Lexikon
Selbstverwaltung
das vom Staat anerkannte Recht der Angehörigen einer Gebietskörperschaft sowie von Personal- oder Realkörperschaften auf eigenverantwortliche Wahrnehmung allgemein oder durch Gesetz genau abgegrenzter Verwaltungstätigkeit einschließlich Rechtsetzung (Autonomie).
Hauptfälle: 1. Selbstverwaltung von Gebietskörperschaften, insbesondere die kommunale Selbstverwaltung. Sie wurde in Preußen durch die Städteordnung von 1808 eingeführt, das Werk des Freiherrn vom Stein. Es kam im 19. Jahrhundert zur allgemeinen Anerkennung des Grundsatzes der gemeindlichen Selbstverwaltung, vornehmlich in den beiden Formen der Bürgermeister- und der Magistratsverfassung. Das GG enthält in Art. 28 Abs. 2 die Garantie der Selbstverwaltung (sog. institutionelle Garantie). In Preußen und später allgemein in Deutschland hat sich der Gedanke der Selbstverwaltung auch auf der Ebene der Landkreise durchgesetzt (Landrat als Vorsitzender des Kreisausschusses, Kreistag als parlamentarisches Gremium, nach 1945 sog. Kommunalisierung des Kreises). Die Selbstverwaltung wurde auf der dritten Stufe in den Provinzen eingeführt.
Alle Gebietskörperschaften mit Selbstverwaltung unterliegen der Staatsaufsicht, die sich jedoch auf die Rechtsaufsicht beschränkt. Außerdem können Selbstverwaltungsträger mit der Durchführung staatlicher Aufgaben betraut werden (Auftragsangelegenheiten, z. B. Durchführung von Landtags- und Bundestagswahlen).
2. wirtschaftlich-berufsständische Selbstverwaltung: Aus dem mittelalterlichen Zunft- und Innungsrecht hat sich eine Selbstverwaltung in Gestalt der Übertragung staatlicher Funktionen z. B. auf die Industrie- und Handelskammern, Handwerks- und Landwirtschaftskammern ergeben (mit teilweise umstrittener Zwangsmitgliedschaft). Andere Formen dieser Selbstverwaltung sind z. B. Molkereigenossenschaften, Deich- und Wasserverbände. Rein berufsständischen Charakter haben die Rechtsanwalts-, Notar-, Ärzte- u. Ä. Kammern mit einer Art Standesgerichtsbarkeit.
3. die kulturelle Selbstverwaltung trägt meist körperschaftlichen Charakter (früher oft als „Anstalten“ behandelt): z. B. Universitäten u. a. Hochschulen mit eigenen Verfassungen und unterschiedlicher Verwaltungsautonomie.
4. bedeutsam im modernen Sozialstaat ist die soziale Selbstverwaltung mit eigenen Trägern der Sozialversicherung und genossenschaftlicher Autonomie (wenn auch unter Staatsaufsicht).
Die österreichischen Ortsgemeinden haben ebenfalls grundsätzlich das Recht auf Selbstverwaltung (Art. 116 BVerfG). – Auch in der Schweiz haben die Gemeinden ein großes Maß an Selbständigkeit.
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