Lexikon

Lateinamerika

Iberoamerika

Eigenständigkeit

Mangelnde innere Stabilität, die sich in zahlreichen Staatsstreichen und ständigen Verfassungsänderungen äußerte, kennzeichnete die Geschichte der neuen Staaten im 19. Jahrhundert. Ausländische Kredite und Investitionen (England, USA, Frankreich) führten zwar in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer einseitig auf Rohstoffproduktion und -export basierenden wirtschaftlichen Blüte, doch gleichzeitig zu hoher Verschuldung und zu politischer Abhängigkeit. Die Politik des „Dollarimperialismus“ verschaffte den USA um die Jahrhundertwende die politische und wirtschaftliche Kontrolle über Lateinamerika, die mit dem von F. D. Roosevelt eingeleiteten Versuch einer Politik der „guten Nachbarschaft“ teilweise eingeschränkt wurde.
Die seit der kubanischen Revolution F. Castros (1959) vorhandene Möglichkeit kommunistischen Vordringens in Lateinamerika führte in den 1960er Jahren zu verstärkter politischer und wirtschaftlicher Zusammenarbeit der amerikanischen Staaten in überstaatlichen Organisationen (OAS) und zur Intervention der USA, um der Revolutionierung entgegenzuwirken. Neben der OAS entstanden Organisationen, die z. T. eine größere Unabhängigkeit vom US-amerikanischen Einfluss erstrebten (Andenpakt, Zentralamerikanischer Gemeinsamer Markt, Karibische Freihandelszone). Im Kampf gegen das durch die Bevölkerungsexplosion verschärfte soziale Elend und gegen die überalterten Wirtschafts- und Sozialstrukturen versuchten in den 1960er Jahren nationalistische Militärregime mit sozialistischen Mitteln einen dritten Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus zu gehen (Peru, Bolivien). Nur Chile hatte 19701973 eine frei gewählte sozialistische Regierung (S. Allende). In Nicaragua kam 1979 die sandinistische Bewegung an die Macht, die sich eng an Kuba und den Ostblock anlehnte.
Allende, Salvador
Salvador Allende
In den späten 1970er und den 1980er Jahren kehrten zahlreiche Staaten Lateinamerikas, darunter Argentinien und Brasilien, nach langjähriger Militärherrschaft zur Demokratie zurück. Die kommunistische Diktatur auf Kuba konnte die Auflösung des Ostblocks allerdings überdauern. Die Redemokratisierung in den übrigen Ländern erweckte zunächst große Hoffnungen hinsichtlich der zukünftigen Perspektiven des Subkontinents. Regionale Abkommen (NAFTA-Abkommen), Pläne für eine südamerikanische Freihandelszone u. Ä. sollten dem Demokratisierungsprozess ein wirtschaftliches Fundament geben. Die Entwicklung blieb jedoch hinter den Erwartungen zurück. Ungelöste soziale Probleme, mangelnde politische Partizipation vor allem der indigenen Bevölkerung, Korruption sowie das Weiterbestehen autokratischer Strukturen führten vor dem Hintergrund der Globalisierung immer wieder zu politischen und wirtschaftlichen Krisensituationen. So musste z. B. Argentinien 2001/02 eine schwere Finanzkrise bewältigen. Die Brüchigkeit demokratischer Strukturen zeigte sich an den Entwicklungen z. B. in Haiti, Kolumbien, Peru und Venezuela. Die Enttäuschung über die Auswirkungen neoliberaler Reformen und die soziale Ungleichheit begünstigten in vielen lateinamerikanischen Ländern die Wahlerfolge linker oder linkspopulistischer Parteien und Politiker. In Mexiko kam es nach der Niederlage des Linkskandidaten bei den Präsidentschaftswahlen 2006 zum innenpolitischen Konflikt.
Das Verhältnis zwischen den USA und dem Subkontinent blieb in den letzten Jahrzehnten insgesamt unbefriedigend. Obwohl US-Präsident R. M. Nixon 1969 eine partnerschaftliche Lateinamerikapolitik verkündete, blieben die Beziehungen nicht frei von Reibungen. Ab 1977 traten wegen der Menschenrechtspolitik des Präsidenten J. Carter Spannungen (vor allem mit konservativen Militärdiktaturen) auf. Präsident R. Reagan unterstützte demgegenüber offen die diktatorischen Regime Lateinamerikas und die Gegner der sandinistischen Regierung in Nicaragua. Reagans Nachfolger G. Bush ließ 1989 US-amerikanische Truppen in Panama intervenieren. Präsident B. Clinton erzwang 1994 die Wiedereinsetzung des demokratisch gewählten haitianischen Präsidenten Aristide. Zum politischen Hauptgegner der USA in Lateinamerika avancierte zu Beginn des 21. Jahrhunderts neben dem kubanischen Castro-Regime der venezolanische Präsident H. Chávez, der im Bündnis mit Bolivien und Kuba versuchte, sich als Vorkämpfer gegen die Auswirkungen des Neoliberalismus zu profilieren.
  1. Einleitung
  2. Natur
  3. Wirtschaft
  4. Geschichte
  5. Eroberung und Kolonisation
  6. Unabhängigkeitskämpfe
  7. Eigenständigkeit
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