Lexikon

Grass

Grass, Günter
Günter Grass
Günter, deutscher Schriftsteller, Grafiker und Bildhauer, * 16. 10. 1927 Danzig; studierte 19481952 Grafik und Bildhauerei an der Kunstakademie Düsseldorf; danach bis 1956 Schüler K. Hartungs an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin; trat 1956 erstmals als Schriftsteller hervor und gehörte zur „Gruppe 47“; mit seinem politischen Engagement, das sich in zahlreichen Essays und öffentlichen Stellungnahmen zu demokratischen Grundforderungen und politischer Moral zeigt, gehört Grass seit den 1960er Jahren zu den führenden Intellektuellen Deutschlands.
Seine literarische Produktion begann mit teils realistischer, teils abstrakt verschlüsselter Lyrik und Prosa, grotesken Dramen und Ballett-Libretti; schlagartig bekannt wurde er durch seinen fabulierfreudigen Entwicklungsroman „Die Blechtrommel“ 1959 (verfilmt von V. Schlöndorff 1979), der in der Tradition der Schelmenromane steht und mit der Novelle „Katz und Maus“ 1961 und dem in seiner Jargonvielfalt provozierenden Roman „Hundejahre“ 1963 die „Danziger Trilogie“ bildet. In dem halbdokumentarischen Stück „Die Plebejer proben den Aufstand“ 1966 setzt sich Grass mit Brechts Verhalten während der Unruhen am 17. 6. 1953 in Ostberlin auseinander. In „Der Butt“ 1977 wächst aus dem „Märchen vom Fischer und siner Fru“ eine von der Steinzeit bis in die 1970er Jahre reichende Geschichte der zwischengeschlechtlichen Beziehungen mit umgekehrten Rollen. Die Erzählung „Das Treffen in Telgte“ 1979 beschreibt ein fiktives Dichtertreffen kurz vor Ende des Dreißigjährigen Krieges und ist gleichzeitig eine Parabel auf den Literaturbetrieb der Gegenwart. In „Die Rättin“ 1986, den indischen Tagebuchaufzeichnungen „Zunge zeigen“ 1988 und der autobiografischen Skizze „Totes Holz“ 1990 beschwört er drei fortschreitende Gefahren, die zum Untergang der Erde führen: die atomare Rüstung, die Armut in der Dritten Welt und die Zerstörung der Natur. 1995 veröffentlichte Grass den Roman „Ein weites Feld“, der in Berlin zwischen Mauerbau und Wiedervereinigung spielt und die deutsche Geschichte seit 1848 kritisch aufarbeitet. 2006 gestand Grass seine Mitgliedschaft bei der Waffen-SS während der letzten Kriegswochen ein, was zu heftigen öffentlichen Diskussionen führte. Seine Werke „Beim Häuten der Zwiebel“ 2006, „Die Box“ 2008 und „Grimms Wörter. Eine Liebeserklärung“ 2010 bilden einen autobiografischen Zyklus. Weitere Werke: „Unkenrufe“ 1992; „Mein Jahrhundert“ 1999; „Im Krebsgang“ 2002; „Letzte Tänze“ 2003. 1965 Auszeichnung mit dem Georg-Büchner-Preis, 1999 mit dem Literaturnobelpreis.
  • Erscheinungsjahr: 1959
  • Veröffentlicht: Bundesrepublik Deutschland und DDR
  • Verfasser: Grass, Günter
  • Deutscher Titel: Die Blechtrommel
  • Genre: Roman
In der beim Verlag Luchterhand in Neuwied erschienenen »Blechtrommel«, dem ersten Teil seiner »Danziger Trilogie«, führt Günter Grass (* 1927) in einer dem Schelmenroman angenäherten Form den Entwicklungsroman ad absurdum. Oskar Matzerath, Insasse einer Heil- und Pflegeanstalt, trommelt sich auf einer blechernen Kindertrommel seinen Lebensweg ins Gedächtnis. Seinen Protest gegen die Welt der Erwachsenen hat er sichtbar gemacht, indem er als Dreijähriger sein Wachstum einstellte. Oskar erfasst die Spießbürgerlichkeit seiner Umwelt und lehnt sie als sinnlos ab, ist jedoch selbst das ins Absurd-Groteske gesteigerte Abbild eines Kleinbürgers. Als er aus der Anstalt entlassen werden kann, weiß er mit der Freiheit nichts anzufangen. Die »Danziger Trilogie« wird fortgesetzt mit der Novelle »Katz und Maus« (1961) und dem Roman »Hundejahre« (1963).
