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Schlangen: Abschreckend und faszinierend zugleich

Welches sind die am höchsten spezialisierten Reptilien?

Schlangen. Wir kennen heute rund 2600 Arten, die alle räuberisch leben. Typisch ist die (fast) völlige Rückbildung der Gliedmaßen; ihr Körper ist lang gestreckt und meist schlauchförmig. Die dachziegelartig angeordneten Hornschuppen schaffen einen guten Kontakt zum Untergrund. Schlangen streifen beim Häuten die alte Hülle »am Stück« ab; das gilt auch für die transparenten Schuppen, die die lidlosen Augen bedecken.

Schlangen sind weitgehend taub, d. h., sie können Luftschall kaum, aber dafür Bodenerschütterungen recht gut wahrnehmen. Stattessen verfügen sie mit Ausnahme der unterirdisch lebenden Arten über ein ausgezeichnetes Sehvermögen und viele tagaktive Schlangen sind anscheinend farbtüchtig. Zudem ist ihr Geruchssinn hoch entwickelt. Grubenottern sowie einige Boas und Pythons können außerdem mit dem sog. Grubenorgan Wärmestrahlung wahrnehmen.

Schlängeln alle Schlangen?

Nein. Obwohl es die geläufigste Bewegungsform ist, gibt es auch Schlangen, die kriechen oder sich winden. Beim Schlängeln erzeugt die Schlange abwechselnd auf jeder Körperseite Muskelkontraktionen, die sich horizontal und wellenförmig von vorn nach hinten ausbreiten. Größere und schwerere Schlangen wie Boas, manche Pythons und Vipern bewegen sich auf ebenem, glattem Gelände mit Raupenkriechen fort. Dabei werden die breiten Bauchschilde auf der Unterseite in Gruppen nacheinander angehoben, nach vorn geschoben und dann mit dem freien Rand in den Boden gestemmt; anschließend wird der Körper mithilfe der kräftigen Muskulatur nachgezogen.

Ziehharmonikakriechen wenden Schlangen häufig in Gängen oder Röhren an: Die Schlange legt ihren Körper in möglichst starke Windungen und streckt ihn dann wieder wie eine Ziehharmonika. Eine besondere Anpassung an sandigen Untergrund stellt das Seitenwinden dar. Dabei hebt die Schlange den Kopf und eine Körperwindung, die seitlich nach vorn geschwungen und wieder aufgesetzt wird. Anschließend wird eine neue Windung ausgebildet usw. Auf diese Weise bewegt sich die Schlange in »kleinen Schritten« vorwärts und berührt den heißen Wüstensand nur kurz.

Wie töten Riesenschlangen?

Da Riesenschlangen keine Giftdrüsen besitzen, müssen sie sich auf ihre Kraft verlassen. Sie packen ihre Beute mit den Zähnen, schlingen sich um sie herum und erwürgen sie mit ihrer kräftigen Muskulatur. Typische Vertreter sind die Anakonda (Eunectes murinus) und der Python. Das Verschlingen von großen Tieren (sogar von Schweinen) wird ihnen durch den sehr leicht gebauten und äußerst flexiblen Schädel ermöglicht. Beide Unterkieferhälften sind lediglich durch ein dehnbares Band verbunden und können aus dem Oberkiefer »ausgehängt« werden. Durch alternierende Bewegung beider Unterkieferhälften wird die Beute ins Maul gezogen, eingespeichelt und »mit Haut und Haar« verschlungen.

Wie leben Riesenschlangen?

Anakondas werden etwa 6–6,5 Meter lang; diese tropische südamerikanische Boa bewohnt ausschließlich Feuchtgebiete und ist eine hervorragende Schwimmerin. Zu ihren Beutetieren gehören Krokodile, Kaimane, Vögel und Fische, aber auch Wasserschweine, halbwüchsige Tapire und kleine Hirsche werden von ihr problemlos überwältigt. Wie alle Boas sind Anakondas lebendgebärend. Sollte es in ihrem Lebensraum zu trocken werden, können die Tiere eine Art »Sommerschlaf« halten.

Der bis zu zwei Meter lange Grüne Baumpython (Morelia viridis) lebt dagegen in den Regenwäldern Neuguineas und ist völlig an das Leben auf Bäumen angepasst. Gut getarnt und mit seinem kräftigen Greifschwanz sicher verankert, wartet er im Geäst, bis Nagetiere, Vögel oder auch Fledermäuse in seine Reichweite kommen. Wie für Pythons typisch, bewacht und bebrütet das Weibchen die Eier. Die schlüpfenden Jungtiere sind zunächst zitronengelb und färben sich später zum Grün der Alttiere um.

