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“GoalControl“ - Die Tore voll im Blick
GoalControl, ein deutsches Unternehmen aus dem nordrheinwestfälischen Würselen, hat von der FIFA den Zuschlag bekommen und die WM-Stadien in Brasilien mit je 14 Kameras, zwei hochleistungsfähigen Rechnertürmen und einer ganzen Menge Glasfaserkabel ausgerüstet. Und so funktioniert die Technologie: Sieben Kameras haben jeweils ein Tor genau im Blick. Sie erfassen den gesamten Strafraum. Bis zu 500 Bildszenen pro Sekunde kann jede Kamera dabei aufnehmen. Über Glasfaserkabel gelangen die Daten zu zwei Hochleistungsrechnern in dem Serverraum. Die sogenannte Auswerteeinheit aber ist das eigentliche Kernstück von GoalControl. Sie ist in der Lage, den Ball in jedem einzelnen Bild zu identifizieren. Spezielle Detektionsfilter machen das möglich.
4D-Animation zeigt es allen
Im Zweifel reicht dann ein Blick des Schiedsrichters auf sein Armband: In weniger als einer Sekunde zeigt dieses klar an, ob der Ball in vollem Umfang über der Linie war oder eben nicht. Doch reicht das für die Fans und Zuschauer? Ein Armband, auf dem “Goal“ steht, das ist noch kein Beweis. Deshalb liefert die Technologie zusätzlich eine 4D-Animation als Replay. Die strittige Szene wird gezeigt. Plötzlich verschwinden die Spielerfiguren aus den Bildszenen, damit wir freien Blick auf das Entscheidende haben: den Ball. Der Perspektivwechsel zeigt es dann eindeutig: Tor oder nicht Tor.
Erfolgreiche Premiere
Bei dem Spiel Frankreich gegen Honduras hat die Technik nun auch ihre erste Entscheidung treffen müssen: “No Goal“ für Frankreich hieß es. Nein, Moment, der Schriftzug auf der Anzeigetafel erlischt und es erscheint ein anderer: “Goal“. So sorgte die Technik bei ihrem ersten entscheidenden Einsatz zunächst für Verwirrung. Die eingespielten 4D-Animationen der Torraumsituation lösten auf: Der Schuss von Frankreichs Benzema prallte gegen den Innenpfosten und landete dann bei Honduras' Schlussmann Valladares. Hier traf GoalControl seine erste Entscheidung: kein Tor. Der Torwart bekam das Leder aber nicht zu fassen und erst wenige Zentimeter hinter der Torlinie fischte er den Ball wieder aus dem Kasten. Die zweite korrekte Entscheidung der Technik: Tor. Nicht erzielt von Benzema, sondern ein Eigentor von Valladares. GoalControl hat seine Premiere bestanden.
Wenn sich im Fußball alle einig sind
Diskussionen über den Treffer sind jetzt ausgeschlossen. “Aber genau diese Diskussionen gehören doch zum Fußball dazu“, argumentieren die Gegner der Torlinientechnik. “Diskussionen und skurrile Anekdoten.“ Denken wir nur an Kießlings “Treffer“ gegen Hoffenheim in der vergangenen Bundesliga-Saison: Am Tor vorbei ging sein Schuss. Durch ein Loch im Netz fand der Ball dann doch noch seinen Weg in den Kasten. Der Schiedsrichter gab den Treffer, der als “Phantomtor“ wohl als eins der kuriosesten Tore in die Bundesliga-Geschichte eingehen und in so mancher Fan-Runde wieder und wieder zum Besten gegeben wird.
Trotz Torlinientechnologie: Genügend Raum für Diskussionen bleibt. Die Spieltaktik, die Aufstellung, durchgeführte oder eben nicht durchgeführte Spielerwechsel... All das liefert weiterhin reichlich Potenzial für abendfüllende Fußball-Debatten. Und wie sieht es in der Bundesliga mit der Torlinientechnik aus? Beantragt war der Einsatz des technischen Hilfsmittels in der Bundesliga ja schon, aber im März 2014 haben neun Vereine mit “Nein“ gestimmt. So werden auch zukünftig bei kniffligen Situationen fragende Blicke auf dem Schiedsrichter ruhen: Tor oder kein Tor?