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Cyber-Mobbing: Am digitalen Pranger

Nacktbilder, Gerüchte, Lügen und peinliche Videos: Wenn Schüler im Internet anderen Kindern und Jugendlichen das Leben zur Hölle machen, dann sprechen Experten von Cyber-Mobbing oder Cyber-Bulling.
von wissen.de-Autorin Julia Räsch

Was ist Cyber-Mobbing?

Soziale Netze haben auch ihre Schattenseiten
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Früher haben Schüler ihre Gerüchte und Lästereien auf dem Schulhof verbreitet. Doch heute werden Facebook-Pinnwände oder SMS genutzt, um Feindschaften auszutragen. Das ist ein gravierender Unterschied. „Auf dem Schulhof kriegen nur die Umstehenden die Beleidigungen mit - und vielleicht noch ein paar andere Kinder vom Hörensagen“, sagt die Psychologin und Cyber-Mobbing-Expertin Dr. Stephanie Pieschl von der Universität Münster. Bei Cyber-Mobbing kann man Menschen vor Hunderttausenden Fremden demütigen.

Zu Cyber-Mobbing zählt Pieschl alle Formen von Schikane, Betrug, Vertrauensbruch oder Ausgrenzung, die über Internet oder Handy gestreut werden. „Im Internet verbreiten sich Gerüchte und peinliche Bilder rasend schnell unter einem großen Publikum. Alle können sich das immer wieder ansehen, Kommentare dazu schreiben und den Link an andere weiterschicken.“ Außerdem sei es schwer, die Schmähungen und Bilder wieder zu entfernen. Auch Jahre später lassen sie sich im Netz finden.

Dennoch ist nicht jede Beleidigung oder unfaire Online-Attacke als Cyber-Mobbing zu betrachten. Für die Münsteraner Psychologin ist die Opfer-Perspektive wichtig: „Erst wenn sich ein Mensch durch Gemeinheiten im Internet belastet oder gestört fühlt, ist das Cyber-Mobbing.“ Am häufigsten kommt Cyber-Mobbing bei Jugendlichen zwischen 12 und 16 Jahren vor.

 

Wie wird im Internet gemobbt?

Es gibt verschiedene Arten des Cyber-Mobbings: Opfer können beleidigt, beschimpft oder bloßgestellt werden. Den Schülern wird Gewalt angedroht oder es werden fiese Gerüchte verbreitet. „Da kann es schon Sachen geben wie 'Der Jürgen ist schwul' oder 'Die Marie war schwanger und hat abgetrieben'“, sagt Pieschl. Auch wenn jemand aus seiner Gruppe im sozialen Netzwerk ausgeschlossen wird oder bei einem Computer-Rollenspiel nicht mehr zu seiner Gilde gehören darf,  kann das als Mobbing angesehen werden. Androhungen von körperlicher Gewalt zählen ebenfalls. Besonders hart trifft es die Schüler, wenn Klassenkameraden peinliche Privatfotos und Videos ins Internet stellen, haben Forscher der Universität Bielefeld in einer aktuellen Studie herausgefunden. Auch Identitätsdiebstahl gehört zu den Cyber-Mobbing-Varianten. Jemand gibt sich als das Opfer aus und schiebt ihm Aussagen und Taten in die Schuhe.

 

Wissen die Täter, was sie anrichten?

Oft ist den Mobbern nicht bewusst, wieviel Leid sie anrichten. „Der potenzielle Täter kann es lustig gemeint haben, aber er sieht nicht, wenn der Betroffene am anderen Ende weint“, sagt Pieschl. „Aus unserer Arbeit mit Schülern wissen wir, dass es für sie häufig viel einfacher sei, etwas gemeines über jemanden zu schreiben, als es ihm ins Gesicht zu sagen.“ Viele junge Menschen missbrauchten das Internet als Rachewerkzeug.

 

Wieviele sind betroffen?

Hilflos:
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Es gibt nur Schätzungen zur Zahl der Mobbing-Opfer. Wissenschaftler gehen davon aus, dass bis zu ein Drittel der Kids betroffen sein könnte. „Je nach Fragestellung in den Studien liegen die Ergebnisse für Deutschland circa zwischen drei und 37 Prozent“, sagt Pieschl. „In unseren Studien fragen wir konkret: Wie oft ist es vorgekommen, dass du im Internet beleidigt oder aus Gruppen ausgeschlossen wurdest? Die Meisten haben schon Negatives erlebt.“ Viele haben später selbst gemobbt. „Es gibt eine große Zahl von Jugendlichen, die sowohl Täter als auch Opfer von Cyber-Mobbing sind.“

 

Was sind die Folgen?

„Die Folgen von Cyber-Mobbing hängen stark vom Opfer und seinem sozialen Umfeld ab“, weiß Pieschl. „Einige, dass es ihr nichts ausmacht. Viele geben aber an, dass die Angriffe im Internet sie traurig oder wütend gemacht haben, einige berichten von Kopf- oder Bauschmerzen. Auch depressive oder suizidale Gedanken kommen bei Opfern von Cyber-Mobbing häufiger vor als bei anderen Jugendlichen.“ Schlechtere Noten könnten ebenfalls die Folge sein. „Insgesamt hängen die Auswirkungen auch damit zusammen, wie intensiv und wie lange ein Kind im Internet beleidigt wird.“

 

Wer kann helfen?

„Cyber-Mobbing findet außerhalb der Schule statt, deshalb fühlen sich nicht alle Schulen zuständig für das Thema“, erläutert die Psychologin. „Dennoch rückt Cyber-Mobbing immer stärker in Bewusstsein von Lehrern. Viele Schulen haben Regeln gegen Cyber-Mobbing aufgestellt und bieten Präventionen an.“ Doch nicht nur die Schulen, auch Eltern seien in der Pflicht. „Das Internet ist für Kinder meist ein Eltern freier Raum. Viele Erwachsene kennen sich in sozialen Netzwerken kaum aus. Kinder werden da teilweise alleine gelassen.“ Auch Betreiber von sozialen Netzwerken wie Facebook oder Schüler VZ seien gefordert. Einige haben bereits Möglichkeiten zur Beschwerde geschaffen.

 

Wie sollten Opfer reagieren?

Betroffene sollten jemandem von dem Mobbing erzählen, rät die Expertin. „Sie sollten sich emotionale Unterstützung suchen. Sie sollten auch nicht alles löschen, sondern E-Mails ausdrucken, Screenshots von den Gemeinheiten machen und wenn möglich sofort melden, damit der Betreiber die Sachen schnell löschen kann.“ Schüler sollten sich aber auch an Erwachsene wenden. „Eltern, Lehrer oder schulpsychologische Beratungsstellen wissen meist, was man tun kann oder können geeignete Hilfe organisieren. Es gibt zwar kein Gesetz gegen Cyber-Mobbing, aber viele bestehende Rechte können angewendet werden.“ Zum Beispiel griffen das Anti-Stalking-Gesetz oder das Recht am eigenen Bild, schildert die Psychologin. Auf dieser Grundlage könne man Anzeige erstatten. Auch im Internet finden sich einige Portale, die informieren und den Betroffenen helfen:

 

www.klicksafe.de
www.saferinternet.at
www.jugendschutz.net
www.mobbing-schluss-damit.de
www.time4teen.de

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