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An Bord eines Forschungseisbrechers

Endlose Weiten, auf dem Wasser treibende Eisschollen und hin und wieder springt ein Eisbär durchs Bild. Vergangenes Jahr war für zwei Düsseldorfer Biologen genau das der tägliche Blick aus dem Fenster. An Bord des legendären Forschungseisbrechers „Polarstern“ waren sie zu einer Expedition ins Nordpolarmeer aufgebrochen. Doch wie lebt es sich an Bord? Wie sahen die Aufgaben der Biologen aus? Und was, wenn ein Eisbär ihnen bei Außenarbeiten doch mal zu nahe kam?
AMA, 21.08.2023

Das Nordpolarmeer, auch Arktischer Ozean genannt, ist ein Ort der Extreme. Klirrend kalte Temperaturen, gefährliche Raubtiere und mehrere Monate Finsternis pro Jahr machen es Forschenden hier oben nicht gerade leicht, an Daten zu kommen. Doch die sind enorm wichtig, denn die Arktis erwärmt sich stärker als jede andere Region der Welt und muss daher genau überwacht werden.

Wetlab an Bord der
Mix aus Werkstatt und Labor an Bord der "Polarstern"

© Hannes Grobe, Alfred Wegener Institute / GFDL und CC BY 2.5

Ein Forschungsschiff der Superlative

Im Juli 2022 haben sich zwei Düsseldorfer Wissenschaftler den Herausforderungen dieses unwirtlichen Lebensraums gestellt und sind für zwei Monate an Bord der „Polarstern“ mitgefahren, dem ikonischen Forschungseisbrecher des Alfred-Wegener-Instituts. Ellen Oldenburg und Ovidiu Popa arbeiten am Institut für Quantitative und Theoretische Biologie der Heinrich-Heine-Universität (HHU) und wollten im Wasser und Eis des Nordpolarmeeres arktische Mikroorganismen untersuchen.

Damit waren sie an Bord der Polarstern in guter Gesellschaft, denn neben 44 Crewmitgliedern finden dort auch 55 Wissenschaftler und Techniker unterschiedlichster Fachrichtungen Platz. Das Schiff ist mit neun wissenschaftlichen Laboren ausgestattet, in denen internationale Forschende unter anderem an biologischen, geologischen, chemischen, ozeanografischen und meteorologischen Fragestellungen arbeiten können.

Und das schon seit mehreren Jahrzehnten, denn die 118 Meter lange Polarstern ist bereits seit 1982 im Dienst. Den Großteil des Jahres befährt sie die Weltmeere – sowohl für eigene Forschungsexpeditionen als auch zur Versorgung der deutschen Arktis- und Antarktisstationen.

Nächtliche Arbeit auf dem Eis.
Nächtliche Arbeit auf dem Eis.

© Stefan Hendricks - Alfred Wegener Institute / CC BY-SA 4.0

Eisschollen in der ewigen Mittagssonne

Als Oldenburg und Popa vergangenes Jahr mit der Polarstern ins Nordpolarmeer reisten, herrschte dort gerade Polartag. Die Sonne ging also über Monate hinweg nicht unter. „Es ist den ganzen Tag hell, strahlender Sonnenschein“, berichtet Oldenburg. „Egal ob drei Uhr nachts oder zwölf Uhr mittags: Es sieht immer gleich aus. Man muss sich wirklich selbst daran erinnern, wann man schlafen gehen muss und wann Aufstehenszeit ist. Übermüdet macht man schließlich nur Fehler und wir müssen die Proben ja vernünftig nehmen.“

Wann die nächste Probenentnahme anstand, wussten die beiden Biologen meist erst einen halben bis ganzen Tag im Voraus. Denn so hoch im Norden richtet sich der Schiffsalltag stark nach den Wetterbedingungen, erklärt Oldenburg. Bei gutem Wetter und ruhiger See konnten sie und ihr Kollege auch die nahegelegenen Eisschollen betreten und dort Wasser- und Eisproben nehmen. Das war körperlich allerdings sehr anstrengend: vom Bohren der Löcher im Eis über das Hantieren mit schweren Messgeräten bis hin zum Schleppen des gesammelten Wassers zurück zum Schiff.

Eisbären beim Anknabern von Stromkabeln, während der MOSAiC-Expedition om Oktober 2019.
Nächtlicher Besuch: Zwei Eisbären machen sich an auf dem Eis ausgelegten Stromkabeln zu schaffen.

Eisbär-Alarm!

Doch die Außenarbeiten waren nicht nur anstrengend, sondern auch gefährlich. Vor allem mussten die Forschenden sich dabei vor umherstreifenden Eisbären in Acht nehmen. Die Raubtiere werden nicht nur wegen ihrer schieren Größe zur Gefahr, sondern auch wegen ihres Appetits, denn durch den Klimawandel finden sie immer weniger zu fressen. Da kommt ihnen ein wehrloser Forscher durchaus gelegen. Um Oldenburg, Popa und den Rest der Besatzung vor Eisbären zu schützen, gab es spezielle Wachposten. Wurde ein Bär in der Nähe gesichtet, ertönte das Schiffshorn und alle mussten sofort zurück zum Schiff kehren. Danach wurde versucht, den ungebetenen Gast mit lauten Geräuschen und Leuchtraketen wieder zu verjagen.

Doch die Tierwelt war den Düsseldorfer Biologen nicht immer so feindselig gesonnen. Hin und wieder trafen sie auch mal auf knuffige Robben, die sich vergnügt im Eis wälzten.

Blauer Salon mit Bordbibliothek an Bord der "Polarstern"
Blauer Salon mit Bordbibliothek an Bord der "Polarstern".

© Hannes Grobe, Alfred Wegener Institute / GFDL und CC BY 2.5

Zwischen Labor und Spielbrett

Am ruhigsten verliefen Tage, an denen Oldenburg und Popa im Schiffslabor zugange waren. Unter anderem siebten sie die gesammelten Mikroorganismen in verschiedene Größenklassen und froren die so getrennten Proben dann für den Weitertransport nach Deutschland ein.

Abseits der Arbeit im Labor und auf den Eisschollen genossen die beiden Biologen außerdem das Leben an Bord zusammen mit dem Rest der Besatzung. „Wir hatten natürlich auch Freizeit, in der wir uns mit der Mannschaft unterhalten oder auch mal Spiele spielen konnten. Es gab auch einen Freizeitbereich auf dem Schiff“, erzählt Popa. Er und seine Kollegin sind nun seit rund einem Jahr wieder zurück in Deutschland, würden aber jederzeit wieder zu einer Expedition auf der Polarstern aufbrechen.

 

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