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Würmer: Ungeliebte Schmarotzer, nützliche Helfer

Was bezeichnet man als Würmer?

Tiere mit einem weichen, länglichen Körper, die nicht näher miteinander verwandt sein müssen. Die drei artenreichsten »Wurmstämme« sind Plattwürmer, Schlauchwürmer und Ringelwürmer. Viele Würmer leben im Meer, einige haben das Land erobert, bevorzugen dort aber Lebensräume mit hohem Feuchtigkeitsgehalt. Eine dritte Gruppe hat sich zu Parasiten entwickelt und hält sich im feuchten Milieu eines Wirtskörpers auf. Viele Würmer sind zu einer gerichteten Fortbewegung fähig, wobei flüssigkeitsgefüllte Hohlräume (Hydroskelett) als Widerlager für den Hautmuskelschlauch dienen. Sie verfügen z. T. über ein gut entwickeltes Nervensystem, das auf der Bauchseite liegt (Bauchmark), und eine Anhäufung von Nervenzellen am Vorderende, was als Anfang einer Gehirnentwicklung verstanden werden kann. Außerdem kommen bei den Würmern erstmals Gefäßsysteme für den Blut- und Sauerstofftransport, ein echter Darm und Organe zur Ausscheidung von Stoffwechsel- und/oder Geschlechtsprodukten vor. Vor allem aber ist bei ihnen zum ersten Mal eine besondere Gewebeschicht zu finden, das Mesoderm, aus dem sich bei höheren Tieren die Organe entwickeln.

Welche Würmer haben bunte Tentakel?

Die marinen, also im Meer lebenden Fächerwürmer. Die bunt gefärbte Tentakelkrone, die ihren Mund wie ein Trichter umgibt, schmückt das vordere Ende der Tiere; mit ihrer Hilfe können sie Fressbares aus dem Wasser fischen und zum Mund befördern. Der Rest ihres Körpers sitzt in einer unten verschlossenen Röhre, die entweder im Sand steckt oder auf Steinen befestigt ist. Ihren Kot geben die Tiere ab, indem sie ihn entlang einer Rinne auf der Bauchseite durch die Röhre nach oben drücken.

Zwei Arten, die man im Mittelmeer und im Atlantik finden kann, sind der Meerpinsel (Sabella penicillus) und die Schraubensabelle (Spirographis spallanzanii). Beide Vertreter werden 25 bis 30 Zentimeter lang, doch während die Röhren des Meerpinsels nur wenige Zentimeter aus dem Sandboden herausragen, legt die Schraubensabelle bis zu 60 Zentimeter lange Röhren auf felsigem Untergrund an. Ihren Namen verdankt Letztere übrigens dem Umstand, dass einer der beiden Tentakelträger größer ausgebildet und wie eine Schraube gewunden ist.

Wer verursacht im Watt die typischen kringeligen Häufchen?

Der Watt- oder Pierwurm (Arenicola marina). Er ist vom Schlickwatt bis zum Sandwatt weit verbreitet, erreicht seine höchste Dichte jedoch im Mischwatt. Hier bewegen bis zu 50 Tiere pro Quadratkilometer jedes Jahr etwa 400 Kilogramm Sand, das sind stolze 4000 Tonnen pro Hektar. Dadurch wird jedes Jahr die gesamte Masse des Wattbodens bis zu einer Tiefe von etwa 30 Zentimetern umgearbeitet.

Von großer ökologischer Bedeutung ist seine große Populationsdichte jedoch in erster Linie für die Nahrungskette im Lebensraum Wattenmeer. Der Wattwurm ist trotz seiner verborgenen Lebensweise mit jedem Rückgang des Wassers bei Ebbe eine regelmäßig verfügbare Beute für zahlreiche Wattbewohner oder Durchzügler. Viele Vögel, vor allem Austernfischer (Haematopus ostralegus), aber auch Fische wie die Scholle (Pleuronectes platessa) und verschiedene Krebse haben eine Vorliebe für diese eiweißhaltige Nahrung. Allerdings erwischen sie meist nur das dünnere Hinterende des Wurms, wenn sich dieser zur Kotabgabe an die Wattoberfläche wagt. Die abgerissenen Endglieder werden jedoch wieder regeneriert, so dass die Räuber den Bestand der Ringelwürmer nicht gefährden können. Wenn er zum Fressen im unteren Teil seiner Röhre liegt, ist der Wattwurm perfekt vor seinen Fressfeinden geschützt.

Trägt der Regenwurm seinen Namen zu Recht?

Ja, denn er kommt meist nur an Regentagen ins Freie, wenn Sauerstoffmangel ihn aus seinen Gängen an die Erdoberfläche treibt. Da er sehr empfindlich auf ultraviolettes Licht reagiert, verträgt er kein Sonnenlicht – er würde praktisch verbrennen; außerdem kann er sich an der Erdoberfläche kaum gegen Austrocknen schützen. Deshalb bevorzugt er ansonsten den Aufenthalt im feuchten Dunkel der Erde.

