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Mobbing: Online und offline ein Problem
Eine junge Frau postet auf Instagram ein Bild, auf dem sie vor einem bunten Hintergrund in einem Kleid posiert. Zehntausende Follower begleiten die Österreicherin, die sich selbst als „plus-size girly“ bezeichnet, in ihrem Alltag. Ein Blick in die Kommentare: „Der Schokoschamane mit Blutgruppe Coca-Cola ist wieder zurück“, „I swear, wäre sie schwanger, würden wir es gar nicht merken“, „Orangen auf dem Kleid? Schmecken ihr sicher nicht, haben zu wenig Kalorien“.
Im Schatten der Anonymität
Solche Beleidigungen sind in den sozialen Medien keine Seltenheit. Denn das Internet stellt einen besonders guten Nährboden für Mobbing dar: Täter trauen sich durch die dort gegebene Anonymität oft mehr und können – dank der ständigen Erreichbarkeit – rund um die Uhr in das Leben ihrer Opfer eingreifen. Ein Rückzug vor den Mobbing-Attacken wird für die Betroffenen dadurch schwierig. Zudem können die Täter die Reaktionen ihrer Opfer nicht sehen, wodurch ihnen das Ausmaß ihrer Taten oft nicht bewusst wird.
Bei Jugendlichen ist in 52 Prozent der Fälle WhatsApp Schauplatz der Angriffe, wie eine Umfrage im Auftrag der Krankenkasse Barmer ergab. Auf den Plätzen zwei und drei folgen TikTok und Instagram.
Womöglich eine hohe Dunkelziffer
Mobbing betrifft vor allem jüngere Menschen bis 25 Jahre. Das hält eine Studie des Bündnisses gegen Cybermobbing fest. Ein Grund, warum Kinder und Jugendliche andere Gleichaltrige schikanieren, ist oft ihr mangelndes Bewusstsein für die Konsequenzen ihrer Handlungen.
61 Prozent der Jugendlichen in der Umfrage der Barmer berichten, Erfahrungen mit Cybermobbing gemacht zu haben. „Die Dunkelziffer der Betroffenen ist möglicherweise noch deutlich höher: Cybermobbing ist noch immer mit einem Schamgefühl belastet“, sagt Lukas Pohland vom Verein Cybermobbing-Hilfe e. V. im Interview mit der Barmer Krankenkasse.
Mobbing findet überwiegend offline statt
Trotz des Ausmaßes von Cybermobbing in sozialen Medien findet Mobbing auch weiterhin abseits des Internets statt. 36 Prozent der Befragten einer Studie des Bayerischen Forschungsinstituts für Digitale Transformation geben an, schon mal in der realen Welt beleidigt worden zu sein. Im Gegensatz dazu haben 21 Prozent in sozialen Medien Erfahrung mit Beleidigungen gemacht.
Besonders häufig trifft es Politiker: 84 Prozent von ihnen gaben an, offline beleidigt worden zu sein. Am zweithäufigsten trifft es aktivistisch Tätige und Influencer, dicht gefolgt von Journalisten.
Warum melden viele die Angriffe nicht?
Dabei ist das Internet kein rechtsfreier Raum: Auch im Netz gelten Gesetze zu Beleidigung, Verleumdung und Co. Jedoch nur etwa die Hälfte der Betroffenen meldet die Angriffe auf der entsprechenden Plattform oder bei einer staatlichen Stelle, wie das Bayerische Forschungsinstitut für Digitale Transformation herausfand.
Das im Jahr 2022 in Kraft getretene Gesetz über digitale Dienste soll dabei helfen, illegale Inhalte im Internet schneller zu entfernen. Zudem sind große Online-Plattformen dazu verpflichtet, eine leicht zugängliche Kontaktstelle für Nutzer bereitzustellen.
Aber warum melden so wenige Betroffene die Angriffe? Die meisten Betroffenen in der Studie des Bayerischen Forschungsinstituts für Digitale Transformation geben an, schlichtweg kein Interesse daran zu haben, die Angriffe zu melden. Zusätzlich befürchten sie, dass die Anonymität der Täter die Erfolgsaussichten verringert.
Auch in die Plattformen selbst haben die Betroffenen nur wenig Vertrauen: Sie glauben, dass Meldungen über Cybermobbing nicht angemessen bearbeitet werden. Gleiches gilt für staatliche Einrichtungen, bei denen mehr als 60 Prozent der Befragten keine Unterstützung erwarten.