Wie viele Giftschlangen gibt es?

Diese Frage lässt sich nicht genau beantworten, denn der Übergang zwischen – für den Menschen – ungiftigen und giftigen Arten ist fließend. Noch bis in das letzte Drittel des 20. Jahrhunderts galten alle Nattern als ungiftig, doch inzwischen hat es so viele tödliche Unfälle mit Trugnattern gegeben, dass diese Ansicht revidiert werden musste. Von den höheren Schlangen können rund 250 bis 500 Arten beim Menschen schwere Vergiftungen verursachen, doch die meisten Fälle sind etwa 50 Arten zuzuschreiben.

Übrigens: Schlangen nutzen ihr Gift zum Beutefang und zur Verteidigung. Sie injizieren es ihren Opfern mithilfe von zwei gefurchten oder hohlen Giftzähnen im Oberkiefer, die mit Giftdrüsen in Verbindung stehen. Diese Giftdrüsen haben sich aus Speicheldrüsen entwickelt.

Welches sind die bekanntesten Giftschlangen?

Zu nennen sind v. a. die bis über zwei Meter lange Kobra oder Brillenschlange (Naja naja), die in Indien zu Hause ist, und die größte Giftschlange Afrikas, die Schwarze Mamba (Dendroaspis polylepis), die bis 4,40 Meter lang werden kann.

Die Kobra richtet bei Erregung ihren Oberkörper auf und spreizt ihre Haube, die die charakteristische Brillenzeichnung trägt. Sie hält sich gern in der Nähe menschlicher Siedlungen auf, denn dort findet sie reichlich Ratten und Mäuse; Kobras verschmähen aber auch andere kleine Wirbeltiere nicht. Brillenschlangen legen Eier und manche Arten bewachen ihr Gelege. Erwachsene Tiere sind nicht sehr angriffslustig, gehören aber in ihrem Verbreitungsgebiet aufgrund ihres starken Giftes zu den gefährlichsten Giftschlangen: Bei einem einzigen Biss gelangen etwa 210 Milligramm Gift in die Wunde – die tödliche Dosis für einen Erwachsenen liegt bei 15 Milligramm!

Übrigens: Die wichtigsten Giftschlangen gehören zur Familie der Vipern (Viperidae) und der Giftnattern (Elapidae). Bisse von Giftnattern führen zu Muskellähmungen, wie sie auch das Pfeilgift Curare hervorruft. Ohne Behandlung ist die Sterblichkeit sehr hoch; der Tod tritt durch Atemlähmung ein.

Wo lebt die Schwarze Mamba?

Die Schwarze Mamba lebt in baum- und buschbestandenen Savannen Afrikas und hält sich im Gegensatz zu ihrer meist auf Bäumen lebenden Verwandtschaft, zu der beispielsweise die Grüne Mamba (Dendroaspis viridis) gehört, gern am Boden auf. Dennoch können Schwarze Mambas auch ausgezeichnet klettern; sie sind überwiegend tagsüber aktiv und jagen Vögel und kleine Säuger.

Die Weibchen legen ihre Eier an eine feuchtwarme Stelle, etwa in einen Termitenbau. Die Tiere sind scheu und nicht aggressiv; in die Enge getrieben, beißen sie jedoch ohne Zögern zu und injizieren 1000 Milligramm Gift. Da die Giftwirkung sehr rasch eintritt, ist der Biss der Schwarzen Mamba auch für Menschen fast immer tödlich.

Gibt es wirklich Riesenseeschlangen?

Nein. Die Tatsache jedoch, dass einige Arten der im Meer lebenden Reptilien manchmal in großen Gruppen auftreten und lange Bänder bilden, hat wahrscheinlich zu Berichten über riesige Seeschlangen geführt.

Übrigens: Die von landlebenden Vorfahren abstammenden Seeschlangen gehören zu den Giftnattern; das Gift vieler Arten ist sogar stärker als das der Kobras. Die am besten an das Leben im Meer angepassten Arten, zu denen die bis zu 2,75 Meter lange Ruderschwanzseeschlange gehört, verlassen das Wasser gar nicht mehr und sind an Land völlig hilflos. Seeschlangen können ihre Nasenöffnungen verschließen und bis zu 50 Meter tief tauchen.

Weshalb klappern Klapperschlangen?