  • Erscheinungsjahr: 1961
  • Veröffentlicht: Bundesrepublik Deutschland und DDR
  • Verfasser: Grass, Günter
  • Deutscher Titel: Katz und Maus
  • Genre: Novelle
Mit der bei Luchterhand in Neuwied erscheinenden Novelle »Katz und Maus« liegt nach »Die Blechtrommel« (1959) der zweite Teil der »Danziger Trilogie« des aus Danzig gebürtigen, in Berlin (West) lebenden Günter Grass (* 1927) vor, einem der bedeutendsten Autoren der zweiten deutschen Nachkriegsgeneration. »Katz und Maus« behandelt die Nazi- und Kriegszeit in Danzig, der Titel steht programmatisch für eine Wirklichkeit, in der Verfolgung und Feindschaft die Regel sind. Während in der »Blechtrommel« die zentrale Gestalt Oskar »einsam und unverstanden« resigniert, nimmt Mahlke, der Held von »Katz und Maus«, den Kampf mit der Umwelt auf. Der durch einen übergroßen Adamsapfel verunstaltete Mahlke kämpft um drei Dinge: Durch Leistung will er sich die Anerkennung seiner Mitschüler erwerben; durch verschiedene Gegenstände will er seinen an eine Maus erinnernden »fatalen Knorpel« verbergen; der Marienkult, dem er huldigt, ist Ausdruck seines metaphysischen Kampfes um Erlösung. Er scheint den Kampf gewonnen zu haben, als er durch Diebstahl in den Besitz eines Ritterkreuzes gelangt, das seinen Adamsapfel vollkommen verdeckt und ihm eine kurze Zeit des Glücks und der Identifikation mit sich selbst verschafft. Er wird nach dem Diebstahl von der Schule ausgeschlossen, erwirbt sich das Ritterkreuz während des Krieges durch seine Tapferkeit neu, doch beim Versuch, sich im Glanz seiner rechtmäßig erworbenen Orden vor den Mitschülern zu rehabilitieren, scheitert er. Er desertiert.
  • Erscheinungsjahr: 1963
  • Veröffentlicht: Bundesrepublik Deutschland und DDR
  • Verfasser: Grass, Günter
  • Deutscher Titel: Hundejahre
  • Genre: Roman
Mit dem beim Verlag Luchterhand in Neuwied erschienenen Roman »Hundejahre« liegt nach »Die Blechtrommel« (1959) und »Katz und Maus« (1961) die »Danziger Trilogie« des aus Danzig gebürtigen, in Berlin (West) lebenden Schriftstellers Günter Grass (* 1927) komplett vor. In dieser Trilogie beschwören Icherzähler aus der Perspektive der 50er und 60er Jahre die Danziger Kleinbürgerwelt der Zeit vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Roman »Katz und Maus« beschäftigte sich nur mit der Nazi- und Kriegszeit, »Hundejahre« und »Die Blechtrommel« behandeln dagegen die Vorkriegs- und die Kriegszeit sowie die Nachkriegszeit. Während in der »Blechtrommel« die zentrale Gestalt Oskar »einsam und unverstanden« resigniert, nimmt Mahlke, der Held von »Katz und Maus«, den Kampf mit der Umwelt auf. In »Hundejahre« fehlt diese vergleichbare Hauptperson. Erzählt wird aus wechselnden Perspektiven. Zentrale Gestalten sind der Halbjude Eduard Amsel und sein Blutsfreund Walter Matern (zuerst Kommunist, dann SA-Mitglied) sowie Amsels Freundin Jenny, eine Balletttänzerin. Die Funktion eines Leitmotivs hat der Hund Pluto, der Hitler geschenkt wird, bei Kriegsende aber wie Matern dem Führer untreu wird und als Begleiter Materns weiterlebt.
