konvent nieder. Das brachte ihm im Folgejahr den Oberbefehl über die französische Italienarmee ein. Nach großen Erfolgen wurden ihm auch Heere gegen Großbritannien (1797) und Ägypten (1798) anvertraut. Seine Herrschaft über Frankreich begann 1799 mit einem Triumphzug nach Paris, dem ein gewaltsamer Staatsstreich folgte, und endete 1814/15 mit der erzwungenen Abdankung und Verbannung. Der ebenso gefürchtete wie beliebte Staatsmann starb am 5.5.1821 auf der Insel St. Helena.

Wussten Sie, dass …

Napoleon bei der Wahl seiner politischen Vorbilder keineswegs bescheiden war? So eiferte er Alexander dem Großen, Julius Cäsar und Karl dem Großen nach.

der Feldherr häufig Familienangehörige als Regenten in den Vasallenstaaten einsetzte?

die Gebeine Napoleons seit 1840 im Pariser Pantheon ruhen?

Wo wurden Tochterrepubliken und Vasallenstaaten errichtet?

Von Frankreich in den Revolutions- bzw. napoleonischen Kriegen eroberte Gebiete wurden als Satellitenstaaten wie das Mutterland organisiert und regiert. So wurde aus den 1795 eingenommenen Vereinigten Niederlanden die Batavische Republik und 1806–1814 das Königreich Holland, aus der Schweiz 1798 die Helvetische Republik (bis 1803), aus der Republik Genua 1797 die Ligurische Republik (bis 1805), aus dem Herzogtum Mailand 1797 die Cisalpinische Republik (1802–1805 erweitert zur Italienischen Republik, ab 1805 Königreich Italien). Von Napoleon eingesetzte Herrscher regierten ab 1807 über die zum Königreich Westphalen zusammengefassten deutschen Gebiete westlich der Elbe mit Kurhessen, Brandenburg und Hannover, ab 1808 über das Königreich Spanien, ab 1809 über das zu Illyrischen Provinzen gemachte vormalige österreichische Staatsgebiet an der Adriaküste.

Wussten Sie, dass …

Napoleon nach seinem Tod 1821 von Literaten wie Victor Hugo, Percy Bysshe Shelley, Alexander Puschkin und Franz Grillparzer zunächst nur mit verächtlichen Versen bedacht wurde?

die restaurative Politik den ehemaligen Kaiser der Franzosen aber bald als Symbol politischer Liberalität erscheinen ließ? Berühmtester Fürsprecher Napoleons in Deutschland wurde Heinrich Heine, der ihn im zweiten Band seiner »Reisebilder« mit antiken Helden verglich.

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