Werden Klapperschlangen gestört, so warnen sie den Störenfried mit einem rasselnden Geräusch; dazu bewegen sie ihre Hornrassel am Schwanz mit einer Frequenz von bis zu 50 Hertz (Schwingungen pro Sekunde). Bei jeder Häutung erhält die Rassel ein neues Glied und wird damit ein Stück größer.

Übrigens: Klapperschlangen sind eine artenreiche Gattung. Sie gehören wie alle Vipern zu den röhrenzähnigen Giftschlangen, das heißt, sie können ihre Zähne bei Nichtgebrauch nach hinten »zurückklappen«. Die kleinste Klapperschlange ist die mexikanische Art Crotalus pricei, die kaum 50 Zentimeter lang wird. Zu den größten gehört die Texasklapperschlange (Crotalus atrox), die eine Länge von über zwei Metern erreichen kann und von Nordmexiko bis in den Südwesten der USA anzutreffen ist.

Welche Schlangen gibt es hierzulande?

Insgesamt leben in Deutschland nur sechs Schlangenarten: Ringelnatter, Würfelnatter, Schlingnatter, Äskulapnatter, Kreuzotter und Aspisviper – anderen Arten ist es einfach zu kalt. Beispielhaft seien die Ringelnatter (Natrix natrix) und die Kreuzotter (Vipera berus) beschrieben.

Die Ringelnatter, eine ungiftige, bis zu zwei Meter lange Wassernatter, bewohnt feuchte Lebensräume. Typisch ist der gelblich weiße, halbmondförmige Fleck am Hinterkopf. Ringelnattern sind tagaktiv und ernähren sich hauptsächlich von Fröschen und Fischen, die sie lebend verschlingen. Es sind recht scheue Tiere, die sich bei Bedrohung tot stellen. Die Ringelnatter gilt als gefährdet.

Die bekannteste heimische Giftschlange ist die Kreuzotter, die an ihrem typischen dunklen Zickzackmuster auf hellem Grund zu erkennen ist. Diese Otter liebt sonnige Feuchtbiotope wie Moore und Bergwiesen. Sie ernährt sich vorwiegend von kleinen Säugern, Fröschen und Eidechsen, die sie mit ihrem Gift tötet. Kreuzottern sind lebendgebärend und halten eine Winterruhe. Da die Tiere extrem scheu sind, kommt es nur selten zum aggressiven Kontakt mit Menschen. Pro Biss werden ca. zehn Milligramm Gift appliziert; die tödliche Dosis für einen Erwachsenen liegt bei etwa 75 Gramm. Die Kreuzotter gilt ebenfalls als stark gefährdet.

Übrigens: Von den sechs einheimischen Arten zählen vier zur Familie der Nattern (Colubridae) und zwei zu den Vipern (Viperidae). Würfelnatter, Äskulapnatter und Aspisviper sind nur noch als »Restvorkommen« in Deutschland vertreten.

Was ist ein Natternhemd?

Die abgestreifte Haut von Schlangen. Anders als Säugetiere, deren Haut sich ständig unauffällig abschuppt, verlieren Schlangen alle Zellen der oberen Hautschicht zur gleichen Zeit. An einem »Natternhemd« sind die einzelnen Schuppen so deutlich sichtbar, dass man sogar die Art bestimmen kann, der das »Hemd« einmal gepasst hat.

Wussten Sie, dass …

Boas bis zu 40, Anakondas 31 und Klapperschlangen höchstens 19 Jahre alt werden können?

ein Netzpython die Länge von zehn Metern erreichen kann?

die afrikanische Schwarze Mamba mit elf Stundenkilometern als die schnellste Schlange gilt?

ein Biss der Schwarzen Mamba oder der Königskobra Menschen innerhalb von wenigen Minuten tötet?

Wussten Sie, dass …

sich der griechische Gott der Heilkunde auf einen von einer Äskulapnatter (Elaphe longissima) umwundenen Stab stützt und die Schlange deshalb das Symbol der Heilberufe ist?

Schlangenbändiger ein recht ungefährlicher Beruf ist, da man meistens mit Kobras arbeitet, deren Giftzahn vorher entfernt wurde?

Wie wirkt Schlangengift?

Je nach seiner Zusammensetzung kann Schlangengift das Nervensystem schädigen, die Blutgerinnung stören, zu inneren Blutungen und Gewebezerstörungen führen oder herzschädigend wirken. Das Besondere an Schlangengift: Es besteht nicht aus einer einzigen Substanz, sondern aus einem komplexen Eiweißgemisch. Behandelt werden Schlangenbisse in der Regel mit dem entsprechenden Antiserum und kreislaufstabilisierenden Mitteln.

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