  • Erscheinungsjahr: 1977
  • Veröffentlicht: Bundesrepublik Deutschland und DDR
  • Verfasser: Grass, Günter
  • Deutscher Titel: Der Butt
  • Genre: Roman
Beim Verlag Luchterhand in Neuwied erscheint der Roman »Der Butt« von Günter Grass (* 1927). Ein Icherzähler erinnert 1973/74 während der Schwangerschaft seiner Frau Ilsebill in neun Monats-Kapiteln an Episoden aus der Geschichte der europäischen Zivilisation, exemplarisch auf den Danziger Raum beschränkt, aber sich zeitlich von der Eiszeit bis zur Arbeiterrevolte von Gdansk im Jahr 1970 erstreckend. Das historische Geschehen wird als Männer- und Siegergeschichte voller Gewalt, Krieg und Leiden dargestellt. Gleichzeitig wird die Vergangenheit neu entdeckt als Geschichte der Besiegten, als Alltags- und Frauengeschichte.
  • Erscheinungsjahr: 1995
  • Veröffentlicht: Deutschland
  • Verfasser: Grass, Günter
  • Deutscher Titel: Ein weites Feld
  • Genre: Roman
Günter Grass' dickleibiger Roman »Ein weites Feld« ist eine literarische Auseinandersetzung mit der deutschen Vereinigung, verbunden mit einem Nachdenken über das Werk des Schriftstellers Theodor Fontane, auf dessen Roman »Effi Briest« der Titel des Grass-Buchs zurückgeht. Nahe gelegt wird dabei eine Parallelität der Konstellationen bei der Reichsgründung 1870/71, wie Fontane (1819-1898) sie erlebte, und beim Zusammenschluss von BRD und DDR 1989. Hauptfigur ist Theodor Wuttke alias Fonty, ein freier Mitarbeiter der Treuhandanstalt, der sich als Wiedergänger des Berliner Schriftstellers versteht. Berichtet wird über ihn und seinen »Tagundnachtschatten«, den »ewigen Spitzel« Hoftaller, über Wuttkes Familie, die bis in die feinsten Verästelungen der Fontanes nachempfunden ist, über die Literaturszene am Prenzlauer Berg, den ersten Treuhandchef Detlev Rohwedder und über die Machenschaften und Täuschungsmanöver westdeutscher »Raffkes« in Ostdeutschland. Kritiker bemängeln an dem Roman die hölzerne Sprache und fehlende Konkretion: Der Autor habe in seinem Drang, seine politischen Ansichten an den Leser zu bringen, seine eigene Kreativität erstickt.
  • Erscheinungsjahr: 1992
  • Veröffentlicht: Deutschland
  • Verfasser: Grass, Günter
  • Deutscher Titel: Unkenrufe
  • Genre: Erzählung
Im Danzig/Gdansk der Gegenwart spielt Günter Grass' Erzählung »Unkenrufe«. Ein westdeutscher Kunsthistoriker und eine polnische Restauratorin, beide um die 60, lernen sich auf dem Marktplatz der Stadt kennen, verlieben sich ineinander und entwickeln gemeinsam ein deutsch-polnisches Versöhnungsprojekt: Aus der Heimatstadt vertriebenen Deutschen soll die Bestattung auf einem Friedhof in Danzig gestattet werden. Doch auch diese Schmalspur-Versöhnung scheitert an kleinlichen Interessenkonflikten, an unüberwindbaren Gegensätzen. Nur wenige Kritiker, darunter der polnische Schriftsteller Andrzej Szczypiorski, bescheinigen Grass' Buch satirische Schärfe und visionäre Kraft, es überwiegen die Verrisse von Rezensenten, denen die Handlung an den Haaren herbeigezogen, die Personen klischiert und das Buch selbst pedantisch erscheint.
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