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Wassily Kandinskys Aquarell Ohne Titel: Wege zur Abstraktion

Wie stieg Kandinsky in die Kunstszene ein?

1896 kam Wassily Kandinsky (1866–1944), eigentlich Jurist, aus Russland nach München. Nach kurzer Studienzeit bei Anton Azbé und Franz von Stuck gründete er die Künstlervereinigung »Phalanx«. Hier lernte der verheiratete Kandinsky die Malerin Gabriele Münter (1877 bis 1962) kennen. Auf gemeinsamen Reisen entstanden impressionistische Landschaftsbilder und märchenhafte Bilder im Jugendstil, die Kandinskys Heimat zum Thema hatten.

Wie veränderte sich Kandinskys Stil in Murnau?

Gabriele Münter mietete 1909 im idyllischen Murnau am Staffelsee ein Haus, »Russenhaus« nannten es die Murnauer. Die Zeit in Murnau bedeutete den Abschied von der impressionistischen Malweise und die Hinwendung zum Expressionismus. Kandinsky übertrug die leuchtende Farbigkeit seiner früheren Bilder auf die Landschaften und Dorfansichten aus Murnau. Die Farben lösten sich zunehmend von der Gegenstandsfarbe und immer öfter schlichen sich undefinierbare, ungegenständliche Elemente in seine Bilder.

Wer war der »Blaue Reiter«?

Der Name einer Künstlervereinigung. Zu den wenigen Bewunderern der Murnauer Bilder gehörte der Maler Franz Marc (1880–1916). Mit ihm, Münter und August Macke (1887–1914) verließ Kandinsky die von ihm gegründete »Neue Künstlervereinigung München«, in der seine zunehmende Abstraktion auf Unverständnis stieß. Kandinsky und Marc schlossen sich zur Redaktion »Der Blaue Reiter« zusammen, veranstalteten zwei Ausstellungen und veröffentlichten 1912 einen Almanach unter gleichem Namen. Mit dem frühen Tod Franz Marcs und August Mackes im Ersten Weltkrieg war die Zeit des »Blauen Reiters« vorüber.

Was macht das namenlose Bild so interessant?

Das Aquarell »Ohne Titel« gilt als Kandinskys erstes vollkommen abstraktes Bild. Es entstand nach Angaben des Malers schon 1910, vermutlich aber erst 1913. Verschiedene Erlebnisse wie Spiegelungen Moskaus in der Moskwa, Farbhalluzinationen während einer Lohengrin-Aufführung und der Eindruck, den ein auf dem Kopf stehendes Bild in der Dämmerung auf ihn machte, hatten Kandinsky dazu gebracht, die gegenständlichen Elemente in seinen Bildern zunehmend zu reduzieren. Das Ziel seiner Bilder sollte sein, im Betrachter durch Formen und Farben einen »inneren Klang« hervorzurufen, ähnlich wie es die Musik vermag. Auf die Musik weisen jetzt auch die Bildtitel hin wie »Komposition« oder »Improvisation«.

Was bedeuten die Farben?

In seiner theoretischen Schrift »Über das Geistige in der Kunst« von 1911 notierte Kandinsky, Farben und Formen besäßen Klänge und Eigenschaften. Gelb sei eine spritzige, aggressive Farbe, Rot dynamisch und voller Energie, Grün die Farbe der Ruhe, und Blau sei die Farbe des Himmels, des Transzendenten. Mit diesen Worten vollzog Kandinsky den revolutionären Schritt zur reinen Abstraktion in der Kunst. Auch in der Praxis setzte er seine Überlegungen um: Gemeinsam mit den Formen, dem aggressiven Dreieck, dem energiereichen Quadrat und dem in sich ruhenden Punkt finden wir die Farben in seinen Bildern wieder, wo sie Bewegung, Spannungen und Harmonie ausdrücken.

Wo lebte Kandinsky?

Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs musste Kandinsky 1914 Deutschland verlassen und fand in Russland Anschluss an die Konstruktivisten. Enttäuscht von den politischen Entwicklungen ging er 1922 als Lehrer ans Bauhaus nach Weimar. Immer noch beschäftigte ihn der Charakter von Farben und Formen und er machte Umfragen unter den Studenten über Fragen wie »Welche Farbe hat ein Quadrat?« Die Bilder der Bauhauszeit waren Weiterentwicklungen seiner früheren Kompositionen aus Formen und Farbklängen, aber viel klarer und grafischer als zuvor.

1933 trieben Kandinsky die politischen Verhältnisse ins Exil nach Paris. Dort setzte er sich am Ende seines künstlerischen Schaffens mit dem Surrealismus seiner Freunde Joan Miró und Hans Arp auseinander.

Wussten Sie, dass …

die Künstlervereinigung »Phalanx« wegen ihrer Avantgarde-Ausstellungen auch als »Freche Wanze« bezeichnet wurde?

das »Russenhaus« in Murnau heute ein Museum ist, in dem sehr persönliche Kunstwerke wie von Gabriele Münter und Wassily Kandinsky bemalte Möbel zu besichtigen sind?

Kandinskys Bilder 1937 von den Nationalsozialisten in der Ausstellung »Entartete Kunst« gezeigt wurden?

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