wissen.de Artikel

Nordsee: Spült das Meer die Inseln weg?

Die deutschen Nordseeinseln locken jedes Jahr viele Besucher mit ihren malerischen Dünen und schönen Sandstränden an. Doch das ist keine Selbstverständlichkeit: Für den Erhalt der Strände werden jedes Jahr im wahrsten Sinne des Wortes Sandwelten bewegt. Was nagt da an den Küsten von Wangerooge, Sylt, Baltrum & Co? Und gäbe es ohne Maßnahmen gar keine Inseln mehr in der Nordsee?
JFR, 17.03.2022
Stranderosion

GettyImages, carcar797

Sturmserien, wie "Ylenia", "Zeynep" und "Antonia", die Mitte Februar 2022 über Norddeutschland fegten, richten nicht nur auf dem Land und in den Wäldern erheblichen Schäden an. Auch die Strände an den Küsten und Inseln der Nordsee müssen nach solchen Stürmen herbe Verluste einstecken oder verschwinden sogar komplett. Die Insel Wangerooge verlor bei den Stürmen fast 90 Prozent ihres Badestrandes innerhalb weniger Stunden.

Wangerooge wandert

Stürme spülen zwar auf einen Schlag sehr viel Sand weg, doch auch das ganze Jahr über findet eine stetige Abtragung des Strandes statt, was beispielsweise auf Wangerooge besonders zu spüren ist. Die Insel ist nach Baltrum die zweitkleinste der ostfriesischen Inseln und unter anderem wegen ihres Sandstrands direkt am Ort sehr beliebt. Doch dieser Strand ist ein hartes Stück Arbeit, denn Wangerooge ist aufgrund seiner exponierten Lage den Abtragungen des Sandes durch Sturm und Gezeiten besonders ausgesetzt. "Im Winter ist hier immer so gut wie nichts mehr", erzählt der Strandkorbwächter Benjamin Brandt.

Er und seine Kollegen holen im Frühling jedes Jahr etwa 80.000 Kubikmeter Sand von der Ostseite der Insel. Denn zusätzlich zum Strom der Gezeiten und der Nähe zur Jade-Mündung sorgt vor allem das Seegatt Harle mit seiner starken Strömung für das Wegschwemmen des Sandes und eine allmähliche Wanderung der Insel von West nach Ost. Bevor der Küstenschutz aktiv wurde, verlor die Insel zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert tatsächlich zwei Kilometer Land im Westen und gewann dafür vier Kilometer Länge im Osten. Der 1602 errichtete Ostturm ist daher heute der Westturm der Insel.

Westende der Nordseeinsel Wangerooge mit dem Westturm
Der 1602 errichtete Vorgängerbau des Westturms auf Wangerooge stand einst am östlichen Ende der Insel.

GettyImages, Janina Voskuhl

Sandvorspülung: Kampf gegen die Gezeiten

Doch die Gezeiten fordern auch von allen anderen Nordseeinseln ihren Tribut. Das Wasser zwischen der Inseln und dem Festland fließt bei Ebbe und Flut nämlich durch die schmalen Rinnen zwischen den eng aneinander liegenden Inseln hindurch und verursacht dabei eine sehr starke Strömung. Da sich die Strömung nach Osten bewegt, sind vor allem die Westköpfe der Inseln gefährdet und werden mit massiven Verbauungen intensiv geschützt.

Doch trotz all dieser Maßnahmen nagt das Meer an den Inselstränden und es müssen jedes Jahr wieder Unmengen an Sand zurück an die Westküste der Inseln geholt werden. Bei dieser sogenannten Sandvorspülung holen Saugbaggerschiffe, Sand vom Meeresboden etwa 12 Kilometer vor den Inseln und spülen diesen über eine Rohrleitung wieder an den Strand, wo er von Planierrauben verteilt wird

Wie drastisch die Situation ohne Küstenschutz wäre, erklärt Birgit Matelski vom Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalparks und Meeresschutz (LKN) am Beispiel der Insel Sylt: "Würden wir nichts tun, um die Insel zu schützen, würde sie jährlich ein bis vier Meter zurückgehen. Und dann wäre sie irgendwann nicht mehr da".

Sandvorspülung auf Sylt
Seit 1984 kämpft Sylt mit jährlichen Sandvorspülungen gegen den Inselschwund.

Umstrittene Maßnahme

Die deutschen Nordseeinseln werden aber nicht nur für den Erhalt der Strände und damit des Tourismus so aufwendig geschützt. Sie fungieren auch als Wellenbrecher, der von der Nordsee auf das Festland zurollenden Wellen und schützen somit die Deiche an den Küsten. Dafür werden vom Bund und den Ländern Schleswig-Holstein und Niedersachsen jährlich Millionen Euro in die Hand genommen.

Doch es gibt auch Kritik an den Verfahren, die die Inseln vor Sandabtragung schützen sollen. Kim Detloff, Leiter der Abteilung Meeresschutz vom Naturschutzbund Deutschlands (NABU), sorgt sich vor allem um die kleinen Meeresbewohner: "Millionen Würmer, Muscheln, Krebse und junge Fische werden mit den Saugbaggern aufgenommen und über Pipelines auf den Strand geworden. Kaum ein Tier überlebt das". Doch bisher gibt es kaum andere Verfahren um dem Wegspülen der Strände entgegenzuwirken. Birgitt Matelski vom LKN meint, es sei die einzige Möglichkeit, die Inseln und die Küstenlinie Jahr für Jahr so zu erhalten.

Mehr Artikel zu diesem Thema

Weitere Lexikon Artikel

Weitere Artikel aus dem Wahrig Synonymwörterbuch

Weitere Artikel aus dem Wahrig Fremdwörterlexikon

Weitere Artikel aus dem Wahrig Herkunftswörterbuch

Weitere Artikel aus dem Vornamenlexikon