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Mpox, Oropouche, Vogelgrippe: Droht die nächste Pandemie?

Nach Corona möchte keiner von uns eine weitere Pandemie erleben, doch in letzter Zeit ist immer wieder von neuen viralen Erregern wie dem Mpox-, dem Oropouche- und dem Vogelgrippe-Virus die Rede. Aber wie gefährlich sind sie wirklich? Müssen wir uns in Europa Sorgen machen? Und könnten diese Viren eine neue Pandemie auslösen?
AMA, 19.08.2024
Symbolbild  Mpox

© somboon kaeoboonsong, iStock

Die Corona-Pandemie war für viele von uns eine einschneidende Zeit im Leben, von der wir keine Neuauflage brauchen. Doch ausgeschlossen ist eine weitere Pandemie nicht, denn noch immer reist unsere Spezies täglich um den kompletten Globus und kann dabei gefährliche Erreger in Rekordgeschwindigkeit verteilen. Virologen beobachten das Krankheitsgeschehen in der Welt daher besonders wachsam, um frühzeitig Erreger mit Pandemie-Potenzial identifizieren zu können.

Im Moment geistern vor allem drei Erreger immer wieder durch die Medien und werden dabei häufig von einem sorgenvollen Ton begleitet: das Mpox-, das Oropouche- und das Vogelgrippe-Virus. Doch wie gefährlich könnten sie uns wirklich werden?

Die Pockenkrankheit Mpox im Porträt

Mpox dürften den meisten noch unter ihrem früheren Namen „Affenpocken“ geläufig sein. Den trugen sie, weil sie zufällig erstmals bei Affen nachgewiesen worden waren. Doch um Diskriminierung vorzubeugen, hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sich dazu entschieden, den Namen zu ändern. Mpox ist dabei die Kurzform des englischen Begriffs für Affenpocken („monkeypox“).

Wer sich mit dem Mpox-Virus infiziert, der entwickelt in der Regel Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen, Schüttelfrost, geschwollene Lymphknoten und häufig eben auch die charakteristischen Pocken, also schmerzhafte, pustelige Hautveränderungen. Sie treten vor allem im Gesicht sowie an den Handflächen und Fußsohlen auf, können aber auch Mund, Augen und Genitalien betreffen. In der Regel klingen die Hautveränderungen nach zwei bis vier Wochen von selbst wieder ab.

Das Mpox-Virus wird durch direkten Kontakt mit Körperflüssigkeiten – also zum Beispiel mit Pustelsekret, Speichel und Blut erkrankter Tiere und Menschen – übertragen. Damit ein Mensch einen anderen anstecken kann, müssen beide allerdings sehr engen Kontakt haben, etwa in Form von Geschlechtsverkehr. Aber auch die abgefallenen Pockenkrusten können noch eine ganze Weile Mpox-Viren enthalten und infektiös sein.

Hautläsionen bei verschiedenen Mpox-Patienten
Hautläsionen bei verschiedenen Mpox-Patienten.

© UK Health Security Agency

Wie gefährlich sind Mpox?

Die WHO hat am 14. August 2024 wegen Mpox die internationale Notlage ausgerufen, denn aktuell grassiert in Afrika eine aggressivere Virusvariante – die sogenannte Mpox Klade I. Bei Erwachsenen führt sie in rund drei Prozent und bei Kindern wahrscheinlich in zehn Prozent der Fälle zum Tod. Ende 2023 erstmals im Osten der Demokratischen Republik Kongo entdeckt, sind die Klade I-Viren nun bereits bis Uganda, Ruanda, Burundi und Kenia vorgedrungen. Allein in diesem Jahr hat die afrikanische Gesundheitsbehörde CDC mehr als 14.000 Verdachts- und 500 Todesfälle gemeldet – und die Fallzahlen steigen exponentiell an.

Für Europa gibt die Europäische Gesundheitsbehörde ECDC allerdings Entwarnung und schätzt das Risiko einer großflächigen Ausbreitung von Klade I als „sehr gering“ ein. In Deutschland ist laut Robert Koch-Institut (RKI) zum Beispiel noch kein einziger Fall einer Ansteckung mit Klade I bekannt und auch an der deutlich harmloseren Klade II erkranken hierzulande jeden Monat nicht einmal 20 Menschen. Darüber hinaus sind Impfstoffe verfügbar, wodurch uns Experten zufolge keine Mpox-Pandemie droht.

Gnitze (Culicoides sp.) auf menschlicher Haut
Gnitzen sind zwar auch Mücken, aber deutlich kleiner als Stechmücken. Sie sind der Hauptvektor für die Verbreitung des Oropouche-Virus in der Amazonasregion.