Den bekanntesten Vertreter – Lumbricus terrestris, den Gemeinen Regenwurm – kennt wohl jedes Kind. Er wird neun bis 30 Zentimeter lang, relativ dick und ist charakteristisch segmentiert. Auffallend bei ihm ist auch das abgeplattete Hinterende. Nur halb so groß und schlank ist Eisenia foetida, der Kompost- oder Mistwurm. Er hat sich zu einem echten Verkaufsschlager entwickelt, denn er lässt sich leicht vermehren. Züchter verkaufen ihn unter verschiedensten Bezeichnungen an Hobbygärtner. Und das nicht von ungefähr: Die Humusproduktion ist nämlich einer der größten Verdienste der Regenwurmfamilie. Die Tiere ziehen Pflanzenteile in ihre unterirdischen Gänge, lösen das verrottende Gewebe mit ihrem Speichel auf und verzehren es. Beim Weg durch den Verdauungstrakt vermehren sich die dem Substrat anhaftenden Bakterien und werden mit dem Kot ausgeschieden. Auf diese Weise fördern Regenwürmer das »Bodenleben«. Aber auch die Belüftung durch die zahlreichen Gänge, das Zerkleinern von Erdbrocken und das Umschichten von Nährstoffen tragen zur Bodenverbesserung bei.

Weshalb ist der Blutegel ein »Nutztier«?

Weil er in der Medizin eingesetzt wird. Die medizinische Anwendung von Blutegeln zum Aderlass ist seit der Antike bekannt und war in vergangenen Jahrhunderten eine weit verbreitete Therapieform. Das sog. Ausleiten sollte den Körper entgiften, Stauungen und Krämpfe lösen und Entzündungen heilen. Die Beliebtheit der Methode führte in einigen Regionen Europas zur Ausrottung der Tiere, so dass man begann, sie gezielt zu züchten. Heute werden Blutegel noch in der Naturheilkunde zur Behandlung von rheumatischen Beschwerden und Venenentzündungen eingesetzt. Der Blutgerinnungshemmer Hirudin, der im Speichel des Blutegels enthalten ist, wird auch Medikamenten beigegeben, die die Entstehung von Thrombosen verhindern sollen; er wird mittlerweile gentechnisch hergestellt.

Übrigens: Ausschließlich verwendet wird der Medizinische Blutegel (Hirudo medicinalis), mit zehn bis 20 Zentimetern Länge der größte europäische Egel. Er lebt natürlicherweise in stehenden Gewässern mit reichem Pflanzenbewuchs und wartet auf Tiere, die zur Tränke kommen. Er kann in einer halben Stunde bis zu 15 Milliliter Blut aufnehmen, das er z. T. in Blindsäcken einlagert, die vom Darm abgehen. Rund fünf Monate kann er von seinem Vorrat zehren.

Was ist charakteristisch für Bandwürmer?

Ihr mit Saugnäpfen besetzter und oft zusätzlich mit Haken bewehrter Kopf, an den sich ein kurzes Halsstück und eine mehr oder weniger lange Kette aus gleichförmigen Körpergliedern anschließen. Alle Bandwürmer schmarotzen im Darmkanal von Wirbeltieren. Der Mensch ist der Endwirt für Rinder- und Schweinebandwurm (Taenia saginata bzw. Taenia solium), d. h., in ihm erlangen die Tiere die Geschlechtsreife. Der Vermehrungszyklus beginnt, wenn mit Eiern angefüllte Körperglieder abgestoßen und mit dem Stuhl ausgeschieden werden. Gelangen ungeklärte Abwässer oder menschliche Ausscheidungen auf Weiden, können sie von Rindern oder Schweinen aufgenommen werden. In diesen Zwischenwirten entwickeln sich die Bandwurmlarven. Isst nun ein Mensch nicht vollständig durchgegartes finnenhaltiges Rind- oder Schweinefleisch, stülpt die Finne ihren Kopf aus und heftet sich im Dünndarm fest. Rinder- und Schweinebandwurm, die zehn bzw. vier Meter lang werden können, verursachen meist nur Magen-Darm-Beschwerden.

Wen befällt der Leberegel?

Vor allem Schafe, Rinder, Ziegen und Rotwild, die bei starkem Befall die sog. Leberfäule entwickeln: Sie leiden an Blutarmut und magern ab; ihr Fleisch darf nicht verwertet werden. Bis der Große Leberegel (Fasciola hepatica) einen dieser Wirte erreicht, muss er einen komplizierten Lebenszyklus durchlaufen. Hat er in den Gallengängen der befallenen Tiere seine Eier abgelegt, gelangen diese mit der Gallenflüssigkeit in den Darm und mit dem Kot ins Freie. Weiterentwickeln können sich aber nur die Eier, die zufällig in Wasser abgegeben wurden. Aus ihnen entstehen frei schwimmende Wimperlarven, die eine Lungenschnecke als Wirt benötigen.

In der Schnecke finden in verschiedenen Organen mehrere Entwicklungszyklen unterschiedlich gestalteter Larven und eine ungeschlechtliche Vermehrung statt. Am Ende verlassen schwimmfähige Larven die Schnecke und suchen sich eine im Wasser stehende Pflanze, an der sie sich einkapseln. Werden sie mit der Pflanze von einem Wiederkäuer aufgenommen, bohren sie sich vom Darm aus zur Leber und zu den Gallengängen durch und entwickeln sich dort zum geschlechtsreifen Tier weiter.

Können Würmer auch Pflanzen schädigen?

Ja, Fadenwürmer, auch Nematoden genannt, sind solche Pflanzenschädlinge. Sie gehören zu den Schlauchwürmern, sind drehrund und können sich schlängelnd fortbewegen. Das hat einigen ihrer Vertreter auch die Bezeichnung »Älchen« eingebracht. In der Landwirtschaft und im Weinbau richten die winzig kleinen, bodenbewohnenden Nematoden oft große Schäden an, weil sie durch Anstechen und Aussaugen von Wurzelzellen die Pflanzen zum Absterben bringen oder deren Wachstum beeinträchtigen. Außerdem können sie Viren und Bakterien übertragen.

Abhilfe schafft etwa ein konsequenter Fruchtwechsel. Besonders wirkungsvoll ist die Einsaat der befallenen Flächen mit Phacelia (auch Bienenfreund genannt), das auch die Unkräuter verdrängt; sie dienen den Älchen oft als Zwischenwirt.

Übrigens: Nematoden können auch Menschen befallen, etwa der Spulwurm (Ascaris lumbricoides), der oft durch Düngung von Feldern mit menschlichen Fäkalien übertragen wird, und der Madenwurm (Enterobius vermicularis), ein häufiger Plagegeist bei Kindern. Auch die in manchen tropischen Ländern grassierende Flussblindheit wird von Fadenwürmern verursacht. Kriebelmücken übertragen deren Larven und stellen gleichzeitig Zwischenwirte dar.

Welcher Wurm gilt als Delikatesse?

Der Pazifische oder Samoanische Palolo (Eunice viridis). Zu Hause ist der etwa 40 Zentimeter lange Ringelwurm in den Korallenriffen rund um die Südseeinseln. Normalerweise verlässt er seine Wohnröhren nur bei Dämmerlicht oder im Dunkeln. Im Oktober und November schwärmen die Palolos aus und stoßen dabei ihre mit Eiern bzw. Sperma gefüllten Hinterleiber komplett ab.

Diese jedoch suchen das Licht und wimmeln schon bald in so großer Zahl in den oberen Wasserschichten herum, dass die Inselbewohner die als Delikatesse geltenden Palololeiber mit Körben abschöpfen und einen großen Festschmaus veranstalten. Das Schwärmen findet immer zu Beginn des letzten Mondviertels im Oktober und im November statt. Je nach Lage der Mondphasen kann die Schwärmintensität an den beiden Terminen sehr unterschiedlich sein: »Große« bzw. »kleine« Palolozeit nennen das die Einheimischen.

Wussten Sie, dass …

Wurmerkrankungen weltweit sehr häufig sind? Mit dem Rinderbandwurm (Taenia saginata) sind etwa 40 Millionen Menschen infiziert, mit dem Erreger der Bilharziose (Pärchenegel) rund 200 Millionen und mit dem Spulwurm (Ascaris lumbricoides) sogar eine Milliarde.

eine Infektion mit dem Fuchsbandwurm tödlich enden kann? Die sich in Leber, Lunge oder Gehirn entwickelnden Larven lösen die meist tödlich verlaufende Krankheit Echinococcose aus.

Was sind Trichinen?

Als »Trichinen« bezeichnet man die im Muskelfleisch von verschiedenen Fleisch- und Allesfressern eingekapselten Trichinella-Larven. Wird infiziertes Fleisch roh genossen (z. B. Mett), lösen die Verdauungssäfte die Kapseln auf und setzen die Larven frei. Innerhalb weniger Tage haben die Tiere Geschlechtsreife erreicht und paaren sich. Danach sterben die Männchen ab und die Weibchen dringen durch die Darmschleimhaut in die Blutbahn ein. Dort gebären sie lebende Larven, die über den ganzen Körper verteilt werden. Diese können sich nur in quer gestreifter Muskulatur festsetzen und einkapseln. Typische Symptome sind zu Beginn allgemeine Schwäche, Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall, nach ein bis drei Wochen kommen rheumaähnliche Schmerzen, Fieber und Schwellungen im Augenbereich dazu. Diese Symptome halten meist bis zu einem Jahr an und verschwinden danach ohne bleibende Folgen. Wenn jedoch der Herzmuskel befallen wird, kann diese Wurminfektion sogar tödlich enden.

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