Oropouche-Virus als neuer Player

Deutlich unbekannter als Mpox ist das sogenannte Oropouche-Virus. Es kommt überwiegend im südamerikanischen Amazonasgebiet vor und kann durch eine nur in der Neuen Welt lebende Stechmücken-Art übertragen werden. Infizierte Menschen entwickeln Fieber, Kopf-, Muskel- und Gliederschmerzen sowie Magen-Darm-Beschwerden. Seit der Entdeckung des Virus im Jahr 1955 haben bereits mindestens eine halbe Million Menschen diese Symptome durchgestanden. Gestorben ist daran jedoch keiner – zumindest bis jetzt.

Diesen Sommer haben in Brasilien zum ersten Mal zwei junge Frauen eine Oropouche-Infektion nicht überlebt, wie die brasilianischen Behörden mitteilten. Beide hatten vor ihrem Tod unter starken Bauchschmerzen, Blutungen und niedrigem Blutdruck gelitten. Wahrscheinlich hatten sie sich mit einer mutierten Variante des Virus angesteckt, die bereits zwischen 2010 und 2014 entstanden ist. Die Infektion der Brasilianerinnen verlief aber nicht nur ungewöhnlich schwer, sondern war auch in einem Landesteil aufgetaucht, der weit weg vom Amazonas-Regenwald liegt und dementsprechend nicht ins typische Verbreitungsgebiet des Virus fällt.

Müssen wir uns Sorgen machen?

Auch in noch nördlicheren Gebieten wie Kuba und Haiti ist es in den vergangenen Monaten vermehrt zu Infektionen gekommen. Der Europäischen Gesundheitsbehörde zufolge kommt das Oropouche-Virus möglicherweise bereits weltweit vor. Auch in Europa wurden seit Juni 2024 bereits 19 Fälle erfasst, zwei davon bei Reiserückkehrern in Deutschland.

Noch gibt es weder einen Impfstoff gegen das Oropouche-Virus noch spezifische Behandlungsmöglichkeiten im Falle einer Infektion. Doch glücklicherweise verlaufen die meisten Fälle nach wie vor harmlos. Deshalb und weil das Oropouche-Virus nicht von Mensch zu Mensch übertragen werden kann, wird die Lage derzeit noch als wenig riskant eingeschätzt. Das gilt insbesondere in Europa, denn hier kommt die Mückenart, die das Virus überträgt, nicht einmal vor. Heimische Stechmücken können wahrscheinlich nicht als Überträger fungieren, aber das muss noch genauer untersucht werden. So oder so wird dem Oropouche-Virus derzeit aber kein Pandemie-Potenzial zugeschrieben.

Infograik zur Ausbreitung des Vogelgippe-Virus
In den USA wurde im Frühjahr 2024 erstmals das Vogelgrippevirus bei Milchkühen nachgewiesen.

© CDC

Vogelgrippe: Riskant durch Wandelbarkeit

Deutlich sorgenvoller schauen Virologen derzeit auf das Vogelgrippevirus H5N1, von dem ein besonders tödlicher, hochpathogener Stamm seit 2021 bereits Millionen Wildvögel und auch Säugetiere getötet hat. Betroffen sind bislang zum Beispiel Marder, Füchse, Stinktiere, Nerze, Robben und Milchkühe. Experten fürchten daher, dass der Virenstamm auf noch mehr Säugetiere und letztlich auch auf den Menschen überspringen könnte.

H5N1-Viren anderer Stämme haben seit 2003 weltweit rund 900 Menschen infiziert. Etwas mehr als die Hälfte von ihnen sind daran gestorben. Dass es trotz dieser hohen Sterblichkeit nur sehr wenige Fälle unter Menschen gibt, liegt daran, dass das Virus nicht von Mensch zu Mensch übertragbar ist. Man kann sich nur anstecken, wenn man engen Kontakt zu erkrankten Tieren hat, also zum Beispiel als Mitarbeiter einer Geflügelfarm. Dieser Umstand könnte uns allerdings in einem Gefühl der falschen Sicherheit wiegen, warnen Experten. Denn Grippeviren gehören zu den wandlungsfähigsten Erregern. Nicht umsonst muss auch die Zusammensetzung der Grippeschutzimpfung jedes Jahr angepasst werden.

In der Vergangenheit haben besonders tödliche Grippeviren-Stämme schon viele Todesopfer gefordert, darunter die durch H1N1 verursachte Spanische Grippe, der zwischen 1918 und 1919 rund 50 Millionen Menschen erlagen. Zwischen 1957 und 1958 forderte die durch H3N2 ausgelöste Hongkong-Grippe noch einmal zwei Millionen Opfer. Wenn es dem derzeit grassierenden Stamm des Vogelgrippe-Virus also gelänge, sich auf den Menschen anzupassen und von Mensch zu Mensch übertragbar zu werden, könnte uns durchaus erneut eine verheerende Pandemie bevorstehen. Doch aktuell müssen wir uns darüber noch keine Sorgen machen.

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